Aufgewachsen mit einer Mutter, die ihrem Sauberkeitsfimmel völlig freien Lauf ließ, hat Helen gänzlich eigene Ansichten in Bezug auf Körperhygiene. Aus einer Rebellion gegen ihre Eltern heraus, beschließt die schließlich mit ihren Körperflüssigkeiten lieber zu spielen, statt sich regelmäßig zu waschen. Mit großer Vorliebe verwendet sie die dreckigsten Toiletten, die sie finden kann, trägt ihre Unterwäsche gern wochenlang und hat auch kein Problem damit, ganz offen zu ihrer mangelnden Hygiene zu stehen. Das allerdings sorgte unlängst dafür, dass sie bereits im jungen Alter unter Hämorrhoiden leidet und sich regelmäßig an den entsprechenden Stellen kratzen muss. Damit es im Bett aber auch schon einmal versauter zu gehen kann, sieht auch sie sich gezwungen, sich dem Trend der Intimrasur zu beugen – und erlebt das wohl schlimmste Erlebnis ihres Lebens. Erst einmal geschnitten, werden ihre Hämorrhoiden zu einem ernsthaften Problem, das sie prompt ins Krankenhaus bringt. Doch gemäß ihrer Meinung zur Wirkung des Körpergeruchs glaubt sie natürlich fest daran, den dortigen Pfleger um den Finger wickeln zu können und möchte am liebsten gar nicht wieder heraus…
Kritik:
Nachdem schon das Buch von Charlotte Roche für einige Schlagzeilen sorgte, ist auch die Verfilmung des umstrittenen Stoffs in aller Munde. Einige Zungen sprechen davon, dieses Buch hätte nie verfilmt werden sollen und andere sind schockiert vom angeblich hohen Ekelfaktor des Films. Doch ist „Feuchtgebiete“ wirklich so extrem, wie alle behaupten?
Eklig oder geil?
Zugegeben, den Film erst einmal gestartet und die ersten Minuten genossen, könnte an der Ekelhaftigkeit des Filmes sicher etwas dran sein. Ganz locker auf ihrem Skateboard fährt Carla Juri in der Hauptrolle über die Straßen daher, kratzt sich an ihrem Hinterteil und sucht sich barfuß die nächste öffentliche Toilette. Die steht unter Wasser und ist völlig versifft, was sie natürlich kurzerhand mit ihrem nackten Gesäß sauber reiben muss. Anschließend führt uns eine Kamerafahrt direkt in die mikrobiologischen Einsichten aus Bakterien, Haaren und anderer ekliger Dinge in Nahaufnahme und anschließend animiert. An der Stelle ist der Ekel aber auch schon vorbei, denn animierte Milben und Bakterien sind gar nicht so ekelig, wie immer alle denken. Stattdessen könnten sich manche männlichen Zuschauer fast schon am freizügigen Blick „erfreuen“, denn Helen bezeichnet sich selbst als „zeigefreudig“. Von der Selbstbefriedigung mit Gemüse, über Intimrasur, bis hin zum Blick unter die Kleidung ist da alles dabei. Und zugegeben: Das sieht gar nicht so abschreckend aus – wären da nicht diverse Flüssigkeiten.
Rebellion gegen die Konservativen
Im Grunde hat sich „Feuchtgebiete“ ein ganz klares Ziel gesucht, das der Film provozieren will: Prüde, konservative und auch religiöse Menschen. Denn die haben schließlich die meisten Probleme mit sexueller Offenheit, mangelnder Körperhygiene und diversen Körperflüssigkeiten. Auf Grund der offensichtlichen Religiösität ihrer Mutter will Helen schließlich dem prüden Katholizismus mit seinen falschen Moralvorstellungen den Kampf ansagen und daraus macht „Feuchtgebiete“ auch keinen Hehl, obwohl alles ein bisschen oberflächlich bleibt. Da wird das Kruzifix im Krankenhauszimmer abgehangen, die Marienstatue im Flur mit Masturbationsblut beschmiert und hier und da mal ein wenig nackte Haut gezeigt. Der Umgang mit Sexualität ist ganz offen und ungehemmt – und damit kommt eben nicht jeder klar. Streng religiöse Menschen könnten mit diesem Streifen also durchaus ein Problem haben, aber seien wir mal ehrlich: Einen Erwachsenen dürfte das eigentlich nicht mehr schocken. Daher bleibt es dann bei ein bis zwei wirklich ekeligen Szenen und ansonsten haben wir es typischerweise mal wieder mit viel Lärm um nichts zu tun. Denn der große Schockmoment, der uns doch ständig in den Medien angepriesen wird, will irgendwie nicht aufkommen.
Die eiligen Flüssigkeiten
Das Problem dieses Films ist: Man verspielt all seine ekligen „Schockmomente“ bereits in der ersten halben Stunde. Da wird provoziert, ekelige Flüssigkeiten gezeigt und sich auch gern mal ausgezogen – und nach knapp dreißig Minuten ist es das auch schon gewesen. Klar, ein bisschen Blut und Sperma gibt es überall mal zu sehen, aber da bekommt man dann einfach nicht mehr geboten, was wirklich schockieren könnte. Zu Beginn noch genau im richtigen Moment gerade die Inhalte gezeigt, die man nach einer gewissen ekligen Aktion gar nicht sehen möchte, fixiert sich „Feuchtgebiete“ spätestens in der zweiten Hälfte auf die persönlichen Komplexe der Hauptfigur und verplempert seine Zeit mit Belanglosigkeiten. Erzählt uns der Film nämlich vom gegenseitigen Tamponaustausch unter Freundinnen ist das nicht wirklich schockierend, sondern fällt einfach unter die Kategorie „Too much input“. Das will dann einfach niemand mehr wissen, obwohl es uns emotional kalt lässt. Schade drum, denn so verpufft der Ekelfaktor ziemlich schnell, weil „Feuchtgebiete“ einfach nicht konsequent genug bleibt. Wir finden: Dieser Film hätte ruhig noch einige ekelhafte und schockierende Szenen mehr vertragen können, um uns wirklich vom Hocker zu hauen. Trotzdem: Atheisten, Ungläubige und sonstige Heiden werden sicherlich ihre Schadenfreude daran haben, wenn der Streifen ganz gezielt und offen die prüden religiösen Gefühle angreifen will.
Fazit:
Mit einigen ekeligen und provokanten Szenen und einer anfänglich erstklassigen Charakterzeichnung geht „Feuchtgebiete“ zunächst beeindruckend an den Start, verpufft dann aber schnell in unbeeindruckenden Komplexen einer angenehm offenen Hauptfigur. Die mutige Andersartigkeit und Lockerheit dieses Films verdient aber trotzdem einen kleinen Pluspunkt. In diesem Sinne: Viel Lärm um nichts, aber doch unterhaltsam.