Die Bücherdiebin |
Land/Jahr: USA / D 2014 |
Genre: Drama |
Regie: Brian Percival |
Darsteller: Sophie Nélisse Emily Watson Geoffrey Rush Heike Makatsch Barbara Auer |
FSK: ab 6 Jahren |
Dauer: 126 Minuten |
Kaufstart: 12. September 2014 |
Label: 20th Century Fox |
Liesel Meminger ist gerade einmal neun Jahre alt und muss schon jetzt die schwierigen Seiten des Lebens erkennen. Als Tochter einer Kommunistin muss sie plötzlich zu der deutschen Pflegefamilie Hubermann ziehen, nachdem ihr kleiner Bruder auf einer Zugfahrt überraschend stirbt und die Mutter auf Grund ihrer politischen Gesinnung in große Gefahr gerät. Wir schreiben schließlich das Jahr 1938, während der Zweite Weltkrieg allmählich in vollem Gange ist. Auf den Straßen machen sich die Flaggen der Nationalsozialisten breit, auf dem Marktplatz wird rechtsextreme Propaganda zelebriert und eine riesige Menge an Büchern wird als Grund allen Übels von den Truppen verbrannt. Schon jetzt stellt Liesel, die bisher nicht einmal lesen konnte, ihre Vorliebe für Bücher fest, bringen sie ihr schließlich schon bald das Lesen bei und erzählen ihr spannende Geschichten. Während sie sich mit dem Nachbarsjungen Rudi anfreundet und die ersten Bomben fallen, wird es immer schwieriger, ihre Interessen weiterhin auszuleben. Umso unverständlicher für sie, dass sie die Anwesenheit eines Juden verheimlichen muss, der in ihrem Keller versteckt gehalten wird. Schreckliche Ereignisse für ein Mädchen, das den Zweiten Weltkrieg aus der Sicht eines Kindes erlebt…
Kritik:
Deutsche Produktionen sind natürlich dafür bekannt, dass sie gerne die Geschichte ihres eigenen Landes aufarbeiten und sich gerade deshalb so häufig auf die schreckliche Zeit des Nationalsozialismus beziehen. Seltener kommt es jedoch vor, dass ein Film diese Ereignisse sowohl aus der Perspektive eines Kindes erzählt, als auch noch auf ein internationales Publikum ausgerichtet ist. Beides ist jedoch auch mit Besonderheiten verbunden.
Kinder im Nationalsozialismus
Insbesondere überzeugen dabei die schauspielerischen Leistungen der Jungdarsteller. Sophie Nélisse und Nico Liersch stehen dabei auf der guten und vertrauensvollen Seite. Obwohl beide durchaus schwierige Zeiten durchmachen müssen, halten sie wie engste Freunde zusammen und betrachten den Nationalsozialismus aus kritischer Sicht. Kinder, die voller Naivität vielleicht einmal zu viel „ich hasse Hitler“ sagen und sich gemäß ihrer kindlichen Natürlichkeit schnell in Gefahr bringen. Gleichzeitig schafft „Die Bücherdiebin“ dabei einen interessanten Spagat zum damaligen „Mainstream“. Eben jenes Volk, das sich kaum informiert und auf die Hetze der Nationalsozialisten aufspringt. Kleine Kinder, die ihre Altersgenossen bei den Behörden anschwärzen wollen, Ärmchen hebend „Heil Hitler“ schreien und die Verbrennung von Büchern bejubeln, gehören also durchaus zur Tagesordnung bei diesem Drama. Erschreckend dabei die Sicht auf die schreckliche Welt aus den Augen eines Kindes – aber auch überraschend verharmlosend wirkend.
Nazis fürs Ausland
Man merkt dabei allerdings an häufigen Stellen, dass sich „Die Bücherdiebin“ ganz klar an ein internationales Publikum richtet und bei der Altersfreigabe nicht allzu hoch ausfallen wollte. Insgesamt wirkt vor allem die Deportation der Juden, die besorgt mit ihrem Judenstern durch die Straßen gezerrt werden, ein wenig harmloser, als sie vermutlich in der Realität tatsächlich abgelaufen ist. Der Zuschauer bekommt durch die weichgespülte Kriegsszenerie nur schwer einen Eindruck von den wahren Ausmaßen des Holocausts. Fallen Bomben über den Dächern der Stadt, so scheinen die betroffenen Protagonisten seelenruhig im Luftschutzbunker das Ende abzuwarten – eine echte Dramatik entsteht hier nicht. Anders, als dies beispielsweise bei den Auseinandersetzungen hinter verschlossenen Türen stattfindet, denn ein versteckter Jude im Keller sorgt durchaus für hitzige Diskussionen und gefährliche Situationen. Dabei entsteht hingegen Spannung und Dramatik.
Die englischsprachigen Deutschen
Hier stechen vor allem die beiden erwachsenen Schauspieler heraus, welche die Stiefeltern von Liesel darstellen. Besonders Geoffrey Rush kann da als Hans Hubermann sehr überzeugen, in dem er schnell große Sympathien erntet und als liebenswürdiger Charakterdarsteller in Erscheinung tritt. Seine sanfte und hilfsbereite Art mit dem Herzen am rechten Fleck macht aus ihm den eigentlichen Helden in „Die Bücherdiebin“ und sorgt dafür, dass Liesel noch besser zu einer Identifikationsfigur werden kann. Mit seinen Leistungen wäre er durchaus mit dem guten alten Walter Matthau vergleichbar, sodass er sich zukünftig sicher auch in Komödien gut machen würde. Einen Kontrast dazu liefert unterdessen Emily Watson als Mutter Rosa Hubermann, die mit besonderer Vielfältigkeit punktet. Als donnernder Drache stets ihre Familie anmeckernd, ist auch sie durchaus für Überraschungen gut und zeigt sich von einer sehr abwechslungsreichen und charakterstarken Seite. Befremdlich ist jedoch bei allen Charakteren, dass diese beim geschriebenen Wort ausschließlich die englische Sprache verwenden, obwohl „Die Bücherdiebin“ auf deutschem Boden spielt. Das lässt die gesamte Szenerie insgesamt etwas künstlich und distanziert erscheinen, obwohl der Streifen ansonsten viele Stärken hat.
Fazit:
Sichtbar an ein internationales Publikum ausgerichtet, erscheint „Die Bücherdiebin“ zwar gelegentlich künstlich und distanziert, kann aber dennoch mit mehreren erstklassigen Charakterdarstellern überzeugen und präsentiert eine ungewöhnlich kindliche Sicht auf den Nationalsozialismus.