Irland im 19. Jahrhundert: Das weibliche Geschlecht hatte es zur damaligen Zeit nicht gerade einfach, wenn es nicht an einen reichen und wohlhabenden Ehemann verheiratet war. Einen eigenen Job zu erlangen und damit auf eigenen Beinen zu stehen, war damals kaum möglich. Etwa zu dieser Zeit verdiente Albert Nobbs seinen Lebensunterhalt als Butler in einem großen Hotel und sparte sich regelmäßig ein gewisses Einkommen an, um sich seinen eigenen langjährigen Traum zu erfüllen: Den eigenen Tabakladen. Niemand ahnte bisher jedoch, dass Albert eigentlich eine Frau war, die sich selbst dazu gezwungen sah, sich als Mann auszugeben, um finanziell überhaupt über die Runden zu kommen. Dumm nur, dass diese Maskerade schon bald auffliegen könnte, als der Maler Hubert Page in dem Hotel einzieht und sich Albert in die junge Helen verliebt…
Kritik:
Mit gleich drei Oscar-Nominierungen geht die neueste Rolle von Glenn Close an den Start. Verkleidet als Mann und das stets glaubwürdig bei der Erfüllung ihrer eigenen Träume hat sie diese aber vermutlich sogar verdient, denn „Albert Nobbs“ entpuppt sich als Steilvorlage für die Emanzipation der Frau im 19. Jahrhundert. Ein beeindruckendes Werk.
Emanzipation in Irland
Die Rolle der Frau in den vergangenen Jahrhunderten sollte schließlich allseits bekannt sein. Noch vor einigen Jahrzehnten war es für das weibliche Geschlecht praktisch kaum möglich, einen sogenannten „Männerberuf“ auszuüben, während die klassische Rollenverteilung darauf ausgelegt war, sich um den Haushalt und die Kinder zu kümmern. Unabhängige, alleinverdienende Frauen waren da einfach nicht vorgesehen, ebenso wenig wie wirkliche Freiheit. Eine Frau, die dennoch auf eigenen Beinen stehen wollte, musste bereits zu dieser Zeit sehr trickreich vorgehen und sich womöglich nicht selten als etwas ausgeben, was sie eigentlich gar nicht ist. „Albert Nobbs“ versucht die Rolle der Emanzipation durch eine Maskerade zu füllen – durch eine Frau, die sich als Mann verkleidet und im Beruf eines Mannes die gleichen, bzw. eigentlich sogar bessere Leistungen abliefert. Ein Sinnbild dafür, dass die Frau mitunter zu weit mehr in der Lage ist, als das sogenannte „starke Geschlecht“.
Die Frau im Manne
Es ist zugleich aber auch eine wundervolle, einfühlsame Geschichte von der Erfüllung der eigenen Träume. Glenn Close spielt dabei eine herausragende Glanzleistung, in der sie unnahbar, jederzeit schüchtern und so weit von ihren Mitmenschen entfernt scheint, dass sie niemand so wirklich in dem Rollentausch erkennen mag. Bereits die Mimik macht deutlich, dass sie sich immer in einer Verkleidung versteckt und niemand jemals ihre wahre Identität erfahren darf. Es ist eine Meisterleistung, wie sie regelmäßig zwischen schüchterner Geheimniswahrung und offener Ehrlichkeit gegenüber einer Gleichgesinnten hin und her wechselt. Wir können immer wieder mitfühlen, wie sie sich in dieser Rolle versteckt und verstellt und irgendwie in gesellschaftlichen Zwängen leben muss – wie es auch heute noch fast jeder muss, ohne dabei sein wahres Geschlecht zu vertuschen. Doch es ist auch bemerkenswert, wie ihre Maske so perfekt ihr Geheimnis bewahrt und wie jegliche Kostüme so beeindruckend in die Optik der damaligen Zeit hineinpassen. Jede Szene fügt sich perfekt in die gesamte Welt ein und wirkt so weich, perfekt und einfach wie angegossen, dass „Albert Nobbs“ zu einer Wohltat für jeden Filmfan wird.
Die frühe Transsexualität
Der Film wagt sich aber zugleich an ein kontroverses Thema, ohne dabei jedoch den moralischen Zeigefinger zu erheben. Es geht um die Transsexualität im 19. Jahrhundert – um Frauen, die sich eindeutig dem männlichen Geschlecht zugeordnet fühlen und dies mittels ihrer Kleidung oder gar ihrem gesamten Leben auch ausüben. Etwas, was es auch in der heutigen realen Gesellschaft gibt, aber deutlich seltener tatsächlich vorkommt, als bei Männern, die sich zur Frau verkleiden. Es geht zugleich aber auch um die Anerkennung der Homosexualität und um Frauen, die einfach ganz ehrlich dasselbe Geschlecht lieben, ohne dies tatsächlich ausleben zu kennen. „Albert Nobbs“ ist mit seiner optischen Maskerade und den mimischen Leistungen von Glenn Close zugleich auch eine Metapher auf all jene lesbische Frauen, die sich nicht trauen, offen zu ihrer Sexualität zu stehen und damit kämpfen, ihre Gefühle und Vorleben anerkennen zu lassen. Ein beeindruckender Film, einfühlsam und sensibel erzählt.
Fazit:
Glenn Close in einer meisterhaften Rolle, in der sie die Emanzipation der Frau und die Anerkennung der Homosexualität ganz ohne erhobenen Zeigefinger versinnbildlicht und eine perfekte Maskerade in der Rolle als männlicher Butler abliefert. Ein beeindruckendes Drama, das jede seiner Oscar-Nominierungen absolut verdient hat.