Die junge Sabine hatte nie eine wirklich unkomplizierte Kindheit: Bereits in frühen Kindheitsjahren musste sie mit ihren Eltern auf einen anderen Kontinent reisen, damit ihr Vater dort interessante Forschungsmissionen durchführen kann. Mit acht Jahren landet sie dann erstmals im Dschungel von West-Papua und muss dort ihre gesamte restliche Kindheit verbringen. Gemeinsam mit ihrer Familie, versucht sie, ein friedliches Leben mit den indonesischen Einheimischen zu führen und dessen Sprache und Lebensgewohnheiten zu erforschen. Doch während sie nach der Überwindung der ersten Scheu endlich Freundschaften aufbauen kann, stehen ihnen auch schwere Krankheiten und primitive Kriege bevor. Damit wird Sabine für den Rest ihres Lebens geprägt und wird mehr und mehr zu einer Indonesierin. Eine Tatsache, die noch für Probleme sorgen wird…
Kritik:
Die meisten Kinder leben in ganz gewöhnlichen Familienverhältnissen, haben einen festen Wohnsitz und gehen regelmäßig in die Schule. Selbst der häufige Umzug im eigenen Land kann für viele da schon problematisch sein, wenn sie sich in einer völlig neuen Umgebung zurechtfinden müssen. Doch Sabine Kuegler hat es da noch wesentlich schwerer, als sie mit acht Jahren nach Indonesien zieht und dort einer völlig neuen Kultur gegenüber steht. Doch die gelungene Integration macht sie schon bald zu einem wahren Dschungelkind.
Die unbekannte Wildnis
Erst vor genau sechs Jahren war es soweit, dass Sabine Kügler ihre interessanten und aufregenden Erfahrungen im Dschungel erstmals schilderte und der ganzen Welt zugänglich machte. Sie schrieb das gleichnamige Buch „Dschungelkind“ und verfasste damit eine Autobiografie über ihre Lebensverhältnisse, die nun endlich verfilmt wurden. Da dürfen wir uns natürlich auf faszinierende Gegenden und spannende Situationen freuen, die bereits mit den sehnsüchtigen Kulissen eines fremden Dschungels beginnen. Inmitten von grünen Wäldern und exotischen Insekten tappt dabei eine junge weiße Familie in die Stämme der schwarzen Indonesier und stehen dabei als hochentwickelte Westliche plötzlich einer absolut primitiven Kultur gegenüber, die durch ihre Besonderheit schnell das Interesse der Zuschauer wecken kann.
Das exotische Unbekannte
Mit eine ausgeprägten Natürlichkeit punkten da natürlich gleich die einheimischen Ureinwohner von West-Papua und präsentieren uns einen primitiven Stamm aus scheuen, aber weltoffenen Mitbewohnern. Voller Mitgefühl und Gastfreundlichkeit bieten sie den Besuchern eine neue Unterkunft und ermöglichen ihnen das Erforschen ihrer Kultur. Sowohl die leicht bekleidete Kostümierung, welche völlig authentisch in etwa dem Bild diverser Dokumentationen entspricht, als auch die interessanten Gesänge und Lebensgewohnheiten der Ureinwohner können da jederzeit punkten. Da mag es dann für den westlichen Zuschauer schon ein wenig faszinierend ausschauen, die primitiven Streitereien und Kämpfe zwischen den Stämmen zu beobachten und wir können uns schnell in das eingeschränkte Weltbild der Menschen hineinversetzen. An dieser Stelle kann „Dschungelkind“ also sehr schnell große Pluspunkte sammeln.
Im Dschungel sind die Spießbürger los
Schade mag es da natürlich sein, dass diese Professionalität und Authentizität bei den weißen Hauptdarstellern nicht immer ganz angekommen sein mag. Insgesamt mag die junge Stella Kunkat als Sabine zwar sehr gute und weltoffene Leistungen mitliefern, doch besonders dessen Eltern scheinen mit ihrem äußerlichen Auftreten ganz und gar nicht in diese Welt hineinpassen. Da will uns Regisseur Roland Suso Richter dann tatsächlich weiß machen, dass Menschen, die sich bereits seit Jahren im Dschungel aufhalten, immer noch mit westlichen Markenklamotten im Schickimicki-Look daher kommen und sich scheinbar nicht im Geringsten angepasst haben. Das passt dann weder vom äußerlichen Erscheinungsbild, noch vom spießbürgerlichen Gesamteindruck, wenn sie die Sicht der Ureinwohner einfach nicht hinnehmen wollen.
Das Paradies der Wilden
Auch gibt es an der Stelle ein deutliches Problem mit der viel zu einseitigen Darstellung. So scheint sich „Dschungelkind“ doch gerne dem Idealbild des „edlen Wilden“ zu bedienen und präsentiert die primitiven Ureinwohner ausschließlich als freundliche und lernfähige Mitmenschen. Scheinbar problemlos können sie ihre Angst vor den „Flüchen“ und die bevorstehenden Kriege vergessen und sich den westlichen Sichtweisen anpassen, ganz so wie es die Spießbürger doch am liebsten hätten. Ernsthafte Auseinandersetzungen scheint es da nie zu geben und während sich geschätzte dreißig bis vierzig Einheimische gegenseitig bekriegen und mit Bögen beschießen, kann ein einzelner scheinbar übermächtiger weißer Mann ganz locker hindurch spazieren und ihnen die Bögen wegnehmen. Ein Krieg scheint da nie zur Bedrohung zu werden und die Situation insgesamt sehr verharmlost zu werden. Fraglich mögen da allerdings Sabine Küglers Hintergründe und ihre vielleicht verfremdete Sichtweise sein. Davon abgesehen kann „Dschungelkind“ allerdings handwerklich alles richtig machen, wenn wir von einigen Schwierigkeiten beim Zeitwechsel absehen. Denn während Sabine Kügler plötzlich älter wird und durch eine ältere Darstellerin ersetzt wird, scheinen ihre Mitmenschen ganz offensichtlich kaum zu altern.
Das Dschungelkind aus der Großstadt
Ein wenig enttäuschend mag da für manchen Zuschauer sein, dass er nicht ganz die erwartete Story zu Gesicht bekommt. Die meisten werden bei dem Titel „Dschungelkind“ wohl die Geschichte eines Mädchens erwarten, das gänzlich und allein im fremden Dschungel aufgewachsen ist und sich einen wahren Überlebenskampf geleistet hat. Niemand würde da wohl zunächst auf den Gedanken kommen, dass es sich lediglich um ein Mädchen handelt, das mit ihrer ganzen fünfköpfigen Familie in Indonesien auftaucht und dort scheinbar alle Privilegien genießt. Von Überlebenskampf oder einer allgemein schwierigen Lebenssituation ist da kaum eine Spur, sodass wir nur bedingt von einem aufregenden Dschungelabenteuer sprechen können. Insgesamt darf man den Film also eher als „Familiendrama in exotischen Gebieten“ bezeichnen. Das ändert allerdings nichts am Unterhaltungswert dieses interessanten und spannenden Themas.
Fazit:
Zwar kann uns „Dschungelkind“ nicht den erwarteten Überlebenskampf eines jungen Mädchens liefern, bietet uns aber immerhin ein authentisches Familiendrama inmitten einer fremden Kultur. Damit präsentiert uns der Film einen faszinierenden Blick auf den indonesischen Dschungel, sodass wir trotz gewisser Schwächen, eine unterhaltsame Kindheitsgeschichte erleben dürfen.