Eigentlich wollten zwei junge hübsche Studentinnen nur einen aufregenden Trip durch Europa erleben, doch bei ihrem Stopp in Deutschland macht ihnen eine Reifenpanne glatt einen Strich durch die Rechnung. Mitten im Wald gestrandet, ohne jegliche Handyverbindung und ohne Reparaturmöglichkeiten begeben sich die beiden also prompt in den Wald und treffen bei einem abgelegenen Haus auf vermeintliche Rettung. Der zunächst hilfsbereite nette Mann entpuppt sich allerdings schon bald als sadistischer Chirurg, der ganz perverse Ideen mit den hübschen Mädchen umsetzen will. Als anerkannter Chirurg, der zahlreiche Erfolge in der Trennung von siamesischen Zwillingen zu verzeichnen hat, will er privat nun seine ganz eigenen Erfolge erzielen und den Spieß einmal grundlegend umdrehen. Denn er will Menschen nicht trennen, sondern aneinander nähen – als menschlicher lebendiger Tausendfüßler. Ein Kampf um Leben und Tod beginnt…
Kritik:
Endlich ist er da: Nach nun mehr drei Jahren hat es der wohl kontroverseste und am meisten diskutierte Horrorfilm endlich auch ins Heimkino geschafft. Zahlreiche Medien betiteln diesen Film als pervers, krank, oder auch einfach nur originell. Selbst Eli Roth soll behauptet haben, ihr sei bei diesem Film schlecht geworden und andere Medien empfehlen keine Nahrungszunahme vor der Sichtung des Films. Doch eines steht fest: An den brutalen Gewaltspitzen kann es nicht liegen, denn „The Human Centipede“ ist optisch betrachtet noch vergleichsweise harmlos. Schockierend ist hier eher der Inhalt.
Die Überraschung folgt später
Auf den ersten Blick scheint dieser Streifen zunächst kaum Überraschungen bieten zu können, beginnt die Story doch ganz klassisch und wenig einfallsreich. Wie in vielen anderen unzähligen Horrorfilmen verfahren sich zwei junge Mädchen auf einer einsamen Landstraße mitten im Wald und können mangels Reifenpanne nicht mehr weiter fahren. Da kommt es, wie es kommen muss und die Studentinnen suchen Unterschlupf in einem abgelegenen Haus, wo das wahre Grauen bereits auf sie wartet. Doch spätestens jetzt, wenn sie auf Dr. Heiter stoßen, kommen die wahren Qualitäten zum Vorschein. Während vergleichbare Genrevertreter hier lediglich die übliche Zombie-, Kannibalismus-, oder Folterstory zu bieten haben, bekommt „The Human Centipede“ auf eigenartige Weise einen sehr originellen Touch. Denn Regisseur Tom Six hat seinen kranken Ideen völlig freien Lauf gelassen und zeigt uns das wohl perverseste Szenario der Horrorfilmgeschichte.
Gar nicht so brutal
Angesichts der doch recht abartigen Story und der Tatsache, dass die deutsche Version um fast fünf Minuten geschnitten wurde, sodass eine ungeschnittene Fassung ausschließlich in Österreich erhältlich ist, mag es schon ein wenig verwundern, dass „The Human Centipede“ optisch gar nicht die Extremitäten zu bieten hat, wie wir eigentlich erwarten würde. Was den Ekelfaktor anhand der Szenen angeht, mögen so manch andere Genrevertreter weitaus heftiger in Erscheinung treten und selbst „Saw“ kann diesen Titel somit weitaus übertreffen. Hier verzichtet man eben auf knallharte Goreszenen, sodass wir weder Eingeweide, noch wirklich viel Blut zu sehen bekommen. Lediglich die überaus realistischen Operationsszenen, die laut echten Chirurgen zu 100% medizinisch akkurat sein sollen, haben in Nahaufnahme einen gewissen Ekelfaktor, können wir schließlich exakt dabei zu sehen, wie den Protagonisten der Hintern aufgeschnitten wird. Das war es dann allerdings auch schon, denn aus diesem Gesichtspunkt heraus betrachtet, ist „The Human Centipede“ eben noch relativ harmlos, kommen danach schließlich keine intensiv brutalen Szenen mehr.
Perversion statt Brutalität
Was also macht einen solchen Film zum kontroversesten und umstrittensten Film des Jahrzehnts? Die optische Darstellung mag es nicht sein, der hohe Grad an Brutalität ebenso wenig. Stattdessen hat „The Human Centipede“ aber einen ausgesprochen intensiven psychologischen Effekt, die allein durch die Vorstellungskraft des Zuschauers wiederum einen so hohen Ekelfaktor hat, dass so mancher womöglich angewidert abschalten möchte. Immerhin werden die Protagonisten zu einem menschlichen Tausendfüßler zusammen genäht (was ansich schon sehr originell ist), sodass Münder und Anus der jeweiligen Personen miteinander verbunden werden. Das heißt im Endeffekt: der Hintermann muss die Ausscheidungen seines Vordermanns verspeisen und hat keinerlei Ausweichmöglichkeit. Spätestens da bekommt wohl so mancher unabgehärtete Zuschauer einen gewissen Brechreiz. Paart sich dies auch noch mit den extrem guten darstellerischen Leistungen von Dieter Laser, der auf sadistische Weise sichtlich Spaß an seinem Vorhaben hat, steigert sich die psychologische Wirkung umso mehr. Da ist es dann vor allem schockierend, wenn Regisseur Tom Six bei all den Perversitäten auch noch sado-masochistische Züge einbaut und seinen Chirurgen die Rolle einer männlichen Domina vergibt. Auf der einen Seite wollen wir in so manchen fast schon absurden Szenen lachen, auf der anderen Seite bleibt uns dieses allerdings gleich wieder im Halse stecken. Kurz gesagt: „The Human Centipede“ ist einzigartig, originell und absolut pervers – wird aber optisch niemanden schocken.
Fazit:
Der menschliche Tausendfüßler ist nicht etwa wegen seiner Brutalität oder seiner extremen Optik so kontrovers und schockierend, sondern viel mehr durch seinen intensiven psychologischen Effekt, seinen Perversitäten und seinen sado-masoschistischen Zügen. Nichts für schwache Nerven und Mägen.
* Die FSK18-Fassungen von Infopictures und Koch Media sind jeweils um knapp 5 Minuten gekürzt. Eine ungeschnittene deutschsprachige Fassung ist ausschließlich via Österreich erhältlich. Für unsere Rezension hatten wir beide Versionen vorliegen. Die Wertung basiert auf der ungeschnittenen Fassung.
** VÖ-Termin der ungeschnittenen Fassung in Österreich war der 28.09.2012