2154: Jake Sully hatte es in seinem bisherigen Leben nicht sonderlich einfach. Als ehemaliger Marine, der gerade vom Kriegseinsatz zurückgekehrt ist, sitzt er nun querschnittsgelähmt im Rollstuhl, ohne Aussicht jemals wieder gehen zu können. Wie gut also, dass er auf dem Planeten Pandora, die Möglichkeit erhält, am “Avatar”-Programm teilzunehmen. Dabei wird die Alien-DNS der Einheimischen mit denen der Menschen gekreuzt, um ein neues Wesen zu erschaffen, das daraufhin als Avatar dienen soll. Mittels Tomographen-ähnlicher Maschine ist Jake so in der Lage, sich komplett in das Gehirn des Avataren zu transferieren, um diesen dann zu steuern und vorübergehend quasi mit ihm zu verschmelzen, sodass er selbst seine Gefühle wahrnehmen kann. Nur durch das Einschlafen des Avatars, kann er wieder in seinen eigenen Körper zurückkehren. Das ist natürlich für ihn insofern praktisch, dass er endlich wieder auf zwei Beinen gehen kann und obendrein auch noch stärker und größer ist, als vorher. Dumm nur, dass dieser Avatar nicht wirklich zur Verbesserung seiner körperlichen Fähigkeiten, sondern zum Infiltrieren der Einheimischen dienen soll. Da bisher keinerlei engeren Kontakt zu den Aliens aufgebaut werden konnte und kein Mensch in ihre Dörfer gelassen wird, vermutet man, Menschen hätten bessere Chancen, wenn sie sich äußerlich den Aliens anpassen. So soll Jake, Informationen über die Aliens herausfinden, um den zukünftigen Angriff zu planen, der für die Umsiedlung offensichtlich notwendig erscheint. Schließlich wollen die Menschen die Rohstoffe, die sich unter ihrem Dorf befinden, ausbeuten. Doch da ahnte noch niemand, dass Jake sich schon bald als Einheimischer sieht und seine wahre Identität allmählich in den Hintergrund gerät. Obendrein verliebt er sich auch noch in eines der anderen Aliens und stellt sich somit schon bald auf deren Seite, um gegen seine eigenen Kameraden zu kämpfen…
Kritik:
“Avatar” dürfte der in diesem Jahr wohl am sehnlichsten erwartete Hollywood-Blockbuster sein. Vor langer Zeit bereits angekündigt, wurden die sehnsüchtigen Fans immer wieder mit kurzen Vorab-Ausschnitten begeistert. Nun soll es endlich soweit sein, dass “Avatar” auf DVD und BluRay erscheint und in Anbetracht der filmischen Vergangenheit des Regisseurs James Cameron, darf man vieles erwarten. Wird der Film wohl an Spektakel, wie “The Abyss” anknüpfen können? Vorab kann man bereits sagen: Ja, kann er. Doch “Avatar” ist kein Film, der an alte Cameron-Filme ansetzt, sondern vielmehr vielerlei Stilmittel bekannter Hollywood-Streifen vermischt und dabei nicht auf Camerons eigene Handschrift verzichtet. Das macht ihn zu einem besonderen Gesamtwerk.
Klassische Story
Doch kommen wir zunächst zur Story. Diese ist nämlich bewusst klassisch gehalten. Wie so oft, handelt sie von einem Soldaten, der die einheimische Alien-Rasse kennenlernt und sich bald als Einheimischer fühlt. Kurz darauf wendet er sich gegen seine eigenen Kameraden, um unter den Aliens bleiben zu können. Dummerweise sind die Charaktere allerdings allesamt ein wenig stereotypisch ausgefallen. Der Ex-Marine mit Querschnittslähmung, ein paar Kameraden, die zu ihm halten und ein knallharter Armee-Kommandant, der alles daran setzt, die Welt der Einheimischen zu vernichten – so, wie es die Menschen auch schon mit der Erde taten. Im Grunde hat jeder seinen klassischen Charakter, wobei sich Hauptdarsteller Sam Wortington auf ein atemberaubendes Abenteuer begibt. Der Schwachpunkt ist hierbei die Vorhersehbarkeit, denn bereits nach schätzungsweise 30 Minuten, kann der Zuschauer erahnen, in welche Richtung sich der Film entwickelt. Dass sich Jake im späteren Verlauf dann gegen seine Kameraden stellt, ist so wenig verwunderlich, oder überraschend. Einzig wirklich innovativ ist hierbei die Alien-Frau Neytiri, gespielt von Zoe Saldana (Uhura aus Star Trek 11). Sie führt Jake in eine völlig neue Welt ein, mit anderen Sichtweisen und anderen Kulturen. Selbst Religion hat hier eine völlig andere Bedeutung. Schade ist nur, dass Jake eben im späteren Verlauf gar keine Überraschungen mehr zu bieten hat, obwohl am Anfang noch gar nicht klar ist, ob er mit dem Avatar schon gleich zu Beginn wegläuft, oder tatsächlich ein Doppelleben in der Dschungelwelt leben wird. Tatsächlich ist aber – und das kann man behaupten, ohne zu viel zu spoilern – letzteres der Fall.
