Lauf Junge Lauf |
Land/Jahr: D / F / P 2013 |
Genre: Drama |
Regie: Pepe Danquart |
Darsteller: Andrzej Tkacz Kamil Tkacz Elisabeth Duda Itay Tiran Zbigniew Zamachowski Jeanette Hain Lukasz Gajdzis Rainer Bock |
FSK: ab 12 Jahren |
Dauer: 103 Minuten |
Kaufstart: 25. September 2014 |
Label: NFP* |
Jurek heißt eigentlich ganz anders. Erst vor kurzem ist er aus einem polnischen Ghetto geflohen, kurz bevor die Deutschen dort wieder auftauchten. Er ist Jude, gerade einmal neun Jahre alt und wir zeichnen das Jahr 1940. Von seiner Familie getrennt, streift er durch die eiskalten und verschneiten Wälder und ist stets auf der Suche nach einer neuen Bleibe, etwas Nahrung und das ein oder andere Kleidungsstück. Mit kleineren Diebstählen und noch kleineren Jobs auf den nächstgelegenen Bauernhöfen schlägt er sich durch, um vor allem eines zu schaffen: Zu überleben. Doch immer nur, bis die Deutschen wieder aufkreuzen und er in ernsthafte Lebensgefahr gerät. Bis dahin darf niemand wissen, dass er Jude ist. Eine falsche Identität, ein vorgetäuschter christlicher Glaube und ganz viele Lügengeschichten sollen Jurek möglichst lange das Leben retten…
Kritik:
Die meisten Kriegsfilme über den Zweiten Weltkrieg befassen sich mit großen Schlachten, in denen Engländer, Amerikaner oder Russen sich gegen die Deutschen wenden und das ach so umkämpfte Deutschland befreien. Nur selten befassen sich Filme jedoch mit einer Perspektive direkt aus der Sicht der Bevölkerung. „Lauf Junge Lauf“ setzt da aber nochmal einen drauf und präsentiert uns die Ostfront aus den Augen eines kleinen neunjährigen Jungen.
Weltkrieg mit Kindern
Der kleine Junge, gespielt von Andrzej und Kamil Tkacz, streift durch dicht bewachsene Wälder. Es ist tiefer Winter, der Schnee und die Kälte machen die Nächte für den Jungen fast unerträglich, Nahrung wird knapp, Kleidung müsste erneuert werden. „Lauf Junge Lauf“ kommt schnell zur Sache. Keine große Einführung, denn bereits in der ersten Szene beobachten wir Jurek kurz nach seiner Flucht aus dem Ghetto, die Gestapo im Nacken. Nur Rückblenden geben uns Aufschluss darauf, was dem kleinen Jungen wohl wiederfahren ist und wie er in diese Situation geraten ist – vor allem, wenn ihn die angsteinflößenden Alpträume plagen, die ihn an seine schrecklichen Erfahrungen erinnern lassen. Doch gleich danach geht es weiter. Die Partisanen streifen durch den Wald, die Deutschen halten überall nach Juden Ausschau und selbst vermeintlich helfende Menschen könnten den Jungen schon bald gegen Bezahlung an die SS überbringen. Knallhart.
Non-Stop Flucht
Über seine gesamte Laufzeit lässt „Lauf Junge Lauf“ seinem Protagonisten kaum Verschnaufpausen. Nicht allzu lange kann er sich an einem Ort aufhalten, fast nonstop muss er weiterziehen und vor den Nationalsozialisten flüchten. Stets in der Gefahr, von den kennengelernten Menschen verraten zu werden. Das verschafft dem Film viel Abwechslung, wenn die Kulissen und die Handlungen ständig variieren. Der ständige Verlust ist sein dauernder Begleiter. Gerade Freunde gefunden, hält dies meist nicht lange an – mal fliegt seine Identität auf, mal muss er seinen Mitmenschen beim Sterben zu sehen. Angesichts der Tatsache, dass der Protagonist gerade einmal 9 Jahre alt ist, entsteht dabei eine erschreckend emotionale Inszenierung, die uns nicht gerade kalt lässt. Im Gegenteil, sogar deutlich mehr berührt, als würden Erwachsene diese Rolle spielen. Doch das hat Gründe.
Zwillinge mit Talent
Ungewöhnlich ist nämlich die Tatsache, dass dieselbe Figur von gleich zwei Jungdarstellern gleichermaßen im Wechsel gespielt wird. Andrzej und Kamil Tkacz sind nämlich Zwillinge und sehen tatsächlich identisch aus. Unterschiedliche Szenen haben die beiden übernommen, um den Dreh insgesamt zu verkürzen. Doch nicht nur optisch kann man den Unterschied der beiden nicht erkennen, sondern auch schauspielerisch nicht. Praktisch identische hervorragende Leistungen liefern die Jungen ab, sodass wir den Übergang zwischen den beiden Darstellern zu keiner Zeit erkennen. Jeder hatte offensichtlich seine Stärken und beide wurden optimal eingesetzt, um diese Rolle insgesamt hervorragend zu spielen. Mal ganz davon abgesehen, dass einem die Geschichte ohnehin nicht kalt lassen kann, denn „Lauf Junge Lauf“ ist im wahrsten Sinne ein Must-See – und innovativ noch dazu.
Fazit:
Die Judenverfolgung aus Sicht eines 9-jährigen jüdischen Jungen, der aus dem Warschauer Ghetto flüchtet. Das ist nicht nur innovativ und außergewöhnlich, sondern zugleich auch hochemotional und spannend. Dieser Film sollte in keiner Sammlung fehlen.