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    In ihrem Haus

    In ihrem Haus


    Land/Jahr:
    F 2013
    Genre:
    Drama
    Regie:
    François Ozon
    Darsteller:
    Fabrice Luchini
    Ernst Umhauer
    Kristin Scott Thomas
    Emmanuelle Seigner
    Denis Ménochet
    FSK:
    ab 12 Jahren
    Dauer:
    101 Minuten
    Kaufstart:
    18. April 2013
    Label:
    Concorde


    Germain ist Deutschlehrer an einem Vorzeige-Gymnasium, doch meistens eher vom Desinteresse seiner Schüler genervt, die sich mehr für ihr Mobiltelefon, als für die Literatur interessieren. Ein Schüler jedoch kann ihn mit seinen talentierten Texten überraschen. Er ist gerade einmal 16 Jahre alt, aber dennoch gelingt es ihm, überaus spannende und dramatische Geschichten zu erzählen, die voller literarischer Feinheiten gespickt sind und ohne weiteres von einem erfahrenen Schriftsteller stammen könnten. Es gibt dabei nur einen Haken: Claude, der talentierte Schüler, bringt vermeintlich reale Geschichten zu Papier. Er dringt in das Haus eines Klassenkameraden ein, täuscht eine Freundschaft vor und spioniert ihre intimsten Bereiche aus. Dumm nur, dass erfundene Charaktere und wahre Ereignisse so nah beieinander liegen, dass die Grenzen verschwimmen – und Germain entgegen seiner Erwartungen großes Gefallen am Inhalt seiner Geschichten findet…

    Kritik:
    Das Eindringen in ein anderes Haus, das Ausspionieren des Lebens anderer und der Voyeurismus im Allgemeinen faszinieren schon seit langem die Menschen. Das tägliche Nachmittagsprogramm des deutschen Fernsehens zeigt außerdem ohnehin recht deutlich, dass es stets auf besonders großes Interesse stößt, einen Einblick in fremde Lebensweisen zu erhalten, statt die eigenen reflektieren zu wollen. „In ihrem Haus“ bietet beides – Voyeurismus und Selbstreflexion, auf überaus lyrische Weise.

    Intellekt trifft auf Mittelschicht
    Allein das Zusammentreffen der Charaktere macht „In ihrem Haus bereits überaus interessant. Die Hauptrolle spielt dabei ein 16jähriger Junge aus einem eher schwierigen Elternhaus – die Mutter längst weg, der Vater schwer krank. Und doch ist da diese unnatürlich hohe Begabung, diese Intelligenz durch welche er seinen Mitschülern bei weitem überlegen ist. Der Lehrer, ebenfalls intelligent und gebildet, mit einem überaus großen Interesse an der Literatur, vermag sich entsprechend gut auszudrücken, wie auch der Junge und findet sich womöglich wieder. Das Ziel: Eine „normale“ Familie aus der Mittelschicht. Etwas, das der Junge nie kennengelernt hat und das er umso begehrenswerter findet – besonders die Dame des Hauses, was für den voyeuristischen Teil nur vorteilhaft sein kann. Es erweckt den Drang, einen Einblick in das zu haben, was man selbst nie haben kann – sowohl bei dem Jungen aus schwierigem Elternhaus, als auch bei dem erfolglosen Schriftsteller, der nun Lehrer ist. Das bietet Selbstreflexion und Tiefgründigkeit.

    Wahrheit und Fiktion
    Der Aufbau des Films ist denkbar ungewöhnlich. Es mag zwar um Voyeurismus gehen, doch die Darstellung selbiges ist doch recht unnahbar und speziell. Jegliche Handlungen scheinen lediglich in schriftlicher Form stattzufinden, welche der Lehrer von seinem Schüler zu lesen bekommt. Doch jegliche Inspiration erhält er durch reale Ereignisse, welche bei seinen Besuchen im fremden Haus tatsächlich stattfinden. Er beschreibt das Geschehen, als würde er selbst in einem uneinsichtigen Winkel stehen, die Familie beobachten, heimlich durch das Haus schleichen und sich ganz speziell die dramatischen Momente für seine Geschichte aussuchen. Fraglich ist allerdings, welche Ereignisse der Realität entsprechen und welche frei erfunden sind – dies lässt „In ihrem Haus“ offen und bietet dem Zuschauer eine offene, freie Interpretation. Die Tatsache allerdings, in etwas Verbotenes vorzudringen, Grenzen zu überschreiten und Tabus zu übertreten, erscheint sehr reizvoll – und dank großartiger Dialoge auch überaus spannend umgesetzt.

    Kunst für kranke Hirne
    Sprachlich begibt sich der Streifen dabei auf sehr gehobenes Niveau. Er zeigt deutlich seine intellektuelle Ader, kann damit auch den gebildeteren, anspruchsvolleren Zuschauer überzeugen, ohne allerdings zu schwer verständlich zu sein. Trotz relativ ruhigem, lyrischem Stil kommt durch die gelungene Mischung aus kunstvoller Sprache und dramatischen Voyeurismus eine Spannung auf, die den Zuschauer fesseln kann – und damit sehr überrascht. „In ihrem Haus“ erinnert fast ein wenig an Woody Allen, wie er Sprache und Bilder so gut vermischt, dass er ein ganz einzigartiges, hochqualitatives Bild schafft. Noch dazu: Hauptdarsteller Fabrice Luchini sieht dem Vorbild Woody Allen optisch erstaunlich ähnlich – vermutlich nicht ganz ungewollt. Damit parodiert sich der Film auch ein stückweit selbst, ohne dies tatsächlich bewusst zu machen, was ansich schon ein kleines Kunststück ist. Dazu nutzt „In ihrem Haus“ eine Selbstreflexion aus künstlerischen Bildern. Da betrachten wir den jungen Voyeuristen als eigentlich fragwürdig, kommen einem die Bilder von Penis-Hakenkreuzen und Hitler-Gummipuppen in einem Kunst-Atelier gleich danach als provokative Verharmlosung hinterher – und führt den Zuschauer geschickt ein wenig an der Nase herum. Kunst für kranke Hirne eben, wie auch Germains Frau der Meinung ist. Das trifft es wohl recht gut – und macht den Streifen zu einem Meisterwerk.

    Fazit:
    Künstlerisch geschickte, anspruchsvolle Unterhaltung im Woody Allen-Stil: Dramatik für intellektuelle Voyeure. Ein Meisterwerk.