Coda |
Land/Jahr: USA 2021 |
Genre: Drama |
Regie: Siân Heder |
Darsteller: Emilia Jones Marlee Matlin Troy Kotsur |
FSK: ab 12 Jahren |
Dauer: 112 Minuten |
Kaufstart: AppleTV+: 13. August 2021 |
Label: Apple TV |
Die 17-jährige Ruby wuchs in einer Familie aus Gehörlosen auf und ist das einzige Familienmitglied, das über die Fähigkeit des Hörens verfügt. Seit ihrer Kindheit hilft sie deshalb ihren Eltern in ihrem eigenen Fischereibetrieb, da ihre Lizenz davon abhängig ist, einen hörfähigen Dolmetscher an Bord ihres Bootes zu haben. Für Ruby, die längst ganz eigene Träume und Ziele in ihrem Leben hat, wird das aber zunehmend zu einer Belastung. Ganz zum Unverständnis ihrer gehörlosen Eltern meldet sie sich für den Schulchor an und entdeckt dort nicht nur die Liebe zum Gesang, sondern auch zu ihrem Duettpartner Miles. Ihr großer Traum: Die Aufnahme für das Musikstudium am Berklee College of Music in Boston. Doch damit muss sie sich schon bald zwischen der Musik und ihrer Familie entscheiden…
Kritik:
Im letzten Jahr der Gewinner auf dem Sundance Film Festival, dieses Jahr als bester Film für die Oscarverleihung nominiert: Die Filme auf den großen Streamingdiensten spielen bei den namhaftesten Auszeichnungen inzwischen eine immer größere Rolle. Das Drama von Apple TV+ geht mit seinen überwiegend gehörlosen Darstellern allerdings auch ziemlich ungewöhnliche Wege.
Ein Film in Gebärdensprache
Mit einer Geschichte über ein junges Mädchen, das in einer Familie aus Gehörlosen aufgewachsen ist und damit schon von Natur aus eine außergewöhnliche Biografie mitbringt, ist „Coda“ aber vielleicht auch in seiner Machart einzigartig: Wenn neben Emilia Jones in der Hauptrolle als Ruby auch noch die beiden gehörlosen Schauspieler Marlee Matlin und Troy Kotsur auftreten, spielt das Drama nämlich zu gefühlt 50% seiner Laufzeit in Gebärdensprache. Immer wieder werden wir in die Erlebniswelt der Gehörlosen mitgenommen, in der die Umgebung ziemlich leise oder gar lautlos ist und wir Darsteller sehen, die sich in Gebärdensprache unterhalten, die das Publikum währenddessen mit Untertiteln verfolgen kann. Immer wieder wechseln wir zwischen zwei Welten, in denen die junge Ruby sich im normalen Alltag mit normal hörenden Menschen unterhält und dann im familiären Umfeld zur Gebärdensprache wechseln muss.
Eine verschlossene Welt
Dabei bringt „Coda“ die Art und Weise, wie Gehörlose ihre Umwelt erleben, ziemlich gut rüber – was vor allem am inhaltlichen Kontrast der Story liegt: Während zuhause eine ziemlich stumme Welt auf Ruby wartet, entdeckt sie schließlich in der Schule ihre Liebe für den Gesang. Eine Form der Unterhaltung, die ihrer Familie nahezu gänzlich verschlossen bleibt und die deshalb auch nicht unbedingt auf Gegenliebe stößt. Und wenn „Coda“ bei einem Gesangsauftritt von Ruby einfach mal den Ton komplett stummschaltet, lässt sich für das Publikum hervorragend miterleben, wie eine ganze Welt für Gehörlose verschlossen bleibt und sie auf Mimik und Reaktionen anderer Menschen angewiesen sind, um die Emotionen durch Musik überhaupt wahrnehmen zu können. Immer wieder gelingt es dem Drama, die Wahrnehmung der Betroffenen bildlich einzufangen, in dem der Film auf Gesichtsausdrücke und Körpersprache setzt, statt auf gesprochenen Dialog und eine überwältigende Soundkulisse.
Die Einzigartigkeit des Gehörlosen-Humors
Trotzdem ist „Coda“ zu jedem Zeitpunkt in der Lage, verschiedene Gefühlslagen eindrucksvoll einzufangen. Das Apple TV+ Drama hat nämlich so ziemlich alles, was einer Oscarnominierung gerecht wird: Drama, Emotionen und aber auch eine gute Prise Humor – und der ist ziemlich einzigartig. Einer der bemerkenswertesten Aspekte dieses Films ist, wie es das Drama schafft, den Humor von Gehörlosen mit Bravour (und überaus witzig) einzufangen. Da holt etwa der gehörlose Vater seine Tochter mit extrem laut aufgedrehtem Gangsta Rap von der Schule ab, obwohl er die Musik gar nicht hören kann, weil er einfach so gerne den Bass spürt – und auf diese eingenwillige Weise einen speziellen Zugang zur Musik findet. Oder die Aufforderung eines Arztes, zwei Wochen lang auf Geschlechtsverkehr zu verzichten, wird von der hörenden Tochter doch kurzerhand mit „nie wieder Sex“ in Gebärdensprache übersetzt. Troy Kotsur, Marlee Matlin und Emilia Jones schaffen es dabei sogar, Humor mit ihrer Gebärdensprache umzusetzen, in dem sie witzige Armbewegungen und schmutzige Andeutungen in ihre Ausdrucksweise per Hand einbauen. Und wenn man sich dann dabei erwischt, sich in manchen Szenen vor Lachen gar nicht mehr einzukriegen, obwohl gerade kein einziges gesprochenes Wort zu hören war, wird sofort klar: „Coda“ ist völlig zurecht für den Oscar als bester Film nominiert.
Fazit:
Mit überwiegend gehörlosen Darstellern gelingt „Coda“ das Kunststück, die Hälfte des Films in Gebärdensprache statt gesprochenen Dialogen zu drehen und dabei trotzdem einen überraschend gut funktionierenden Humor einzubauen. Die dazu passende Coming-of-Age-Geschichte über Musik und Gesang sorgt zugleich für den nötigen Kontrast zwischen Gehörlosigkeit und der Welt, die ihnen verschlossen bleibt und rundet das Drama hervorragend ab. Ein würdiger und einzigartiger Kandidat für die Oscar-Verleihung.
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