I, Tonya |
Land/Jahr: USA 2017 |
Genre: Drama |
Regie: Craig Gillespie |
Darsteller: Margot Robbie Caitlin Carver Allison Janney Sebastian Stan |
FSK: ab 12 Jahren |
Dauer: 120 Minuten |
Kaufstart: 24. August 2018 |
Label: Universum Film |
Schon mit vier Jahren die ersten Wettbewerbe gewonnen, galt Tonya Harding als eine der besten Eiskunstläuferinnen der Welt. Sie war die erste Sportlerin überhaupt, der es jemals gelungen ist, einen dreifachen Lutz perfekt zu meistern und wurde deshalb auch für die olympischen Spiele im Jahre 1994 nominiert. Doch fast jede Karriere einer überragenden Profisportlerin hat auch einen großen Haken: Eine extreme Strenge durch ihre unerbittliche Mutter und häusliche Gewalt durch den eigenen Ehemann gehörten für Tonya schon lange zum ganz normalen Alltag. Bis eines Tages auch ihre Karriere darunter zu leiden hatte, als sie mit einem Attentat auf ihre Konkurrentin Nancy Kerrigan in Verbindung gebracht wurde…
Die negative Biografie
Die meisten Sportbiografien verlaufen nach dem immer gleichen Muster: Mit einer möglichst ausführlichen Vorgeschichte konzentrieren sich solche Filme in der Regel darauf, den Fortschritt der Karriere eines legendären Profisportlers mitzuverfolgen und letztendlich bis zu seinem absoluten Höhepunkt mitzufiebern. Ganz anders allerdings „I, Tonya“. Der Film über die ehemalige Eiskunstläuferin Tonya Harding ist vermutlich einer der wenigen, wenn nicht gar der einzige Film seiner Art, der sich scheinbar komplett auf negative Seiten der Sportlerin konzentriert. Vielleicht deshalb, weil Tonya Harding aus ihrem Leben auch nicht allzu viel positives zu erzählen hatte. Vor allem aber auch, weil sie durch das Attentat auf ihre Konkurrentin, bei dem die Fans bis heute noch von ihrer Mittäterschaft überzeugt sind, nicht gerade zu den beliebtesten Sportlerinnen gehört. Und daraus macht „I, Tonya“ auch kein großes Geheimnis.
And the oscar goes to…
Trotzdem gibt sich der Streifen immerhin alle Mühe, seiner Figur zumindest ein gutes Motiv (aber keine Entschuldigungen) für ihre fragwürdigen Handlungen zu geben. Vor allem ihre unerbittlich strenge, brutale und verhasste Mutter LaVona Harding soll dabei eine besonders große Rolle spielen. Auch hier beweist „I, Tonya“ schließlich größten Mut: Trotz der Umstrittenheit der tatsächlichen Begebenheiten sich zu trauen, noch lebende reale Personen von einer so negativen Seite darzustellen, dass man die betreffende Person eigentlich nur hassen möchte – und sich damit womöglich auf die Gefahr von Protest oder gar rechtlichen Konsequenzen einzulassen. Und doch macht gerade dieser Mut den Film so sehr aus: Allison Janney hat für ihre Rolle als heruntergekommene, kettenrauchende Mutter, die keine Gelegenheit auslässt, ihre Tochter zu schlagen und seelisch zu misshandeln, nämlich völlig zurecht den Oscar für die beste Nebendarstellerin erhalten.
Familiendrama statt Sport
Im Wesentlichen lebt „I, Tonya“ also von eben diesem persönlichen Konflikt. Der Sport selbst steht gar nicht so sehr im Mittelpunkt, sodass der Streifen auch problemlos von Zuschauern gesehen werden kann, die sich für Eiskunstlauf so gar nicht interessieren. An der Stelle gibt es nämlich vor allem nur schöne Bilder zu sehen und nicht einmal grundlegende Kenntnisse von den Regeln des Sports sind notwendig. Viel wichtiger ist nämlich sowohl der Konflikt mit der Mutter LaVona Harding, als auch mit dem ebenso gewalttätigen Ehemann Jeff Gillooly. Trotz seinem eigentlich so biografischen Hintergrund, handelt es sich bei „I, Tonya“ größtenteils schließlich eher um ein emotionales Familiendrama, bei dem sogar Tonya Harding selbst nicht unbedingt glücklich abschneidet – vor allem auch auf Grund ihrer eigenen Unfähigkeit, der häuslichen Gewalt ein Ende zu setzen. Eine Biografie mit einer solch schwachen Hauptfigur darzustellen, ist jedenfalls hoch innovativ und auch eine echte Glanzleistung von Hauptdarstellerin Margot Robbie, die in ihrer Rolle als psychisch gebrochene Träumerin regelrecht brilliert.
Wahrheit oder Fiktion?
Innovativ bleibt es allerdings auch bei der eigentlichen Inszenierung, denn mithilfe von realen Interviews mit den Betroffenen versucht „I, Tonya“ auf durchaus unterhaltsame Weise alle Sichtweisen irgendwie zu berücksichtigen. Wenn etwa Jeff Gillooly den Erzählungen von Tonya Harding oder ihrer Mutter widerspricht, bekommt der Streifen schnell einen eher ironischen Touch. Vor allem dadurch, dass die Darsteller ihr Handeln in eben jenem Moment entsprechend kommentieren, in dem sie dieses gerade ausführen. Macht das dann sogar Tonya selbst oder ihr direktes Umfeld, fällt es dem Publikum mitunter ein wenig schwer, sich entscheiden zu können, was es von der Hauptfigur nun eigentlich halten möchte: Soll Tonya Harding schließlich eine rebellierende Sympathieträgerin mit Träumen und Schicksalsschlägen sein, oder doch die skrupellose „Eishexe“, die mit dem Verbrechen an ihrer Konkurrentin gar einverstanden war? Sympathien aufzubauen fällt jedenfalls nicht immer leicht – erst recht, wenn Tonya zu einer Zielscheibe für schwarzen Humor gemacht wird, der dafür allerdings den Unterhaltungswert des Films ungemein steigert.
Fazit:
Mit seiner außergewöhnlich negativen Darstellung der Hauptfigur weicht „I, Tonya“ deutlich vom stromlinienförmigen Stil üblicher Biografien ab und beweist einen erfrischend ungewohnten Mut. Die ironische Erzählung mit ihrem schwarzen Humor rundet das Filmerlebnis dann gar noch ab und verleiht dem Streifen einen ganz eigenen Unterhaltungswert.
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