High-Rise |
Land/Jahr: GB 2015 |
Genre: Thriller |
Regie: Ben Wheatley |
Darsteller: Tom Hiddleston Jeremy Irons Sienna Miller Luke Evans Elisabeth Moss |
FSK: ab 16 Jahren |
Dauer: 118 Minuten |
Kaufstart: 18. November 2016 |
Label: Universum Film |
Eigentlich wollte Dr. Robert Laing nur seine Ruhe in der Anonymität, als er in ein riesiges Hochhaus einzog. Doch seine Erwartungen kehrten sich schnell ins Gegenteil um. Die anderen Hausbewohner sehen es nämlich überhaupt nicht ein, den neuen Mieter in Ruhe zu lassen und verdeutlichen schnell, dass in der vermeintlichen Anonymität eine strenge soziale Hierarchie vorherrscht. Überraschend kommt es für Laing, dass sich die unzähligen Bewohner allesamt gegenseitig kennen und hier reiche und arme Menschen direkt aneinander wohnen. Dumm nur, dass sich der Doktor damit gar nicht abfinden kann: Er setzt alles daran, seine endgültige Ruhe in die Tat umzusetzen und ist erst zufrieden, wenn er seine Mitbewohner unschädlich gemacht hat und beim Verspeisen des Hundes vom Architekten seelenruhig auf dem Balkon sitzen darf. Allerdings ahnt er zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht, dass er sich inmitten eines obskuren sozialen Experiments befindet…
Kritik:
Der Einzug in ein Hochhaus schreckt viele Menschen auch heute noch ab. Es ist nicht nur die vermeintliche Anonymität, sondern auch der schlechte Ruf solcher vorgeblichen Plattenbausiedlungen, die doch eher von der sozial schwachen Bevölkerung bewohnt werden. Interessant allerdings, wenn sich die Situation dort als gänzlich anders herausstellt – und die Bewohner schon bald gar nicht mehr aus dem sozialen Komplex heraus wollen.
Das Geheimnis
Die meisten Menschen unseres Landes dürften es immerhin nur zu gut kennen: Mitten im Großstadtdschungel kennt man seine eigenen Nachbarn gar nicht mehr. Man versinkt in der großen Anonymität und kann sich jederzeit zurückziehen. In einem Hochhaus wird die Situation auf die Spitze getrieben: Statt nicht einmal zu wissen, wer gegenüber wohnt, sind es schon die Menschen in der nächsten Etage, dessen Nachnamen uns nicht einmal mehr etwas sagen. Das nutzt Regisseur Ben Wheatley dann auch prompt aus, um „High-Rise“ ein bisschen wie ein Fantasystreifen wirken zu lassen, obwohl er keiner ist. Vergleichbar mit den mysteriösen Zauberwäldern der fantastischsten Streifen, nimmt der Hochhauskomplex derartig unüberschaubare Ausmaße an, dass man schon kaum mehr weiß, was sich eigentlich alles im Haus befindet. Ein Schwimmbad, ein Supermarkt und vielleicht sogar ein Bordell könnten da inklusive sein, obwohl der Bewohner nur fünf Etagen darüber womöglich nicht einmal von dessen Existenz weiß. Das löst eine beklemmende Faszination aus, bei der es gelingt, den geheimnisvollen Entdeckertrieb im Zuschauer zu lösen, obwohl sich doch alles nur in vier Wänden abspielt.
Der Ekel
Was wir unterdessen allerdings ebenso gut kennen, wenn wir in einer Großstadt wohnen, sind eben solche Menschen, die uns doch nur allzu befremdlich erscheinen. Dessen Lebensweise wir in keinster Weise nachvollziehen können und die wir grundsätzlich ablehnen. Eben all jene, die wir eben gar nicht so richtig kennen und um die wir bereits bei einem Gang durch die Innenstadt nur zu gerne einen Bogen machen. Und hier kommt das spannende Experiment, mit dem „High-Rise“ seine Zuschauer konfrontiert: In diesem Hochhaus müssen all diese Menschen gemeinsam leben und sich früher oder später auch miteinander befassen. Schafft man es, dabei eine derartige soziale Hierarchie zu erschaffen, dass die Betroffenen das Haus schon nicht einmal mehr verlassen möchten, entstehen dabei skurrile Situationen, wie sie uns „High-Rise“ vorführt. Das Publikum wird schnell mit einer Mischung aus Respekt, Faszination und Ekel konfrontiert, die ein bisschen an den Sci-Fi-Streifen „Snowpiercer“ erinnert. Nur, dass wir uns eben nicht in einem fahrenden Zug mit verschiedenen sozialen Klassen befinden, sondern in einem Hochhaus mit vergleichbaren Gegebenheiten.
