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    Berlin Alexanderplatz

    Berlin Alexanderplatz


    Land/Jahr:
    D / NL 2020
    Genre:
    Drama
    Regie:
    Burhan Qurbani
    Darsteller:
    Welket Bungué
    Jella Haase
    Albrecht Schuch
    Joachim Król
    FSK:
    ab 12 Jahren
    Dauer:
    183 Minuten
    Kaufstart:
    26. November 2020
    Label:
    Entertainment One

    Beinahe wäre der 30-jährige Francis auf offenem Meer ertrunken, als er den Versuch startete, die Flucht in ein besseres Leben anzutreten. Nach Deutschland sollte es ihn führen, wo er fortan endlich ein anständiger Mensch werden wollte. Mit einem ehrlichen Job, einem guten Charakter und einer gelungenen Integration. Doch kann man ein guter Mensch sein, wenn man in einer schlechten Welt lebt? Kaum im Großstadtdschungel von Berlin angekommen, scheint das Leben in Deutschland gar nicht so rosig, wie er es sich vorgestellt hat: In prekären Verhältnissen lebend, ohne Aufenthaltsgenehmigung, ist die Verlockung der Kriminalität einfach zu groß. Und die Verbrecher warten nur darauf, ihn zu rekrutieren: Mit dem vermeintlichen Freund Reinhold an seiner Seite versucht er als Dealer im Park über die Runden zu kommen – sein Gewissen ständig im Nacken…

    Kritik:
    Man muss gar nicht in Berlin wohnen oder dort aufgewachsen sein, um die Drogenumschlagplätze der Stadt zu kennen. Fast jeder hat in den Nachrichten schon von den schwarzen Dealern gehört, die im Görlitzer Park ihren Stoff verticken und dabei offenbar von den Behörden geduldet werden. Doch wer steckt hinter diesen für die meisten unbekannten Gesichtern? „Berlin Alexanderplatz“ will einem dieser Männer einen Namen geben – und nimmt sich dafür ganze drei Stunden Zeit.

    Surreale Bildgewalt
    Schon die erste Szene beginnt eindrucksvoll. Flüchtling Francis kämpft im Wasser auf dem offenen Meer um sein Leben, kann seine Begleitung nicht mehr über der Wasseroberfläche halten. Um Luft ringend sind die beiden in grelles Rot getaucht, das als einzige Lichtquelle von der Signalpistole ein kleines Licht der Hoffnung darstellt. Der durchgehende Bass dröhnt über die Lautsprecher, die die Couch zum Vibrieren bringen. Anstrengend, unbequem – aber verdammt bildgewaltig. Wenn ein Film mit solch gezielt inszenierten Szenen anfängt und uns schon von der ersten Minute an fesselt, dann kann man sich in aller Regel sicher sein: Wir haben hier ein sehr vielversprechendes Werk vor uns, das deutlich abweicht, von den üblichen Mainstream-Erzählmustern.

    Gesicht der Kriminalität
    Das deutsch-niederländische Drama ist dabei ein Film, das zwar hochaktuelle Themen behandelt, dabei aber äußerst unangenehme Fragen stellt. Er dreht schließlich die Perspektive des Zuschauers, der Flüchtlinge und Dealer meist nur als Außenstehender kennt und als Passant auf die Kriminellen herabsieht, auf unangenehme Weise um. Extrem nah an der Hauptfigur des Flüchtlings Francis gibt „Berlin Alexanderplatz“ einem solchen Kriminellen ein Gesicht und stellt die unerbittliche Frage: Handelt es sich wirklich um einen Verbrecher, oder ist Deutschland doch nicht das großartige, weltoffene Land, für das wir es halten? Sind es womöglich nicht die Flüchtlinge, die nicht bereit sind, sich zu integrieren, sondern bietet unser Land vielleicht nicht die notwendigen Voraussetzungen, um das auch umzusetzen, wenn Flüchtlinge in Massenunterkünften geradezu unausweichlich auf die kriminelle Laufbahn stoßen? So unangenehm die Fragen sein mögen, die das Drama stellt, so wenig kommt der Film mit einem erhobenen Zeigefinger daher. „Berlin Alexanderplatz“ will nicht belehren, sondern unter die Haut gehen.

    Bewusst unangenehm
    Dafür ist es auch notwendig, dass der Streifen mit einer Laufzeit von ganzen drei Stunden daher kommt. So manchem Zuschauer mag das langatmig erscheinen, vielleicht sogar etwas zu sehr in die Länge gezogen. Tatsächlich aber ist die Länge des Films mehr als notwendig, denn bei genauerer Betrachtung ist „Berlin Alexanderplatz“ keine einzige Sekunde zu lang. Nicht, trotz dessen, dass er anstrengend ist, sondern gerade weil er anstrengend ist und das auch sein muss. Das intensive Flüchtlingsdrama hat es sich regelrecht zur Aufgabe gemacht, sein Publikum auf heftige Weise mitleiden zu lassen. Den Druck, dem die Hauptfigur immer wieder ausgesetzt ist, spürbar zu machen und seinen Leidensweg so unangenehm erscheinen zu lassen, wie er auch für Welket Bungue in der Hauptrolle ist. Ein steiniger, schwerer Weg kann eben einfach nicht kurz inszeniert werden. Der Zuschauer soll anschließend schließlich genauso verschnaufen müssen, wie es der Flüchtling so manches Mal getan hat. Damit ist „Berlin Alexanderplatz“ kein Werk, das dem Massengeschmack gerecht werden will, sondern eines, das mit den Erzählstrukturen des Popcorn-Kino stark bricht. Ein zugegebenermaßen durchaus sperriger Streifen.

    Im Bann des Psychopathen
    So unangenehm die Inszenierung, so (auf positive Weise) unangenehm sind auch die Charaktere dieses Films. Da sticht vor allem Albrecht Schuch in der Rolle des Gegenspielers Reinhold hervor. Mit der Darstellung eines schmierigen Psychopathen mit unangenehmer Erscheinung und unberechenbarem Verhalten ist ihm eine Meisterleistung gelungen. Das Publikum wartet regelrecht auf die Gelegenheit, dem „Bösewicht“ des Films endlich eine Klinge in den Rücken zu rammen und ist fasziniert, ob der Geduld, die Hauptfigur Francis ihm gegenüber stets aufbringt. Als Schlüsselfigur gibt er „Berlin Alexanderplatz“ seinen roten Faden und lässt dem Flüchtling keine Ruhe: In sein Leben bohrend, bedrängend, aufdringlich kommt er daher, als hätte Welket Bungue gar keine Wahl, als seinen Francis geführt von der bösartigen Hand der Hauptstadt ins Verderben zu führen. Nach drei absichtlich und notwendig anstrengenden Stunden muss dann auch der Zuschauer verschnaufen oder resignieren – sofern er den Streifen bis dahin durchgehalten hat. Vielleicht mit der Erkenntnis, dass er jede Minute wert war.

    Fazit:
    Er entspricht thematisch dem Zeitgeist und bricht mit ihm dennoch so stark, wie kaum ein anderer Film: „Berlin Alexanderplatz“ möchte dem Schicksal eines Flüchtlings ein Gesicht geben. Dabei heraus kommt ein auf positive Weise anstrengender und unangenehmer Film, der über eine Laufzeit von drei Stunden bemerkenswert stark unter die Haut geht.

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