Carl Gustav Jung ist ein bodenständiger Mann mit eigener Familie, großem Eigenheim und einem guten Beruf. Er ist erfolgreich als junger Psychiater tätig, der es teilweise mit recht schwierigen Fällen zu tun bekommt. Seine neueste Patientin, Sabina Spielrein, hat seit ihrer Kindheit mit diversen Psychosen zu tun, die sich regelmäßig in krampfartigen Anfällen äußern. Es scheint dabei, als wären die Ursachen auf häusliche Gewalt seitens ihres Vaters zurückzuführen und sich fortan in sexuellen Vorlieben, bis hin zum Sadomasochismus zeigen. Trotz seiner zunächst distanzierten und sachlichen Herangehensweise, kann er jedoch nicht verheimlichen, dass dieser Drang zur Erregung auch auf ihn durchaus gewissen Anreiz haben mag. Dumm nur, dass ein weiterer Patient ausgerechnet in diesem Moment dafür sorgt, dass er die Monogamie grundsätzlich in Frage stellt und eine Liebe beginnt, die ein Arzt niemals beginnen sollte…
Kritik:
Fast jeder Mediziner muss sich bei seinem Beruf sicherlich oft zusammenreißen, wenn er gewissen Gefallen an seinen Patientinnen hegt. Die einen strahlen eine unglaubliche Attraktivität aus, andere bieten die direkte Berührung mit intimen Bereichen ihres Körpers rein aus gesundheitlichen Gründen und ganz andere wirken wegen ihrer seelischen Verfassung einfach so hilflos und unterlegen, dass dies den Beschützerinstinkt und gewisse Neigungen bei den Ärzten hervorrufen kann. Doch wird die Grenze zur Liebe zu den eigenen Patienten einmal grundlegend überschritten, kann das katastrophale Folgen haben, wie uns auch „Eine dunkle Begierde“ unmissverständlich klar machen will.
SM – Krankheit oder Vorliebe?
Eins fragten die Böhsen Onkelz: „Bin ich erst glücklich, wenn es schmerzt?“. Bei einigen Patienten mit selbstzerstörerischer Neigung und Sucht zur Demütigung mag dies tatsächlich eine wichtige Frage sein, denn die Suche nach Leid kann schon bald zur Erfüllung des eigenen Sexuallebens werden. In „Eine dunkle Begierde“ sehen wir eine solche Patientin, die offensichtlich erst dann ein ausgewogenes Leben führen kann, wenn sie sich Gewaltfantasien und schmerzhaften Gelüsten hin gibt. Der Sadomasochismus wird damit von einer ganz anderen Perspektive dargestellt und gilt somit schnell als Kompensation eines kindlichen Traumas – einer Sucht nach Schmerz, ganz so, wie er einst der eigene Vater der Tochter zufügte. Wir erkennen also, dieser Streifen bedient sich auf überaus intellektuelle Weise einem psychologischen Tiefgang, wie er seinesgleichen sucht und versucht, die Sexualität als solches grundsätzlich in Frage zu stellen. Gerade damit wird er aber zugleich auch erst interessant.
Wer ist der Patient?
Eine wichtige Rolle spielen auch die sehr verstrickten Charakterzeichnungen von Herrn Jung, gespielt von Michael Fassbender. Er ist Psychologe und hat es sich zur Aufgabe gemacht, seine Patienten zu analysieren, um sie somit anschließend heilen zu können. Doch wie wir alle sicher wissen, hat auch ein Psychologe selbst gewisse Probleme und Fehler und ebenfalls wahrlich keine Psyche, die jedem noch so schwierigem Druck standzuhalten vermag. Schnell muss er sich selbst grundlegend in Frage stellen, als ein Patient beginnt, seine eigene Psyche zu analysieren – und dabei so überzeugend und selbstbewusst zu wirken, dass wir uns als Zuschauer fragen müssen, wer denn nun tatsächlich wen hier therapiert. Dass unterdessen jeder Psychologe von seiner eigenen Überlegenheit überzeugt scheint, mag beim Zusammentreffen mehrere Psychologen, die beginnen, sich gegenseitig zu analysieren und zu hinterfragen, nicht gerade hilfreich sein, wird doch der eigene Kollege womöglich zum größten Feind. Hier müssen wir mitdenken und versuchen, am Ball zu bleiben, bekommen aber dermaßen geniale Charaktere geboten, dass sie uns jederzeit faszinieren können.
Langsame Intellektuelle
Abgerundet wird das einfallsreiche und ungewöhnliche Filmerlebnis dann durch überaus ausgeklügelte Dialoge und hochintellektuelle Wortwahl. Jeder der Protagonisten drückt sich jederzeit sehr gewählt, fast schon lyrisch aus und vermag auch mit seinen Worten den Zuschauer gänzlich zu faszinieren. Schade ist dabei allerdings, dass gerade zum späteren Verlauf – insbesondere auch wegen dieser stilistischer Mittel – gewisse Längen auftauchen, die den Film insgesamt etwas „schwierig“ erscheinen lassen. Man muss sich also voll und ganz auf die Story einlassen können, um „Eine dunkle Begierde“ durchgehend einwandfrei genießen zu können und sollte sich damit abfinden, nur geringes Tempo und praktisch keinerlei Action geboten zu bekommen. Für Filmfreunde mit Psychologie-Interessen aber ein genialer Streifen, den man nicht verpassen sollte.
Fazit:
Ein psychologisches Drama, das seinesgleichen sucht, weil es die Glaubhaftigkeit der Psychologie grundsätzlich in Frage stellt, exzellente Charakterzeichnungen bietet und uns in verbotenes Terrain der Gelüste einführt. Herausragendes Psychodrama!