Die Anpassung
Eine der wohl wichtigsten Weisheiten des Lebens bedeutet dabei aber wohl: Sind wir von der Lebensweise eines anderen Menschen angewidert, sollte man sich – so fordert uns bereits der eigene Instinkt auf – möglichst deutlich vom Gegenüber distanzieren und an seinen eigenen Überzeugungen festhalten. Auf keinen Fall jedoch sollte man sich anpassen und damit auf kurz oder lang zu einer solchen Person werden, wie man sie selbst verachtet. Auch hier liefert „High-Rise“ ein spannendes soziales Experiment, denn der Streifen macht exakt das Gegenteil. Die Story basiert gänzlich auf der faszinierenden Erprobung dessen, was wohl passieren mag, wenn sich verschiedene gesellschaftliche Klassen nicht mehr voneinander abgrenzen, sondern sich gänzlich in jeglicher Hinsicht einander anpassen. Das Chaos lässt nicht lange auf sich warten. Die wahrlich verrückten und mitunter verstörenden Szenen auch nicht, wenn aus dem alt-bekannten Klassenkampf plötzlich eine allumfassende Gleichmacherei wird. Man könnte den Streifen damit beinahe als Kritik an der sozialistischen Idee betrachten. Schnell merkt man, dass „High-Rise“ dabei durch und durch auf geniale Art durchdacht ist – auch wenn man doch eingestehen muss, dass der Streifen sich zur Mitte hin sogar etwas verrennen kann, wenn Zusammenhänge nicht mehr gänzlich nachvollziehbar sind. Beispielsweise nach der Frage, wieso nun die Bewohner eigentlich das Haus gar nicht mehr verlassen wollen. Psychologischer Interpretationsspielraum bleibt also ebenso offen, was dem Film einen überraschenden Tiefgang verleiht.
Das Bindeglied
Zusammengehalten wird die Story unterdessen von dem allseits beliebten Frauenschwarm Tom Hiddleston, den wir alle als Loki aus den „Avengers“-Filmen kennengelernt haben. Mit einer Kombination aus seriösem Anzugträger und drohendem Wahnsinn stellt dieser Hauptdarsteller damit auch prompt die Idealbesetzung dar, denn spontan fällt wohl kaum ein Schauspieler ein, der diese Rolle hätte besser besetzen können. Zumal auch so einige erotische Szenen mit von der Partie sind, die den „Körperkult“ rund um Hiddleston geradezu vorführen. Ein Augenschmaus also vermutlich für so manchen weiblichen Zuschauer. Das allerdings wird so gleich auch schnell nebensächlich, wenn seine über die gesamte Laufzeit stabile herausragende Leistung deutlich wird. Überraschend kommt das allerdings nicht, konnte man sich bereits bestens davon überzeugen, dass er in „The Night Manager“ und „Thor“ beide Aspekte seiner Rolle bestens beherrschte. Da kann es dann derweil allerdings mitunter auch passieren, dass die anderen Darsteller in „High-Rise“ glatt ein bisschen untergehen. Nicht schlimm, wie wir finden.
Fazit:
Ein geniales soziales Experiment über die Hierarchie in einem Hochhaus, das die Location in einem faszinierend geheimnisvollen Licht erscheinen lässt und dank der Idealbesetzung einen verblüffenden Spagat zwischen Respekt und Wahnsinn bewerkstelligt. Vielleicht einer der besten Filme des Jahres.