Kapitän Whip Whitaker gilt seit vielen Jahren als einer der besten Piloten seiner Airline. Stets konnte er eine gute Pünktlichkeitsquote halten, sorgte nie für ernsthafte Schwierigkeiten während dem Flug und auch seine Kollegen wissen ihn zu schätzen. Doch bereits kurz nach dem Start seines aktuellen Fluges gerät er mit seinem Flugzeug in schwere Turbulenzen. Er muss mitsamt seiner Crew und den 102 Passagieren an Bord direkt durch eine Unwetterfront fliegen und hält sich dabei nicht zwingend an alle Sicherheitsvorschriften. Da dauert es auch nicht lange, bis plötzlich das Höhenruder klemmt und er die komplette Kontrolle über die Hydraulik verliert. Das Flugzeug steht im direkten Sinkflug und die Lage scheint beinahe aussichtslos, als es Whitaker mit einem beeindruckenden Flugmanöver schafft, das Leben fast aller Passagiere zu retten. Dumm nur, dass die Flugsicherheitsbehörde den Fall fortan untersucht und sich Whitaker schon bald einer unangenehmen Wahrheit stellen muss…
Kritik:
Besonders spannend findet Hollywood schon seit langem die Katastrophen von Flugzeugabstürzen, in denen Menschen um ihr Leben bangen. Spätestens seit 9/11 ist das Thema ohnehin besonders interessant. Die wenigsten Genrevertreter konzentrieren sich jedoch auf die menschlichen Auswirkungen, genauer gesagt auf die Folgen eines Beinahe-Absturzes. „Flight“ schon.
Fesselndes Manöver
Der Film, für welchen Denzel Washington für den Oscar als bester Hauptdarsteller nominiert wurde, kommt dabei ziemlich schnell zur Sache: Nach einer feucht-fröhlichen Nacht mit der Kollegin zieht sich der Kapitän nochmal die letzte Line durch die Nase und macht sich prompt auf den Weg zu seinem Arbeitstag. Völlig betrunken und high vom Kokain, fühlt er sich bereit für den Flug. Das, was uns dann in der darauffolgenden halben Stunde von „Flight“ erwartet, dürfte die wohl beste Inszenierung eines Flugzeugabsturzes sein, die wir jemals gesehen haben. Regisseur Robert Zemeckis gelingt es hervorragend, die Brenzligkeit der Situation und die Emotionen der Protagonisten einzufangen. Bis zum Aufprall auf dem Boden sind wir dermaßen an den Film gefesselt und werden so emotional berührt, dass wir es kaum mitbekommen, wie die Zeit wie im Fluge vergeht. Beeindruckend. Doch erst danach, also nach dem vermeintlichen Showdown, fängt die Story so richtig an.
Ein ganz persönlicher Absturz
Es ist schon ein sehr ungewöhnlicher und innovativer Ablauf, wenn ein Regisseur die Action direkt an den Anfang setzt und die eigentliche Geschichte nach dem Höhepunkt der Dramatik erst beginnt. Wir müssen zugeben: An den darauffolgenden Tempo-Abfall der Erzählung muss man sich erst einmal gewöhnen – doch es funktioniert erstaunlich gut. Da stellt man dann fest, dass der Absturz des Flugzeugs fast schon eine metaphorische Anspielung auf das Leben des Hauptdarstellers sein könnte. Denn nicht nur das Flugzeug stürzt hier ab, sondern auch das Leben des Piloten, der von schlimmeren Verletzungen glücklicherweise verschont bliebt. Alkohol, Drogen und zahlreiche persönliche Probleme reihen sich aneinander – und machen den Kapitän zu einem interessanten und faszinierenden Charakter, der über klassische Schwarz-Weiß-Muster durchaus hinaus zu gehen scheint. Man sollte sich also im Klaren darüber sein, welche Art von Film hier auf den Zuschauer zukommt, denn „Flight“ ist nur zu Beginn ein Katastrophenthriller – danach wird er zu einem waschechten Alkoholiker-Drama.
Die Sprache der Gestik
Die Nominierung für den Oscar erscheint bei näherem Hinsehen übrigens gar nicht mehr so ungewöhnlich. Denzel Washington hat sich diese für seine Leistungen wahrlich verdient, denn er schafft es, wahre Hochleistungen zu zeigen. Mit „Flight“ spielt er eine seiner bisher besten Rollen und braucht auch gar nicht so viele Worte, um seine Emotionen zu zeigen. Die Mimik des Schauspielers, wenn er beispielsweise einem Opfer des Absturzes gegenüber steht, oder das geduldige, kaum auszuhaltende Warten auf den nächsten Schluck Alkohol sprechen Bände – und bringen die Gefühlslage eines Alkoholikers erstaunlich gut rüber. Die Schwere eines Entzuges und der Drang nach seinem Suchtmittel werden so sogar für den nicht-abhängigen Zuschauer ersichtlich. Damit schafft Zemeckis ein richtiges Kunststück und macht „Flight“ zu einem Meisterwerk.
Fazit:
Robert Zemeckis schafft mit „Flight“ ein echtes Meisterwerk und inszeniert nicht nur den emotionalsten und dramatischsten Flugzeugabsturz aller Zeiten, sondern kann hinsichtlich Charakterdarstellung wahre Kunststücke vollbringen. Beeindruckend!