The Dissident |
Land/Jahr: USA 2020 |
Genre: Dokumentation |
Regie: Bryan Fogel |
Darsteller: Jamal Khashoggi Omar Abdulaziz Hatice Cengiz Jeff Bezos |
FSK: ab 12 Jahren |
Dauer: 119 Minuten |
Kaufstart: VOD: 16. April 2021 |
Label: dcm |
Als ehemaliger Direktor der saudi-arabischen Tageszeitung Al-Watan begann Jamal Khashoggi eines Tages, zu einem der größten Kritiker des saudischen Königshauses rund um Mohammed bin Salman zu werden. In einem Land, in dem Meinungsfreiheit keinen gerade hohen Stellenwert genießt, machte er sich damit zur Zielscheibe der Regierung. Mit seinem Exil in den Vereinigten Staaten sah er die Möglichkeit, aus sicherer Entfernung die Machenschaften des Kronprinzen zu attackieren und in seiner Heimat endlich etwas zu bewegen. Doch selbst im Exil war der Journalist nicht sicher: Ab dem 2. Oktober 2018 galt Khashoggi als vermisst, nachdem er bei einem Besuch des saudi-arabischen Konsulats in Istanbul nicht wieder auftauchte. Inzwischen ist klar: Khashoggi wurde ermordet…
Kritik:
Nachdem der saudi-arabische Journalist Jamal Khashoggi im Jahre 2018 ermordet wurde, ging ein riesiges Echo durch die Medien der Welt. Das saudische Königshaus stand fortan unter Beschuss, denn selbst einige der mächtigsten Männer der Welt beendeten sodann die Zusammenarbeit mit dem arabischen Staat. Tatsächlich aber scheinen die wahren Machenschaften noch weitaus umfangreicher abgelaufen zu sein, als zunächst angenommen.
Ein Privatleben im Exil
Der Doku-Thriller „The Dissident“ erzählt von der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi und die Geschehnisse drumherum. Dafür hat sich Regisseur Bryan Fogel, dessen Dokumentation „Icarus“ schon zuvor den Oscar für den besten Dokumentarfilm erhielt, einen echten Insider geschnappt: Die Ereignisse rund um die Ermordung werden uns von Omar Abdulaziz geschildert, einem der engsten Verbündeten Khashoggis und aktivistischer Webvideoproduzent, der gemeinsam mit dem Journalisten für Veränderungen in Saudi-Arabien sorgen wollte. Inhaltlich kann „The Dissident“ damit ein gewisses Interesse wecken: Die Dokumentation erhält dadurch exklusive Einblicke auch in das Privatleben von Khashoggi und erweitert das außerdem mit Videomaterial seiner Verlobten Hatice Cengiz und Originalaufnahmen des türkischen Geheimdienstes. Für Zuschauer, die sich für den Fall interessieren, wird „The Dissident“ damit zu einem Must-See.
Neutralität weicht Dokutainment
Tatsächlich allerdings hat die Inszenierung von Bryan Fogel auch ein großes Problem, denn die Bezeichnung „Doku-Thriller“ ist nicht ohne Grund gewählt. In seiner Aufmachung wirkt „The Dissident“ zumeist wie ein auf Unterhaltung ausgelegtes Dokutainment-Format, das der Ernsthaftigkeit seines Inhalts nicht immer ganz gerecht wird. In mitreißenden Bildern und aufbereitet mit hübschen Animationen, die uns unterlegt mit spannender Musik, die Fakten präsentieren sollen, bleibt die Doku dabei deutlich zu einseitig. Der saudi-arabische Staat als Feindbild steht praktisch von Beginn an fest, denn eine Gegendarstellung kommt im Film de facto nicht vor. Das kann man in diesem Fall durchaus machen, wenn die Sachlage um den Mord an Khashoggi dermaßen offensichtlich ist. „The Dissident“ positioniert sich jedoch dermaßen voreingenommen, dass auch Aussagen etwa von Omar Abdulaziz nicht ansatzweise kritisch hinterfragt werden – selbst dann, wenn es unglaubwürdig erscheint, dass das Smartphone eines Webaktivisten durch eine Phishing-Paketbenachrichtigung von DHL gehackt worden sein soll. An einem Nachhaken hat der Film kein Interesse.
Die unfreiwillige Überwachungsdoku
Insgesamt hat „The Dissident“ damit etwas zu stark den Anstrich eines politaktivistischen Videos, denn einer Dokumentation, wodurch auch die Laufzeit insgesamt zu lang ausgefallen ist: Die Kritik am saudi-arabischen Königshaus wird – so korrekt sie auch sein mag – fast am laufenden Band ständig wiederholt, sodass in keiner Sekunde je ein Zweifel daran aufkommen könnte, es handele sich hier um den immer und ausschließlich negativ behafteten Feind. Allerdings: Für einen derartigen Vorwurf bräuchte eine Dokumentation wahrlich keine zwei Stunden Filmmaterial, das ginge problemlos in der halben Zeit. „The Dissident“ entwickelt also zwischenzeitlich seine Längen, in denen das Publikum den Eindruck bekommt, hier kaum etwas Neues zu erfahren, außer weitere Hinweise auf die Bösartigkeit des saudi-arabischen Königshauses. Immerhin: Mit der Beleuchtung cyberkrimineller Aktivitäten des saudischen Staates und seiner versuchten Kontrolle der sozialen Medien bietet „The Dissident“ dann noch eine seiner Stärken, die auch aus einem anderen Aspekt interessant sind. Denn: „Wer die sozialen Medien kontrolliert, kontrolliert die öffentliche Meinungsbildung“ gilt schließlich auch für westliche Staaten. Ein Statement, mit dem „The Dissident“ unfreiwillig zu einer realistischen Dokumentation über digitale Überwachungsmaßnahmen wird und sich problemlos neben einem Interview mit Snowden einreihen könnte.
Fazit:
Spannendes Dokutainment über den Mord an Jamal Khashoggi, das interessante und exklusive Einblicke in dessen Privatleben und die saudi-arabischen Machenschaften liefert, aber in seiner Aufmachung an ein politaktivistisches Webvideo in Überlänge erinnert, dessen Aussage in wesentlich kürzerer Laufzeit hätte zusammengefasst werden können.
Kommentare und Pings sind derzeit nicht erlaubt..