Black Mirror: Bandersnatch |
Land/Jahr: GB 2018 |
Genre: Thriller |
Regie: David Slade |
Darsteller: Fionn Whitehead Will Poulter Craig Parkinson |
FSK: ab 16 Jahren |
Dauer: 90 Minuten |
Kaufstart: Netflix 28. Dezember 2018 |
Label: Netflix |
Seit dem Tod seiner Mutter bei einem Zugunglück ist für den jungen Programmierer Stefan Butler nichts mehr so, wie es einmal war. Während der Alltag mit seinem Vater zunehmend schwieriger wird, scheint auch die Psychologin ihm bei seinen Problemen kaum noch helfen zu können. Einen Ausweg sieht der junge Mann nur noch in der Entwicklung von Videospielen – und da kommt es ihm gerade recht, dass ihn eines der bekanntesten Softwareunternehmen auch noch unter Vertrag nimmt. Fortan soll er ein Videospiel namens „Bandersnatch“ entwickeln, bei dessen Spielverlauf der Spieler selbst Entscheidungen treffen und den Ausgang bestimmen kann. Doch je mehr sich Stefan in die Programmierung der verschiedenen Pfade hineinversetzt, umso stärker ist er davon überzeugt, selbst nur Teil eines Spiels zu sein, dessen Handlung von einem externen Zuschauer kontrolliert wird. Nach und nach stellt er die Existenz des freien Willens in Frage – zu Recht?
Kritik:
Die Science-Fiction-Serie „Black Mirror“ mit ihrem außergewöhnlichen Episodenformat, das von den negativen Seiten neuer und digitaler Technologien erzählt, war schon von Beginn an ein echter Erfolgs-Hit auf dem Streaming-Anbieter Netflix. Mit dem alleinstehenden Film „Bandersnatch“ möchte die Plattform allerdings nun einen Schritt weiter gehen und ein Experiment wagen.
The Netflix Inception
Stellte die eigentliche Serie in ihren bisherigen vier Staffeln vor allem die Nachteile der digitalen Technologien in den Vordergrund, setzt „Bandersnatch“ nämlich erstmals auf ein gänzlich neues Format: Bei diesem Film handelt es sich nämlich um den ersten interaktiven Film, den Netflix jemals veröffentlicht hat. Konkret bedeutet das: Der Zuschauer selbst kann über die Entscheidungen und Handlungen der Hauptfigur entscheiden und damit den Ausgang, sowie das Ende des Films selbst kontrollieren. Im Kern der Geschichte möchte „Bandersnatch“ dabei die Existenz des freien Willens grundlegend in Frage stellen und sich auf mehreren Erzählebenen damit auseinandersetzen, ob jeder Mensch und vielleicht sogar der Zuschauer selbst von einer externen Macht wie in einem Videospiel kontrolliert wird. Die Vorbestimmung des Schicksals durch Kontrolle des Publikums soll somit für ein paar „Mindfuck“-Momente sorgen.
Film trifft Videospiel
Und tatsächlich kann „Black Mirror: Bandersnatch“ schnell eine gewisse Faszination erzeugen, weil der Hauptprotagonist in diesem Film praktisch dasselbe entwickelt, was wir gerade spielen. Denn während er ein Videospiel entwickelt, in dem der Spieler selbst die Entscheidungen der Spielfigur kontrollieren kann, machen wir als Zuschauer genau das: Wir benutzen Hauptfigur Stefan Butler wie eine Spielfigur in einem Videospiel und kontrollieren, was er als nächstes tun wird. Ob nun echte Banalitäten, wie die Wahl der Frühstücks-Cornflakes oder wirklich wichtige Entscheidungen, wie das Springen von einem Balkon. Das eigentlich Beeindruckende an diesem Streifen ist allerdings, dass die Hauptfigur früher oder später von der Gedankenkontrolle durch den Zuschauer erfährt und dadurch wahnsinnig wird. Vor allem deshalb, weil wir bei falschen Entscheidungen oder etwa dem Todesfall einfach die getroffene Entscheidung wiederholen können, wie in einem Videospiel – mit dem „Problem“, dass der Protagonist die vorherige Handlung nicht vergisst und dem Zuschauer damit zunehmend auf die Schliche kommt. Ein durchaus faszinierendes Experiment von Netflix.
Täuschung und Illusion
Schade bleibt dann allerdings, dass der Zuschauer die Tricks dahinter doch ebenso schnell entlarvt, wie bei den meisten Videospielen: Die tatsächliche Entscheidungsfreiheit wird durch die unterschiedlichen Handlungsstränge letztendlich doch nur vorgetäuscht und wenn „Bandersnatch“ sich in wiederholenden Schleifen wiederfindet, entpuppt sich der interaktive Streifen bei genauerem Hinsehen dann doch als etwas linearer, als er zunächst den Anschein machen möchte. Können wir also tatsächlich die Handlung selbst entscheiden, oder landen wir unabhängig von unseren Entscheidungen dann doch wieder am immer gleichen Ende? Immerhin gelingt es dem Film dann aber doch, die Schleifen und Wiederholungen mit so vielen Abweichungen zu verschachteln, dass wir ihm zumindest zeitweilig diese Illusion abkaufen. Erst recht dann, wenn die Nebenfiguren auch noch immer wieder Anspielungen auf Videospiele oder das Laden von Spielständen einbauen, die den Erzählschleifen sogar einen tieferen Sinn verleihen.
Der Deja Vu-Effekt
Das Problem bleibt aber auch an dieser Stelle: Wiederholen sich gewisse Abschnitte immer wieder mit leichten Abweichungen, weil sich der Protagonist an sein letztes „Leben“ erinnert, kann das langfristig einen gewissen Ermüdungseffekt haben. Der Zuschauer gewinnt spätestens nach der mehrfachen Wiederholung eines Abschnittes den Eindruck, doch immer wieder dasselbe zu sehen und bleibt lediglich wegen ein bis zwei abweichenden Stellen überhaupt am Ball. Im Gegensatz zu den vier Staffeln der Hauptserie kann „Bandersnatch“ dadurch aber leider auch ein wenig zäh erscheinen. Noch dazu gehen gewisse Kernelemente, wie etwa der Konflikt mit dem Vater, der Verlust der Mutter und die Psyche der Hauptfigur zu stark unter, was dem Streifen vor allem die notwendige Emotionalität nimmt, um das Publikum tatsächlich auf die Weise packen zu können, wie es für ein abgerundetes Erlebnis nötig gewesen wäre. Und wenn das tatsächliche Ende dann doch nicht ganz befriedigen kann, bleibt doch der fade Beigeschmack, am Ende ähnlich an der Nase herumgeführt worden zu sein, wie einst in den Spielen von Telltale Games. Aber immerhin war der Weg dorthin unterhaltsam und dieses womöglich einmalige Experiment ein außergewöhnliches Filmerlebnis.
Fazit:
Zum ersten Mal wagt Netflix mit „Black Mirror: Bandersnatch“ ein mutiges Experiment und veröffentlicht einen interaktiven Film, bei dem der Zuschauer über die Entscheidungen des Protagonisten entscheiden kann, der die Gedankenkontrolle von Außen bemerkt und dem Filmerlebnis dadurch sogar eine interessante Meta-Ebene verleiht. Schade nur, dass der Zuschauer das Herumführen an der Nase letztendlich doch bemerkt, wenngleich der Weg dorthin überaus faszinierend bleibt.
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