Noch heute kann die deutsche Gesellschaft die damaligen Geschehnisse im Nazi-Regime kaum verarbeiten. Schnell sind die Gemüter erhitzt, wenn alte Menschen ihre antisemitischen Kommentare von sich geben. Doch was kaum jemand weiß: Hinter den Kulissen der damaligen DDR sollten die Nazis bereits für ihre Taten büßen. So zögerte Rachel Singer nicht lange, sich einer geheimen Mission als Mossad-Agentin anzuschließen und sich auf die Suche nach dem berüchtigten Dieter Vogel, dem „Chirurgen von Birkenau“ zu machen. Tausende Juden hat der noch in der DDR-Zeit tätige Arzt bereits ermordet und als gläubige Jüdin ist es für Rachel eine Ehre, ihn zur Rechenschaft zu ziehen. Dumm nur, dass die Mission gewaltig schief läuft und auch noch Jahrzehnte später ein Mann plötzlich behauptet, der damals entführte Dieter Vogel zu sein…
Kritik:
Beim Thema Nazis und Hitler-Zeit sind die Deutschen bekanntlich sehr empfindlich. Die einen würden diese Zeit am liebsten tabuisieren, während andere eine Vorliebe daran haben, die bösen „Braunen“ aus unserer Gesellschaft zu verbannen und bei jeglicher Gelegenheit zu attackieren. Bei all den klassischen Filmen über den zweiten Weltkrieg wird jedoch gerne einmal vergessen, dass der Kampf gegen die Nazis durch den Tod von Hitler noch lange kein Ende fand, denn in Geschichtsbüchern werden gewisse Themen nur allzu gern vergessen.
Im Auftrag der Israeli
So wird auch in kaum einem Lehrbuch erwähnt, dass gewisse Naziaktionäre auch in der DDR-Zeit noch immer auf der Abschussliste des israelischen Geheimdienstes standen. Mitten in Ost-Berlin finden wir daher die Mossad-Agentin Rachel Singer, die sich unter allen Umständen auf die Jagd nach den größten Verbrechern des Nationalsozialismus machen will. Dazu gehören insbesondere auch Ärzte, die an tausenden Juden zahlreiche Experimente durchführen, ehe sie anschließend in die Gaskammern geschickt wurden. Der berühmte Dieter Vogel, „Chirurg von Birkenau“ zählt zu eben diesen Personen – und da scheint es ein umso größerer Skandal, dass er selbst in der DDR noch offiziell tätig sein durfte. Eine wahre Geschichte tischt uns „Eine offene Rechnung“ damit auf und liefert zugleich brisanten Stoff. Die Story ist dementsprechend umfangreich ausgefallen und auch der Gewaltgrad hält sich nicht unbedingt immer zurück.
Kampf den Nazis
Die Action ist dabei keineswegs überdreht, denn hier wird sowohl auf atemberaubende Verfolgungsjagden, als auch auf übertriebene Effekte verzichtet. Das was wir hier zu sehen bekommen, hält sich schließlich so nah wie möglich an die Realität. Jüdisch-israelische Agenten stoßen auf einen ehemaligen Nazi-Chirurgen mit auch heute noch rechtem Gedankengut und müssen vor allem eines: Ihn in den Westen schaffen, um ihn anschließend in Israel vor ein Gericht zu stellen und verurteilen zu lassen. Dass es da nicht lange dauert, bis die Situation zwischen dem Nazi mit seinen antisemitischen Kommentaren und den Juden eskaliert, sollte jedem klar sein, sodass er oft und schnell zu Handgreiflichkeiten kommt. Doch wer erst einmal tausende Juden in die Gaskammer gesteckt hat, dem fällt es nicht sonderlich schwer, auch im Nahkampf entsprechend zuzuschlagen. Gesichter werden also ebenso zertrümmert, wie halbe Leichen „produziert“.
Juden auf Konfrontationskurs
Hervorragende Leistungen kann man da vor allem Jessica Chastain und Helen Mirren zusprechen, die sich hier als jüdische Agentin mit besagtem Nazi anlegen müssen. Vor allem erstere spielt dabei die jüngere Rachel Singer und präsentiert ihr Leben mitten in der Mission. Die Gefangennahme wird da ebenso gezeigt, wie die starken Emotionen bei der meist stillen Auseinandersetzung mit dem Gefangenen. Schwer scheint es da zu begreifen, dass ein solch bösartiger Mann tatsächlich noch ein menschliches Wesen sein kann und wenn die eigene Mutter in der Gaskammer hingerichtet wurde, treffen anti-jüdische Meinungen umso heftiger. Die Gefühlsausbrüche von Chastain sind daher besonders glaubwürdig und zeigen in „Eine offene Rechnung“ wahre oscarreife Bestleistungen. Da kann sie ihrer Kollegin Helen Mirren, welche die um dreißig Jahre ältere Rachel Singer spielt, glatt die Show stehlen, da sie einfach die herausfordernde und schwierigere Rolle ergattert hat. Der Kampf gegen einen alten Mann ist da eben nicht so herausfordernd, wie die frische Aufarbeitung des Problems als junge Mitzwanziger. Das macht allerdings nichts, denn bereits die Bearbeitung des sensiblen Themas, durch den ideelen, aber sehr spannenden Films ist perfekt getroffen. Fest steht: „Eine offene Rechnung“ stellt sich politisch ganz eindeutig auf die linke Seite, ohne radikal zu wirken – doch er ist auch sehr nachvollziehbar und schießt niemals über sein Ziel hinaus. Herausragend!
Fazit:
Eine besondere Aufarbeitung des zweiten Weltkriegs, die uns einen wahren Hintergrund präsentiert und die jüdischen Probleme einmal jenseits der Geschichtsbücher betrachtet. „Eine offene Rechnung“ ist dank der Perspektive einer Mossad-Agentin sehr zeitgerecht und eher im Thriller-Genre anzuordnen, ohne dass wir mit klassischen Hitler-Kriegsszenarien gequält werden.