Pelikanblut |
Land/Jahr: D / Bulgarien 2019 |
Genre: Drama |
Regie: Katrin Gebbe |
Darsteller: Nina Hoss Katerina Lipovska Yana Marinova Murathan Muslu Sophie Pfennigstorf |
FSK: ab 16 Jahren |
Dauer: 127 Minuten |
Kaufstart: 9. April 2021 |
Label: dcm |
Gemeinsam mit ihrer jungen Tochter Nikolina lebt Wiebke auf einem wunderschönen Hof, auf dem sie die Pferdestaffel der Polizei trainiert. Eigentlich das perfekte Umfeld, um einem weiteren Kind ein sicheres neues Zuhause zu schenken. Da sie als alleinstehende, berufstätige Mutter jedoch in Deutschland kein Kind adoptieren darf, nimmt sie die 5-jährige Raya aus Bulgarien über eine Auslandsadoption auf. Das neue Familienglück scheint perfekt – bis sich zunehmend die Probleme des jungen Mädchens offenbaren. Durch ein schweres Kindheitstrauma geprägt, stellen ihre unkontrollierten Wutausbrüche und Aggressionen die Familie vor immer größere Herausforderungen. Um ihre Familie zu retten, muss Wiebke fortan über Grenzen gehen…
Kritik:
Es gibt viele Gründe, ein Kind adoptieren zu wollen – doch nicht jeder davon, ist immer auch eine gute Idee. Als alleinstehende, berufstätige Mutter entscheidet sich Nina Hoss in der Hauptrolle als Wiebke dazu, ein bulgarisches Mädchen aus einem Kinderheim zu adoptieren. Doch ohne ihre Vorgeschichte zu kennen, stellt sich das schon bald als echte Herausforderung heraus.
Systemsprenger vs. Das Omen
Böse Zungen würden mitunter behaupten: Die deutsche Filmindustrie kann nur Dramen. Auch „Pelikanblut“ scheint auf den ersten Blick ein solches zu sein. Fast schon ein Gegenstück zum beeindruckenden Netflix-Streifen „Systemsprenger“ geht es auch in diesem Familiendrama um die schwierige Situation mit einem verhaltensauffälligen Mädchen, das seine Umwelt mit Wutausbrüchen in den Wahnsinn treibt. Anders als die meisten Dramen dieser Art beginnt „Pelikanblut“ jedoch schon deutlich düsterer. Mit der Aufmachung eines Horrorsfilms ist die Handlung eingebettet in einen abgelegenen Pferdehof, umgeben von dichtem Wald und gruseligem Nebel. Sichtbar inspiriert von den typischen „Haunted House“-Horrorfilmen, in denen Hausbewohner von bösen Geistern heimgesucht werden oder teufliche Kinder, wie in „Das Omen“ für Angst und Schrecken sorgen.
Das Spiel mit der Symbolik
Was wir dann über den Großteil der Laufzeit zu sehen bekommen, orientiert sich allerdings in eine völlig andere Richtung, wirkt jedoch über weite Strecken hinweg stimmig. Zu der aus „Systemsprenger“ bekannten Geschichte über ein Problemkind gesellen sich noch ein paar Extras hinzu: Das zusätzliche, bereits vorhandene, aber unauffällige Kind sorgt für zusätzliche Brisanz und auch die durch den Anspruch des Kindes eintretende berufliche Überforderung der Mutter, treibt die Dramatik in „Pelikanblut“ in die Höhe. Regisseurin Katrin Gebbe gelingt es dabei gut, mit Symbolik und Metaphern zu spielen. Die übertriebene Aufopferung der Mutter für ihre Pferde, die eine Extraportion Anleitung benötigen, überträgt sich auf den Umgang mit dem neuen Adoptivkind und macht die eigentliche Beziehungsunfähigkeit der Mutter, die ein Kind lieber ohne Partner adoptiert, deutlich.
Konkurrenz für Helena Zengel
Mit einer beeindruckenden Bildschirmpräsenz können dann sogar gleich beide brillieren: Als gestresste und völlig überforderte Mutter sieht man Nina Hoss geradezu an, wie ihre Falten im Laufe des Films zuzunehmen scheinen. In den meisten Momenten präsentiert sie uns glaubwürdig ihre Reaktion auf die Überforderung und übertritt dabei sogar nachvollziehbare Grenzen zum Kindesmissbrauch. Zugleich die junge Katerina Lipovska, die in der Rolle als traumatisiertes bulgarisches Mädchen vor allem mit ihrer Mimik überwältigen kann. Die durch das Kindheitstrauma ausgelöste Gefühlskaltheit einerseits und der manische Wechsel zur extremen Wut werden von ihr mit einer vergleichbaren Intensität gespielt, wie zuvor von Helena Zengel in „Systemsprenger“. Ohne Zweifel wird „Pelikanblut“ von den beiden weiblichen Hauptdarstellerinnen getragen.
Stilbruch wird zum Problemfall
Über den Großteil der Laufzeit bleibt die Handlung dabei auch stimmig und stringend. Das ändert sich aber leider schlagartig in jenen Momenten, in denen deutlich wird, dass „Pelikanblut“ zu viel auf einmal sein möchte und sich für die konkrete Richtung des Films nicht entscheiden kann. Aus dem anfänglichen Familiendrama wird später nämlich ein Okkultismus-Thriller mit Horrorelementen, die sichtbar bei „Midsommar“ inspiriert wurden und damit einen echten Bruch darstellen. Die vermeintlich auflockernde frische Idee behindert die Glaubwürdigkeit in Richtung Ende des Films erheblich und ist zugleich dermaßen ungruselig, dass die Horrorszenen sich an der Grenze der Lächerlichkeit bewegen. Selbst bei einem Genrefilm ist es jedoch selten eine gute Idee Drama, Horror, Thriller und Romanze gleichzeitig sein zu wollen – bis es soweit ist, bekommt der Zuschauer aber immerhin knapp 90 Minuten packendes Drama im Stil von „Systemsprenger“.
Fazit:
Die dunkle Seite von „Systemsprenger“: Mit der düsteren Aufmachung eines Horrorfilms erinnert „Pelikanblut“ zwar mitunter an „Das Omen“ oder „Midsommar“, entwickelt sich jedoch zu einem mitreißenden Familiendrama über ein Problemkind, das durch eine komplizierte Familien- und Berufskonstellation zusätzliche Dramatik erhält. Leider nimmt sich der Film von Katrin Gebbe im letzten Drittel jedoch zu viel vor und bricht mit seiner Glaubwürdigkeit.
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