Nadine, Iris, Fred, Bamako und Gabriel sind nicht nur die engsten Freunde, die man sich nur vorstellen kann, sondern auch noch Beamte der französischen Jugendschutzpolizei und gemeinsam in einer Einheit. Neben zahlreichen privaten Problemen, mit denen sie immer wieder zu kämpfen haben, kümmern sie sich vor allem um die verwahrlosten Kinder, die oftmals Opfer von sexueller Gewalt wurden. Tagtäglich bekommen sie es daher mit Missbrauchsopfern, fehlgeleiteten Jugendlichen und extremsten Existenzängsten zu tun. Kurz vor dem nervlichen Zusammenbruch, müssen sie stets ihre Nerven behalten und oft auch ihren eigenen Beruf vollkommen in Frage stellen. Eine Fotografin will nun diesen Polizeialltag dokumentieren – und bringt das Team ganz schön durcheinander…
Kritik:
Der Alltag eines Polizisten ist sicherlich kein Zuckerschlecken, vor allem dann nicht, wenn es ans Eingemachte geht. Wer es täglich mit den schrecklichen Schicksalen von Kindern und Jugendlichen zu tun bekommt, braucht schon starke Nerven, um den Job seelisch auf Dauer auszuhalten. „Poliezei“ begleitet dabei – fiktiv – den Alltag eines Teams der französischen Jugendschutzpolizei – und ist sicher nichts für zart besaitete Zuschauer.
Nahegehende Schicksale
Das hochemotionale Drama soll dabei von wahren Ereignissen berichten und zeigt uns das wahre Leben auf den Straßen von Paris. Die besondere Stärke des Films: Die überaus hohe Natürlichkeit, die Authentizität und die glaubwürdige Alltagssprache, mit welcher er uns von dem scheinbar ganz normalen Wahnsinn berichtet. Einerseits sollte so mancher Zuschauer möglichst genügend Taschentücher bereithalten, wenn wir vom Leid minderjähriger Missbrauchsopfer erfahren, die von ihrem eigenen Vater oder dem Sportlehrer vergewaltigt wurden. Hier schafft es „Poliezei“ eine solche Trauer und Dramatik aufzubauen, dass der Film glaubhaft und realitätsnah ans Eingemachte geht. Andererseits müssen wir allerdings schockiert und erstaunt feststellen, wie heruntergekommen und versaut die Jugend doch heute zu sein scheint. Selbst 14-jährige Mädchen finden es da wohl normal, für ein Handy gleich drei Jungs auf einmal einen zu blasen. Diese Ehrlichkeit überzeugt und punktet ohne Umwege beim Zuschauer – doch sie schockiert auch und zeigt der Gesellschaft einen deutlichen Spiegel.
Polizeiliche Selbstkritik
Doch dass „Poliezei“ wohl zu den besten Polizeifilmen der letzten Jahre zählt, hat der französische Streifen auch der Tatsache zu verdanken, dass die Beamten eben nicht nur als die tollen Retter inszeniert werden. Stattdessen müssen sie sich einer radikalen, aber auch angebrachten Selbstkritik stellen, in der sie ihren Job, beziehungsweise die Art und Weise, wie sie diesen ausüben, grundlegend in Frage stellen müssen. Der Entzug von Kindern gegenüber den Eltern beispielsweise scheint nicht immer zu den besten Methoden zu gehören und spätestens wenn Missbrauchsopfer ihren pädophilen Täter aus Zuneigung schützen, wird auch der Täter selbst nicht mehr als rein böses Monster dargestellt. So manch Gewaltfantasie des wütenden Mobs, die wir in sozialen Medien oftmals lesen, wird hier also keineswegs befriedigt, sondern viel mehr hinterfragt. Doch auch die Verhaltensweisen der Beamten, die sich über so manche sexuelle Hingabe von Kindern durchaus auch lustig machen, scheinen nicht immer korrekt – dafür aber jederzeit überaus menschlich.
Ein chaotischer Haufen
An den Storyaufbau muss man sich unterdessen erst einmal gewöhnen, denn einen gemeinsamen „Hauptstrang“ suchen wir hier vergebens. Es gibt hier nicht „den“ großen Fall, den es zu lösen gilt und an dem alle Protagonisten die gesamte Zeit über festhalten. Stattdessen werden wir einfach mitten im Alltag ins „kalte Wasser“ geworden und bekommen zahlreiche verschiedene, nervenzerreißende Fälle mit, die manchmal, aber nicht immer, spektakulär sind. Das passt so allerdings auch recht gut ins Gesamtkonzept des Films, kann sich „Poliezei“ so schließlich gut auf die einzelnen Charaktere konzentrieren. Zwischen den Fällen bleibt so immer wieder Platz für persönliche Auseinandersetzungen, emotionale Kurzschlüsse und private Probleme, welche uns die Figuren umso näher bringen. Allen voran JoeyStar kann dabei als Fred sehr gut überzeugen und sich von einer sehr vielseitigen Seite zeigen, die über Sucht nach Nähe, Wutausbrüchen und Zusammenbrüchen, alles zu bieten hat. Da kann man es dann auch verschmerzen, dass „Poliezei“ in den ersten dreißig Minuten einen etwas holprigen Start hinlegt.
Fazit:
Ein hochrealistischer und glaubwürdiger Polizeifilm, der nicht nur mit nahegehenden Missbrauchsfällen berührt, sondern auch mit einer enormen Ehrlichkeit, Natürlichkeit und Authentizität überzeugen kann.