Nach einer kleinen Auseinandersetzung auf einer Party beschließt die junge Alex, allein und ohne ihren Freund nach Hause zu gehen. Obwohl sie ein Kind von ihm erwartet, kann sie niemand davon abhalten, sich auf die gefährlichen Straßen der Nacht zu begeben. Ein großer Fehler, wie sich schnell herausstellt, denn Alex wird noch auf ihrem Heimweg brutal vergewaltigt und stirbt kurze Zeit später an ihren schweren Verletzungen. Für ihren Freund Marcus und ihren Ex Pierre ist das der beste Grund, sich auf einen blutigen Rachetrip aufzumachen, bei dem sie nur ein Ziel haben: Den Täter ausfindig machen und ebenso kaltblütig ermorden. Dumm nur, dass sie bei ihrem Rachefeldzug in einen unaufhaltsamen Gewaltexzess geraten, der sie bis in einen Sado-Maso-Club für Schwule führen soll…
Kritik:
Es gibt sicherlich einen Satz, den eingefleischte Filmfans, die bereits tausende Filme hinter sich haben, nicht allzu oft sagen: „Diesen Film muss ich erst einmal verarbeiten“. Doch im extrem harten Rachethriller „Irreversibel“ müssen wir doch bald feststellen, dass die Handlung mitsamt ihrer außergewöhnlichen visuellen Gestaltung wohl jeden noch so harten Zuschauer mitnehmen wird. Damit entwickelt sich dieser Film nicht nur zum härtesten, sondern wohl auch zum unvergesslichsten Streifen der Filmgeschichte. Doch erst einmal alles von hinten…
Reverse
„Irreversibel“ beginnt nämlich mit dem Abspann. Ja richtig, mit dem Abspann, denn die Handlung wird, ähnlich wie seinerzeit bei „Memento“, vollständig rückwärts erzählt. Am Anfang steht da der extreme Gewaltexzess, gefolgt von der Vergewaltigung der jungen Alex, bis hin zur Vorgeschichte auf einer kleinen Privatparty. Das erfordert beim Zuschauer höchste Konzentration und ist nicht immer ganz unkompliziert, kann uns aber dennoch durchgehend fesseln – auf eine nahezu überirdische Art und Weise. Besonders der außergewöhnliche audiovisuelle Stil kann uns da überzeugen und sorgt mit seiner speziellen Kameraführung dafür, dass wir „Irreversibel“ definitiv nicht mehr vergessen. Ein wenig anstrengend mag es da zwar sein, wenn die Kamera scheinbar wahllos durch die Lüfte fliegt und sich dabei mehrfach dreht, doch durch das Einfangen nur bestimmter Schlüsselimpressionen bleibt das Gesehene umso mehr hängen. Außerdem: Immer dann, wenn die Szenen erst so richtig in Fahrt kommen und wir die härtesten Momente zu sehen bekommen, kann die Kamera auch einmal ruhig stehen bleiben und sich voll auf die knallharten Tatsachen konzentrieren. Das ändert allerdings nichts daran, dass der Film durch und durch ein hyperaktiver Psychotrip voller Exzesse ist, bei denen es uns wundert, dass „Irreversibel“ überhaupt eine Altersfreigabe erhalten hat.
Psychotrip durch die Schwulenszene
Es gibt selten Filme, die wir tatsächlich als „krank“ bezeichnen können. Die meisten Horrorfilme können zwar ordentliche Gore-Szenen hervorbringen, lassen den Zuschauer aber wegen ihrer offensichtlich fiktionalen und oft übertriebenen Handlung meist kalt. Anders „Irreversibel“: Obwohl kein Horrorfilm sorgen die Gewaltexzesse zusammen mit ihrer ekelhaft treibenden Musik für den maximalen Effekt. Bereits die erste halbe Stunde kann uns da schon regelrecht erschüttern und verstören, wenn der Film äußerst ausführlich die Gewalt- und Vergewaltigungsszenen zeigt und sich dabei mit Perversitäten nur so überhäuft. Beinahe in Raserei hat Marcus schließlich nur noch eines im Sinne: Die Rache für den Tod und die Vergewaltigung an seiner geliebten Freundin. Von Minute zu Minute steigert sich dabei seine Wut und er vergreift sich an allem, was sich ihm in den Weg stellt. Besonders der örtliche Sado-Maso-Club hat es ihm angetan und mit maximalem Tempo begibt er sich prompt auf die Suche in den Darkrooms und den BDSM-Räumen. Während die Kamera ebenso durch die Lüfte irrt und dabei nur kurze Momente einfängt, bekommen wir aber auch schon die heftigsten Szenen zu sehen. Da vergnügen sich in der einen Ecke mehrere schwule Männer mit Analsex, während ein paar Meter weiter auch schon die perversen BDSM-Spiele ablaufen und ein weiterer doch glatt von Marcus gefistet werden will. Geschlechtsteile bekommen wir dabei ebenso zu sehen, wie die größten Abgründe der Menschheit bei der Ausübung ihrer Sexualität. Mit anderen Worten: „Irreversibel“ ist knallhart und das verdeutlicht er einmal mehr, wenn Pierre einige Minuten später bereits einen Mann brutal ermordet und ihm mit einem Feuerlöscher sprichwörtlich den Schädel zertrümmert.
Wegsehen im Detail
Die Abgründe der Menschheit präsentiert uns „Irreversibel“ allerdings auch im Detail. So nimmt sich der Film für die Vergewaltigungsszene doch glatt ausführliche zehn Minuten Zeit und hält die Kamera ununterbrochen einfach nur drauf. In Nahaufnahme wird da gezeigt, wie die junge Frau bedroht und ihr das Höschen heruntergezogen wird, anschließend lässt sich der Täter auch noch besonders viel Zeit, sie auf dem dreckigen Boden zu quälen und sie anschließend in den Arsch zu ficken. Auch hier: Der Akt wird vollständig gezeigt und auch Geschlechtsteile sind zu sehen. Im Hintergrund: Eine schwarze Gestalt, die das Geschehen beobachtet und sich kurzerhand wieder umdreht, ohne auch nur darüber nachzudenken, hier einzugreifen. Mit diesen Szenen kann „Irreversibel“, wie kein anderer Film schockieren und treibt sich selbst irgendwann so sehr auf die Spitze, dass selbst der Zuschauer manches Mal einfach nur wegsehen möchte. Doch es sind nicht nur die Gewaltexzesse, die uns berühren, sondern auch die subtile Gesellschaftskritik, die sich stets im Hintergrund abspielt und mit solchen Details, wie dem schwarzen Mann mindestens genauso verstören, wie die Gewaltszenen selbst. Damit macht „Irreversibel“ auf eine kranke Art alles richtig und sorgt dafür, dass wir auch nach der Sichtung noch am Inhalt zu kauen haben.
Fazit:
Mit seinem außergewöhnlichen visuellen Stil, der zu einer reinen Achterbahnfahrt wird, seiner (im positiven Sinne) ekelhaften Musik und der extrem harten Gewalt entwickelt sich „Irreversibel“ zu einem reinen Exzess, der mit einem Rückwärts-Psychotrip beginnt und in verstörend subtiler Gesellschaftskritik endet. Dieser Film ist ein schockierendes Erlebnis.