Jurassic Park vs. The Abyss
Diese Dschungelwelt hat unterdessen sehr viele Besonderheiten zu bieten. Nicht nur, dass sie beeindruckend aussieht, auch die Natur und die Tierwelt haben viele Besonderheiten. Die Einheimischen, die sich Na’vi nennen, leben nämlich stets im Einklang mit der Natur und wollen diese um alles in der Welt beschützen. Dazu kommunizieren sie mittels Steckverbindung in ihrem Haarzopf mit den Tieren des Planeten. Von Dinosaurier-ähnlichen Gestalten, bis hin zu riesigen Vögeln, ist da einiges dabei. Durch die Tierwelt kommt in “Avatar” also durchaus ein wenig “Jurassic Park”-Feeling auf. Genau das Gegenteil ist allerdings in den Dörfern der Aliens der Fall. Hier leben diese in riesigen Bäumen gemeinsam mit leuchtenden, quallen-artigen Wesen und spirituellen Bäumen. Während die riesigen Dinosaurier hier plötzlich verschwunden sind, erinnern vor allem die grell-bunten Farben an James Camerons Spekatakel “The Abyss” aus dem Jahre 1989. Natürlich inzwischen optisch noch deutlich beeindruckender.
Spiritualität
Interessanterweise haben die Bäume in “Avatar” aber auch noch eine andere Funktion. Einige von ihnen sind nämlich in der Lage, mit der Tier- und Pflanzenwelt zu kommunizieren, können Gedächtnisse der Einheimischen hochladen und diese ggf. sogar in einen neuen Körper transferieren. Stirbt also einer der Aliens, wird er einfach in einem anderen Körper wiedergeboren. In gewisser Weise mag dies natürlich eine Anspielung an das Paradies von Adam und Eva sein und den Glauben an die Wiedergeburt bildlich darstellen, doch bekommt es durch die Darstellungsweise eine andere Bedeutung. Während es zwar auch religiöse Anspielungen auf den Glauben des Christentums beinhaltet, zeigt sich hier besonders die spirituelle Ader und verschafft dem Film sogar ein wenig Greenpeace-Charakter. Schließlich fühlen sich die Aliens gerade wegen dieser Bäume so stark mit der Natur verbunden. Das allerdings macht den Glauben und die Spiritualität auch für Nicht-gläubige sehr gut nachvollziehbar.
Faszination Wildnis
Doch kommen wir stattdessen zum Wesentlichen, nämlich dem Abenteuer in der Wildnis des Planeten Pandora. Immer dann, wenn Jake in seinen Avatar “hineinsteigt”, wirkt es fast so, als würde er in eine neue Welt eintauchen. Als Kontrast dienen hierzu das Leben als Mensch in einem Militärstützpunkt und die Dschungelwelt voller Pflanzen, Tiere und vielem mehr. Letztere ist für Menschen ohne Atemgerät gar nicht betretbar, da die gashaltige Atmosphäre nicht atembar ist – außer natürlich für die einheimischen Aliens. In Form seines Avatares kann Jake sich allerdings ganz normal dort bewegen, auch ganz normal atmen und kann völlig in die Welt der Aliens eintauchen. Selbst die körperlichen Fähigkeiten sind ihm dementsprechend gegeben. Doch ehe er sie voll nutzen kann, muss er die Fähigkeiten natürlich lernend perfektionieren. Dazu gehört das Leben in der Wildnis ansich, das Verhalten gegenüber den Tieren, aber auch das Reiten auf Pferde-ähnlichen Tieren und den Flugsauriern. Dabei soll ihm natürlich Neytiri helfen – und wie es in Hollywood so üblich ist, entwickelt sich dabei auch eine Lovestory. Denn Jake verliebt sich ziemlich schnell in das Alien, ganz zum Missfallen des Aliens, dem sie eigentlich versprochen wurde. Da der Film insgesamt aber die meiste Zeit im Dschungel verbringt, kommt hier eine enorme Faszination für die Wildnis auf, die stets gut nachvollziehbar ist.
Der Science-Fiction-Anteil ist unterdessen sogar vergleichsweise gering ausgefallen. Am besten kommt dieser noch am Anfang rüber, als das Raumschiff, den Planeten Pandora ansteuert, um seine Passagiere dort abzusetzen. Danach geht alles zu Land und in der Luft – nicht jedoch im Weltraum – zugange. Hier beschränkt sich die Science-Fiction dann auf einige Techniken, wie Hologramme und das Avatar-Programm und auf die futuristisch aussehenden Flugzeuge, mit denen die Menschen den Planeten bombardieren. Sobald Jack allerdings die Alien-Welt betreten hat, geht alles deutlich primitiver zugange, denn dort schießen die Aliens noch mit Pfeil und Bogen, statt wie die Menschen, mit Raketen und Robotern.
