Kapstadt, Südafrika: Der 52-jährige David Lurie unterrichtet an der örtlichen Universität, wenn er sich nicht gerade mit einer Prostituierten vergnügt. Doch als seine übliche Sexgespielin plötzlich wegen ihrer kranken Mutter vorübergehend nicht für entsprechende Dienste zur Verfügung steht, kann er sich nicht mit der Enthaltsamkeit abfinden und verführt eine seiner Studentinnen. Dumm nur, dass er diese kleine Affäre nicht lange geheim halten kann, was prompt seine Entlassung zur Folge hat. Doch statt seine Taten zu bereuen, hält er die Erlebnisse für eine Bereicherung seines Lebens und zieht daraufhin lieber zu seiner alleinstehenden Tochter, in der Hoffnung, endlich ein wenig Ruhe zu finden. Aber auch dort muss er bald feststellen, dass die gesellschaftlichen Veränderungen durch die Apartheid längst Auswirkungen auf seine Familie haben und sich das einst friedliche Paradies zu einem wahren Albtraum entwickelt.
Kritik:
Das kleine und eher unbekannte deutsche Label Alamode Film hat sich in den vergangenen Jahren im Arthouse- und Filmkunstbereich einen Namen gemacht. Wenn wir zudem auch noch erfahren, dass John Malkovich die Hauptrolle in diesem Film übernommen hat, dürften wahre Filmfans wohl sehr schnell aufhorchen, in Angesicht der Tatsache, welche beeindruckende Laufbahn dieser Mann bereits hinter sich hat. Auch in „Schande“ sollen wir daher sehr schnell feststellen, dass wir einmal mehr einen Film für Liebhaber geboten bekommen, der mit einer recht eigenen Inszenierung auffallen kann.
Distanzierte Charakterstärke
Im Vordergrund stehen natürlich die Leistungen von John Malkovich, der eine sehr interessante Figur mit herausragenden Charakterzeichnungen darstellt. Als Mann, der in seinem eigenen sexuellen Drang gefangen ist und sich zugleich ironischerweise um die Tochter kümmern muss, die zum Vergewaltigungsopfer wurde, bringt er durchaus psychologischen Tiefgang mit, der seinen Charakter ausführlich darstellt und ihn durchaus zu einer vielseitigen Person mit Charakterstärke macht. Problematisch wird für manche allerdings die Art der Charakterdarstellung sein, die nicht überall Freunde finden wird. Liebhaber des außergewöhnlichen Films werden dies zwar durchaus zu schätzen wissen, doch gerade der Mainstream wird sich mit der kalten und äußerst distanzierten Darstellung von „Schande“ nicht unbedingt anfreunden können. Viel zu emotionslos und undramatisch werden die Figuren hier oftmals dargestellt, sodass krasse Szenen mit emotionalen Extremsituationen kaum aufkommen können.
Stoff für zwei Filme
Ebenso gemischt kann man sicherlich auch den Storyumfang betrachten, der sicherlich in seiner Fülle einzigartig ist. So bietet „Schande“ steht eine erzählerische Vielfalt und schafft es dabei, gleich so viele Themen einzubringen, dass der inhaltliche Stoff auch gut für zwei Filme dieser Länge ausreichen würde. Von Storyarmut kann also definitiv nicht die Rede sein. Problematisch ist dabei allerdings die Tatsache, dass sich „Schande“ bei all der Vielfalt zu wenig auf die einzelnen Geschehnisse konzentriert. Viel zu flüchtig wird beispielsweise die Affäre mit einer Studentin angesprochen und auch die gesellschaftlichen Probleme durch die Apartheid hätten deutlich ausgebaut werden können. Auch hier wird also die hohe Distanz ersichtlich, sodass sich viele Zuschauer sicherlich wünschen würden, der Film wäre mehr auf die einzelnen durchaus krassen Ereignisse eingegangen. An der Stelle hätten wir uns durchaus also auch einige Gewalt- und Actionszenen gewünscht, wenn es beispielsweise durch gesellschaftliche Probleme zu Vergewaltigungen kommt. Doch bis auf einige harmlose Schlägereien kommt dabei nicht allzu viel zustande. Das sind Lücken, die hätten ausgefüllt werden müssen und in der Mitte des Films sogar für ein paar Längen sorgen können.
Um es also kurz auf den Punkt zu bringen: „Schande“ macht einiges richtig und kann bei Story und Charakterzeichnungen sicherlich Meisterleistungen präsentieren, sodass er zu einem innovativen und einzigartigen Filmerlebnis wird. Andererseits wird aber auch an anderer Stelle wieder manches falsch gemacht und so viel Potential verspielt. Wirklich mitreißen kann der Film auf diese Weise nur sehr bedingt, sodass der Film für Filmliebhaber zwar auf jeden Fall einen Blick wert ist, aber beim Durchschnittszuschauer eher einen Gang in die Videothek in Betracht ziehen sollte.
Fazit:
Melancholisches Drama mit einer enormen Storyvielfalt und herausragenden Charakterzeichnungen, aber einer äußerst kalten und distanzierten Inszenierung mit wenig Action und Emotionalität, die nicht bei jedem auf Begeisterung stößt.