Das Leben des jungen Elias ist nicht gerade leicht, obwohl er in einer scheinbar idyllischen Gegend aufwächst. Doch seit sein Vater als idealistischer Arzt mehrere Monate im Jahr in Afrika verbringt, um dort zahlreiche Menschen zu retten und seine Eltern kurz vor einer Trennung stehen, ist die Situation zuhause nicht gerade einfach geworden. Dabei hat er eigentlich ein noch viel größeres Problem, denn in der Schule gilt er wegen seines Aussehens als Außenseiter und wird von vielen Mitschülern gemobbt. Da kommt es ihm gerade recht, als plötzlich der neue Christian in der Schule auftaucht und sich prompt auf dessen Seite schlägt. Er zögert nicht lange, Elias tatkräftig zur Seite zu stehen und sich gegen die gemeinsamen Feinde zur Wehr zu setzen. Dumm nur, dass Christian seit dem Tod seiner Mutter längst den Hass in sich hinein frisst und jede Gelegenheit nutzt, den bösen Menschen auf dieser Welt eine Lektion zu erteilen. Doch bisher ahnt noch niemand, welch lebensgefährlichen Auswirkungen seine Entwicklung haben wird…
Kritik:
Mobbing und Gewalt inmitten einer kaputten Gesellschaft aus zerrütteten Familien, brutalen Mitschülern und einem Kriegseinsatz in Afrika. Bei solchen Themen gibt es sicherlich nicht sonderlich viele Dramen, die tatsächlich den Mut haben, die psychische Situation für die Protagonisten wirklich tiefgehend zu beleuchten und ernsthaft auf die Charaktere einzugehen. Während die meisten Produktionen nur oberflächlich auf die Problematik eingehen, oder das Afrikaszenario zur reinen Action verkommen lassen würden, versucht es nun „In einer besseren Welt“ erstmals, sich tatsächlich kritisch mit diesen Szenen auseinander zu setzen. Was wir dabei geboten bekommen, ist harter Stoff mit nahegehenden Szenen und berührenden Charakteren.
Hass eines Mobbingopfers
Im Mittelpunkt stehen bei dieser Geschichte vor allem zwei Schulkameraden: Elias und Christian. Dabei wird sich sicherlich so mancher Zuschauer an seine eigenen Kindheit erinnern, wenn Elias tagtäglich von seinen Mitschülern gemobbt und fertig gemacht wird, während er selbst kaum in der Lage ist, sich zu wehren. Regelmäßig lässt er die Gewalt über sich ergehen, oder schaut dabei zu, wie die Kameraden die Reifen seines Fahrrads zerstören. Doch nicht jeder dürfte dabei solch ein Glück haben, wie dieser junge Schüler, denn durch Christian bekommt er plötzlich einen Freund und Helfer. Sein neuer und beschützender Mitschüler ist brutal und knallhart – aber doch scheint er auf der richtigen Seite zu stehen. Er will nicht länger dabei zusehen, wie unschuldige Menschen einfach in Angst leben müssen und schreckt auch nicht davor zurück, dem Täter einfach einmal ein Messer an die Kehle zu halten. Bereits hier kann „In einer besseren Welt“ bei einem sehr sensiblen Thema viel Mut beweisen: Der Film präsentiert radikale Gewalt und verherrlicht sie gleichzeitig. Denn die Messerattacke in der Schule wird aus Opferperspektive plötzlich zu einer guten und zu befürwortenden Tat. Mancher Zuschauer wird sich sicherlich dabei ertappen, wie er innerlich denkt: „Richtig so“.
Die Psyche eines Kindes
Doch dabei soll es nicht bleiben. „In einer besseren Welt“ zeigt uns sehr glaubwürdig und nachvollziehbar, wie sich ein scheinbar liebevolles und friedliches Kind plötzlich zum brutalen Gewalttäter und Monster entwickelt. Mit psychischen Problemen, seelischen Verletzungen und einen Hass gegen alles Böse auf der Welt strickt er einen perfiden Plan, um den Tätern eine Lektion zu erteilen. Dank Anleitungen aus dem Internet soll es so schließlich nicht mehr bei grober Gewalt und einer Messerattacke bleiben, sondern schon bald auch Erwachsene zu ernsthaften Opfern werden. Dabei schafft es der Film, den Charakteren eine schleichende Entwicklung zu verpassen, durch die wir tatsächlich Sympathien zum jungen Christian entwickeln können. Im wahren Leben würden wir den Jungen, dessen Taten schon bald eskalieren, womöglich sogar unterstützen – und das macht „In einer besseren Welt“ so eindrucksvoll und gleichzeitig schockierend, ohne dass wir tatsächlich allzu brutale Szenen sehen würden. Es ist allein das junge Alter des Kindes in dieser scheinbar kaputten und kranken Welt, das dafür sorgen wird, dass wir diesen Film sicherlich nicht mehr so schnell vergessen.
Gesellschaft im Dreck
Sehr gekonnt gelingt es dabei Regisseurin Susanne Bier aber auch, ernstzunehmende und wirklich durchdachte Gesellschaftskritik zu äußern. Dabei werden vor allem pädagogische Maßnahmen nur allzu gerne an den Pranger gestellt, wenn Mobbing an Schulen kaum ernst genommen wird und es sich Lehrer doch nur allzu gerne viel zu leicht machen. Bei ernsthaften Problemen mit Mitschülern werden die Ursachen jeglicher Eskalationen doch immer wieder auf die vermeintlich erzieherischen Probleme der Eltern geschoben. Susanne Bier prangert dabei eine Gesellschaft an, die psychologische Profile schlicht an der Trennung der Eltern manifestiert, statt sich tatsächlich auf vielseitige und individuelle Weise mit den Problemen von Jugendlichen auseinanderzusetzen. Doch kein Wunder, kommen schließlich die gewalttätigen Erwachsenen auch nicht gerade gut weg, wenn sie doch selbst nicht gerade die besten Vorbilder für ihre Nachkommen darstellen. Unterschwellig gelingt es dabei sogar, Parallelen zwischen dem Hass auf einen Erwachsenen und den Terroranschlägen in Afrika aufzubauen. Der Film baut gerne große Probleme unserer Welt ein und sucht dessen Ursachen auf gelungene Weise im Kleinen, denn unsere Kinder sollen schließlich bereits mit der Zukunft beginnen, die wir womöglich später einmal selbst erleben werden. Diese Detailverliebtheit, bezogen auf gesellschaftliche Themen und charakterliche Darstellungen ist es, die „In einer besseren Welt“ zu einem absolut unvergesslichen und unvergleichlichen Filmerlebnis werden lassen. Damit kann sich dieses Drama äußerst positiv aus der Masse der anderen Genrevertreter hervorheben und ein Muss für jeden Filmfan liefern.
Fazit:
Susanne Bier beweist Mut: Mit ihrem außergewöhnlichen Drama um Mobbing und Gewalt liefert sie uns ein unvergessliches Filmerlebnis mit einem radikalen Blick in die menschliche Psyche und gekonnter, detaillierter Gesellschaftskritik. Ein Muss für jeden Cineasten.