Aufgewachsen in einer Berliner Plattenbausiedlung hat es Christiane nicht gerade leicht. Ihre Eltern haben sich vor kurzem erst getrennt, die Schwester will unbedingt bei ihrem Vater wohnen und statt Schulbildung hat sie auch eher das andere Geschlecht im Sinn. Kein Wunder, hat sie mit ihren knapp 14 Jahren doch gerade ihren ersten Freund, Detlev, gefunden. Der macht ihr fortan schöne Augen, kommt aber wegen seines höheren Alters auch dementsprechend schnell zur Sache. Längst hat Christiane die Schnauze voll von ihrem Leben und ihrem Zuhause und lässt sich in eine Welt der Partys, Exzesse und Orgien entführen. Dumm nur, dass sie schon bald auf den Kinderstrich vom Bahnhof Zoo stößt – und da warten nicht nur die Freier auf Frischfleisch, sondern auch die Heroinnadeln auf die nächsten Junkies…
Kritik:
In den 70er und 80er Jahren galt der Bahnhof Zoologischer Garten in Berlin als einer der heftigen sozialen Brennpunkte unseres Landes. Täglich trafen sich zahlreiche Junkies und Obdachlose in der Eingangshalle, um sich den nächsten Schuss Heroin zu schnorren, oder einfach ein wenig Drogen durch die Nase zu ziehen. Wird das Geld dann einmal knapp, geht’s auch gleich auf den Kinderstrich nebenan, auf dem bereits Minderjährige auf ihre Freier warten und sich ihr Taschengeld aufbessern wollen – natürlich alles nur für einen weiteren Schuss „H“. Die berühmte Christiane F., die heute wohl jeder kennen dürfte, galt als eine der bekanntesten drogenabhängigen Kids in Berlin, dessen Freunde teilweise alle ums Leben kamen. Mit „Die Kinder vom Bahnhof Zoo“ wurde Anfang der 80er Jahre ihre Autobiografie verfilmt, auf sehr drastische und krasse Weise. Nun gibt’s den Streifen erstmals auch auf BluRay.
Zeitloser Kultfilm
Für Bernd Eichinger als Produzent war dies wahrscheinlich der Film, der ihm zu seinem großen Durchbruch verhalf und in ganz Deutschland bekannt machte. Hochgelobt wurde sein Film damals schon wegen seiner drastischen Erzählweise und noch heute gilt „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ als einer der besten und bekanntesten Drogenfilme aller Zeiten. Es mag an der Inszenierung liegen, die Eichinger seinerzeit kreierte, um das Leben einer minderjährigen Drogenabhängigen darzustellen. Zu Beginn scheint es dem Zuschauer in der heutigen Zeit noch, als wäre „Christiane F“ eigentlich ein völlig harmloser Film, der mangels Tempo und hoher Dramatik, kaum zu schockieren weiß. Doch das ändert sich schon bald im späteren Verlauf, spätestens aber nach der ersten halben Stunde. Christiane kommt zunächst in Berührung mit Pulverdrogen, anschließend hängt sie an der Spritze und „drückt“ Heroin. Doch als wäre das noch nicht alles folgt dann auch noch der Abrutsch auf den Kinderstrich – „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ zeigt einfach alle Facetten der Berliner Unterschicht der 80er Jahre.
Unmodern – aber immer noch aktuell
Natürlich mag der Streifen heute nicht mehr ganz den modernen bildlichen Stilmitteln entsprechen und die Protagonisten kleiden sich ganz klischeehaft im Stil der 80er-Jahre-Popkultur. Mit lockigen Haaren, teils unrasiertem Gesicht und ungepflegtem Äußeren hängen sie auf der Straße ab, ständig auf der Suche nach einem tollen Erlebnis. Da passt einfach alles zur damaligen Zeit, angefangen beim ausführlichen Auftritt von David Bowie, bis hin zu den damaligen Kulissen des Berliner Bahnhofs Zoo und den guten alten gelben Doppeldecker-Bussen, die so legendär für diese Stadt waren. Doch auch wenn man dem Streifen schnell ansieht, dass die 30 Jahre so lange zurückzuliegen scheinen, haben doch viele Kinder heute immer noch große Probleme. Psychische Probleme, Kinderheim, Drogenmissbrauch, viel zu früher Geschlechtsverkehr – alles Dinge, die auch heute umso mehr aktuell sind und ein Beweis mehr, dass die Welt eben früher doch nicht besser war. Zwar bleibt das Kinderheim erspart, doch Christiane fällt trotzdem sehr tief. Als Anti-Drogenfilm taugt der Streifen also allemal.
Angst vs. Versuchung
Besonders lobenswert mag an der Inszenierung aber die natürliche und authentische Darstellung der jugendlichen Protagonisten sein. Christiane wird hier als zunächst widerstandsfähiges, selbstbewusstes Mädchen dargestellt, das in der Lage ist, sich von Gefahren fernzuhalten. Stets ist sie hin und her gerissen zwischen der Angst vor den Folgen des Drogenmissbrauchs und der Versuchung, die dieser doch so überwältigende Trip ihr bieten kann. Schon geht der Kreislauf los: Angefangen bei kleineren Drogen, bis hin zur drohenden Todesspritze. Doch Christiane bleibt auch im tiefsten Dreck noch immer authentisch, zeigt ein so zierliches und süßes Mädchen, das eigentlich am liebsten wieder clean werden möchte. Doch das ist leichter gesagt, als getan. Knallhart und schockierend folgen die Bilder über einen versuchten Drogenentzug mit Panikattacken, Schmerzen, Schweißausbrüchen und allen Symptomen, die Entzugserscheinungen so mit sich bringen. Damit ist „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ wohl der schockierendste Drogenfilm aller Zeiten – auch heute noch.
Fazit:
Bernd Eichinger und Uli Edel schafften mit der Verfilmung von Christiane Felscherinows Autobiografie ein legendäres Drogendrama, das noch bis heute zu den bekanntesten Kultfilmen zählt.