In ihrer Jugend als Studentin einer hochrangigen Universität begeht sie den schrecklichsten Fehler ihres Lebens. Nach einer ausgiebigen Feier, als sie einmal zu viel ins Glas geschaut hat, tötet sie bei einem schweren Verkehrsunfall die gesamte Familie des Komponisten John Burrough. Doch bis heute plagen sie die heftigen Schuldgefühle, weshalb sie nach ihrer Entlassung alles daran setzt, einen engen Kontakt mit dem Hinterbliebenen aufzunehmen. Insgeheim stellt sie sich jedoch vor, wie das Leben auf einem anderen Planeten wohl wäre, auf dem die Eltern womöglich noch leben könnten. Niemals hätte sie es für möglich gehalten, dass plötzlich tatsächlich ein mysteriöser zweiter blauer Planet in der Nähe der Erdumlaufbahn auftaucht und womöglich eine Parallel-Welt mit Spiegelbild unseres Heimatplaneten darstellt…
Kritik:
Die Vorstellung von einem anderen Leben, in dem unsere größten Fehler niemals geschehen sind, mag wohl ein langjähriger Traum eines jeden Menschen sein. Ebenso interessant wäre es, auf außerirdisches Leben zu stoßen, das uns womöglich auf einer zweiten Erde ziemlich ähnlich sieht. In „Another Earth“ spielt beides eine große Rolle, doch der Entdeckungsdrang steht in Konflikt mit den persönlichen Problemen in unserer Heimat. Dennoch kann ein Traum in Erfüllung gehen.
Das andere Leben
In erster Linie ist „Another Earth“ also kein Science-Fiction-Film, obwohl gewisse Elemente dieses Genres durchaus in kleinen Happen vorhanden sein mögen. Viel mehr handelt es sich um ein Drama, das sich ganz dem Schicksal eines jungen Mädchens widmet, das die Schuld eines tragischen Unfalls wohl für immer auf ihren Schultern trägt. Brit Marling spielt dabei ihre Rolle als Rhoda mit herausragend tiefgehenden Charakterzeichnungen. Sie zeigt uns zunächst das naive, leichtsinnige jugendliche Mädchens, dass trotz Alkoholeinflusses hinter das Steuer steigt, durchlebt schreckliche Erfahrungen während ihres Gefängnisaufenthaltes und muss sich fortan mit Depressionen, einer gewissen Selbstmelancholie und der Sehnsucht nach dem Opfer herumplagen. Sehr einfühlsam und distanziert sucht sie die Nähe zu ihrem Opfer, ohne den Mut die Wahrheit auch tatsächlich anzusprechen. Damit gelingt „Another Earth“ ein sensibler Umgang mit Verlust, Ängsten, Träumen und Wünschen und liefert einen Charakter, der weder Gut noch Böse ist, sondern einfach mitten aus dem Leben entstanden ist. Mit ihrer natürlichen Ruhe, Gelassenheit, aber auch inneren Zurückgezogenheit schafft Brit Marling ein besonders authentisches Mädchen zu kreieren.
Der Spiegel der Welt
Daneben steht die Science-Fiction-Story um eine Erde mit Spiegel-Existenz, die eine zentrale Rolle im Leben der jungen Rhoda spielt. Einen faszinierenden Blick bietet sich auch optisch, wenn die große deutlich erkennbare zweite Erde mit bloßem Auge von der Straße aus erkennbar ist und sowohl Kontinente, als auch der Mond genau identisch erscheinen. Der Wunsch, dieses Fremde und doch so Bekannte zu erkunden, ist allgegenwärtig und lässt das Herz eines jeden Science-Fiction-Fans höher schlagen. Doch die zweite Erde ist nicht nur ein Spiegel des gesamten Planeten, sondern unterstützt auch den Einblick in den Charakter und die Psyche der Hauptprotagonistin. Sie wünscht sich so sehr die Flucht nach einem anderen Leben, in dem ihr großer Fehler niemals geschehen ist – und hat die Hoffnung, ausgerechnet genau dies dort vorzufinden. Er könnte somit die einzig wahre Lösung für Rhoda sein, sodass der Weltraumpart hier nur eine nebensächliche Rolle spielt. Doch umso eindrucksvoller und mitreißender kann das sein, wenn die Kamera von „Another Earth“ immer wieder eine starke Nähe aufbaut und beinahe versucht, in das jeweilige Objekt hineinzufahren. Sei es Rhodas Kopf, in dem so viele schreckliche Dinge vorgehen, oder die ferne zweite Erde, die jeder mit seinem Teleskop noch so nahe an sich heran holen will. Wie eine Vereinigung, die nur darauf wartet, endlich zusammenzutreffen. Denn alles läuft auch inhaltlich auf ein eben solches elementares Zusammentreffen hinaus, das alles ändern könnte, alles vereinen könnte. Das ist Filmkunst der besonderen Sorte, sehr tiefgehend.
Fazit:
„Another Earth“ schafft es, Science-Fiction und Drama so zu vereinen, dass jedes Ereignis, jedes Bild, jedes Objekt eine zentrale Rolle spielt, die nur auf eine alles verändernde Vereinigung hinaus laufen soll. Ein Film, der nicht nur herausragende Charakterzeichnungen bietet, sondern diese auch noch bei jeder Gelegenheit spiegelt.