Effekte (basierend auf der Kinofassung)
Nun darf man sich sicher die Frage stellen, ob die Effekte nicht mit mehr Science-Fiction auch mehr zur Geltung gekommen wären. Das kann man allerdings – trotz des 3D-Effekts – verneinen. “Avatar” setzt hier nämlich auf das Performance-Capturing-Verfahren, bei dem Gesichter, Mimik und Bewegungsabläufe auf die CGI-Figuren projeziert werden. So hat jeder Darsteller, der einen Alien verkörpert, seine persönliche Alien-Figur mitsamt eigenen Gesichtszügen und eigener Mimik. Das allein wirkt natürlich schon beeindruckend, auch wenn die Figuren am Anfang leider noch etwas unnatürlich wirken, da man die Animation zu stark erkennen kann. Das legt sich allerdings, sobald man richtig in die Story eingetaucht ist, sodass ab dann alles zusammen passt.
Zukunftsweisende Technik (basierend auf der Kinofassung)
Hiermit zeigt James Cameron allerdings auch, wohin uns Hollywood vermutlich zukünftig führt. “Avatar” lässt nämlich bereits jetzt vermuten, dass irgendwann die echten Darsteller durch CGI-Animationen ersetzt werden. Vielleicht nicht völlig, aber vermutlich komplett mit Performance-Capturing. In Avatar kommt dabei ein interessanter Effekt zustande, da hier ja regelmäßig zwischen CGI und echten Schauspielern gewechselt wird. Teilweise sind sogar beide zusammen zu sehen, etwa wenn die Menschen auf die Aliens treffen. Auf Masken dagegen wurde inzwischen völlig verzichtet. Dazu kommt ein 3D-Effekt, der ebenfalls neue Wege geht. Statt auf künstlich wirkende Objekte zu setzen, die angeblich aus der Leinwand herausstechen sollen, wird der 3D-Effekt inzwischen überwiegend für den Tiefeneindruck verwendet. Dieser entfaltet seine Wirkung in “Avatar” vor allem in den Nahaufnahmen. So bekommen wir tatsächlich den Eindruck, dass der Kopf eines Darstellers eine geringere Entfernung hat, als beispielsweise die Wand hinter ihm. Insgesamt dürfte man aber erwarten, dass zukünftig noch deutlich mehr Filme in die Kinos kommen, die sowohl auf Performance-Capturing, als auch auf 3D setzen. Und so langsam kann man auch sagen: Es ist allmählich ausgereift.
Einfühlbarkeit
Ganz nebenbei ist allerdings die Einfühlbarkeit in die Charaktere eine weitere Stärke von “Avatar”. Während sie zwar, wie oben bereits erwähnt, eher stereotypisch sind und klassische Charakterentwicklungen zeigen, schaffen sie es, dank nahezu perfekter Darstellerleistung, dass sich der Zuschauer problemlos in die Charaktere hineinversetzen kann. Ja, man kann eigentlich sogar an vielen Stellen richtig mitfühlen, wie Jake sich immer mehr bei den Einheimischen zu Hause fühlt, sich in Neytiri verliebt, oder auch schonmal eine Auseinandersetzung mit einem anderen Alien hat. Manches mal geht das soweit, dass man am liebsten in die Leinwand hineinspringen würde – schon allein der Faszination dieses unbekannten und ungewöhnlichen Lebens in dieser Wildnis wegen. Zusätzlich trägt natürlich auch die perfekte Mimik der CGI-Animationen dazu bei, die die Emotionen der Figuren hervorragend vermitteln. Wer sich also mit klassischem Storyaufbau zufrieden geben kann, der bekommt hier einen Film geboten, der auf vielen Ebenen einen Meilenstein des Kinos darstellt.
Fazit:
Mit seiner typisch-eigenen Handschrift setzt Regisseur James Cameron erneut einen Meilenstein der Filmgeschichte, der optisch ein wenig an “The Abyss” angelehnt ist. Dank zukunftsweisender Technik und guter Einfühlbarkeit in die Charaktere, schafft er es allerdings, sein eigenes Spektakel aus dem Jahre 1989 nochmals zu toppen. Zudem schafft Cameron mit einem bewusst klassischen Storyaufbau eine hohe Massentauglichkeit. Wer sich mit diesem Storyaufbau anfreunden kann, bekommt hier einen optisch beeindruckenden und innovativen Blockbuster geboten, der das Kinojahr 2009 würdig abschloss.
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