Bereits in ihrer Kindheit hatte Jane Eyre eine wahre Odyssee hinter sich. Nach dem schrecklichen Tod ihrer Eltern musste sie in einer Pflegefamilie aufwachsen, die sie nie gänzlich akzeptiert hat. Stets wurden die leiblichen Kinder da bevorzugt und für Jane war dieser Lebensabschnitt eine reine Qual. Nicht besser wurde es da, als sie kurzerhand in einem streng christlichen Internat untergebracht wurde und mit Züchtigung und Selbstgeißelung zu einer ehrvollen und unterwürfigen Frau herangezogen werden sollte. Kein Wunder also, dass sie kurz nach Erreichen ihrer Volljährigkeit auf schnellstem Wege verschwindet und eine Stelle als Hauslehrerin im wohlhabenden Schloss Thornfield annimmt. Mangels all der Liebe, die sie in ihrer Kindheit so dringend gebraucht hätte, fühlt sie sich schnell zum geheimnisvollen, trügerischen Hausherrn Edward Rochester hingezogen. Doch obwohl die Liebe zunächst perfekt scheint und die Hochzeit kurz bevor steht, hütet ihr zukünftiger Ehemann ein dunkles Geheimnis durch das sich schon bald alles verändern könnte…
Kritik:
Es sind diese romantischen Dramen, die besonders bei den Frauen, teils auch bei der älteren Generation stets gut ankommen. Der Traum von der einzig wahren Liebe in einer vornehmen, anstandsvollen Welt mag da die große Verlockung sein, die mit all seinem Kitsch so manches weibliche Herz erweichen lässt. Doch „Jane Eyre“ ist mehr als nur ein reines Liebesdrama, sondern bietet viel mehr psychologischen Tiefgang und außergewöhnliche Charakterzeichnungen, die wir ganz allein Mia Wasikowska zu verdanken haben.
Religion der Angst
Kaum vorstellbar erscheint da für manchen Menschen in der heutigen Gesellschaft die damaligen Zustände voller Brutalität und Ehrfurcht untergeben von einer Religion beherrscht von der Angst. Fast wie Maschinen, wie angsterfüllte Kinder, die das Böse befürchten, beten sie gottesfürchtig ihren vermeintlichen Erlöser an und wissen kaum, in der Realität zu recht zu kommen. An dieser Stelle kommt Mia Wasikowska als Jane Eyre ins Spiel, die so gar nicht in jenes damalige Leben zu passen scheint – und doch irgendwie ein perfekter Teil eben dieser ist. Mit einem schrecklichen Leidensweg hinter sich, der ihren Charakter – der übrigens hervorragend gespielt wird – sichtbar geprägt hat, unterwirft sie sich den brutalen Züchtigungen und der Furcht vor dem Unheil, welches ihr bereits zu Schulzeiten indoktriniert wird. Doch im Innern ist sie doch eigentlich ein aufgewecktes, nachdenkliches Mädchen, das glaubt, sich zur Wehr setzen zu können und in kleinen, sehr kurzen Momenten doch scheinbar radikale Ansichten zum Vorschein kommen lässt. Sie ist ein vielseitiger Charakter, der seine Gefühle sehr introvertiert in sich hinein frisst und doch so viel zu bieten hat. Allein deshalb mag „Jane Eyre“ ein Blick wert sein.
Atmosphäre durch Bedrängnis
Im Grunde basieren all die Qualitäten, die dieser Film bietet, allein auf den schauspielerischen Leistungen von Mia Wasikowska, die eine außergewöhnliche Inszenierung darbietet. Sie benötigt nicht viele Worte, darf eigentlich auch nur sehr hochgestochen, fast philosophisch sprechen, doch ihre wenigen Worte und die Körperhaltung sprechen für sich. Daneben: Eine Liebesgeschichte, wie sie in einem solchen Film wohl kaum fehlen dürfte. Doch eine intensive, hoch emotionale Atmosphäre kommt dabei auf, wenn sie von den Männern regelrecht bedrängt wird und kaum weiß, inwiefern sie diese Gefühle erwidern oder auf Distanz gehen sollen. Innerlich hin und her gerissen zwischen der Sehnsucht nach Liebe und der Angst vor noch mehr Schmerz, gelingt es Mia Wasikowska, diese Psychologie und diese Verhaltensweisen allein durch Körpersprache darzustellen. Allein dafür müsste sie bereits einen Oscar gewinnen, obwohl der Film ansonsten nicht jedermanns Sache sein mag.
Hochzeit mit dem Fremden
Abgesehen von diesen einzigartigen Darstellerleistungen mag „Jane Eyre“ nämlich ein durchaus schwieriger Film sein, so intensiv und spannend die Geschichte um den Leidensweg und die scheinbar verbotene Liebe auch sein mag. Denn insbesondere durch die doch sehr lange Laufzeit kann das Drama schon sehr zäh werden und sich extrem in die Länge ziehen, zumindest in so manchen Moment. Das mag auch an der insgesamt sehr ruhigen und langsamen Inszenierung liegen, die zwar intelligente Dialoge mitliefert, aber eben gerade wegen dieser gewissen Verklemmtheit und den starken Zwängen der Figuren kaum nah am Leben erscheinen. Die Frauen des Films wirken stets wie gefesselt in ihrem Handeln, stolzieren selbst in schwierigen Situationen stets erhobenen Hauptes durch das Haus, als hätten sie sprichwörtlich einen „Stock im Arsch“. Das ist sicherlich Geschmacksache und wirkt angesichts des vielen Kitsches sehr künstlich, aber auch fernab der Realität. Dabei passt genau diese Darstellung eigentlich gut zum Gesamtbild von „Jane Eyre“, denn mitsamt seiner Kulissen, seiner Kostüme und den liebevollen Kleinigkeiten achtet der Streifen schon sehr aufs Detail, sodass einfach alles perfekt passt – auch die Figuren. Dumm nur, dass die Tatsache, jemanden zu heiraten, den man auch nach der Hochzeit noch sietzt, etwas befremdlich erscheinen mag und nicht immer absolute Glaubwürdigkeit mitbringt. Doch auch das mag insgesamt irgendwie zum Gesamtbild passen, sodass „Jane Eyre“ vor allem Freunde von Romanzen und Dramen dieser Art sehr begeistern wird.
Fazit:
Mia Wasikowska gelingt es allein mit ihrer Körpersprache und ihren schauspielerischen Leistungen, den gesamten Film mit all seiner Intensität, Dramatik und Romantik zu tragen und ein detailliertes, psychologisch tiefgehendes Gesamtbild zu erzeugen, das stets eine bedrängende Atmosphäre schafft. Einzigartig.