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Mr. Hurley & die Pulveraffen: Piratenmusik in der Zeche Bochum
Heavysaurus: Dino-Metal für Kinder in Oberhausen
And One: Feinster Synthpop in der Turbinenhalle Oberhausen
Der Tod: Makabre Comedy zum Mitmachen
The Sweet in Bochum: Die 70s Glam Rocker können’s noch
Unter schwarzer Flagge: Goths auf Ausflug mit Lord of the Lost
Ost+Front in Bochum: Die blutigen NDH-Rocker heizten dem Rockpalast ein
Suchtpotenzial in Mönchengladbach: Ein komödiantisches Bällebad für Erwachsene
ASP in Wuppertal: Gothic-Rock kann auch Nobel
No Sisters of Mercy: Kult-Band lässt Konzert in Köln platzen

Archiv fürOktober, 2023


30
Okt

Mr. Hurley & die Pulveraffen: Piratenmusik in der Zeche Bochum

Es ist vielleicht gerade einmal ein paar Jahre her, da wurden sie noch belächelt und spielten auf eher kleineren Mittelalterfesten: Die Piratenband aus dem “karibischen Osnabrück”. Vier Geschwister, die gemeinsam ziemlich witzige und auf gute Laune ausgelegte Folk Music machen, die sie selbst als “Pirate Folk” bezeichnen würden. Heute gehören sie zu den Headlinern auf dem großen MPS, platzieren ihre Alben in den Top 3 der Charts und vor allem: Sie gehen auf eigene Headliner-Tour. So auch am 26. Oktober 2023 in der Zeche Bochum. Und da hatten sie schlagkräftige Unterstützung mitgebracht: Kupfergold, die aktuell einen ähnlich steilen Aufstieg hinlegen, durften das Publikum als Support einheizen – und vor allem belustigen. Ihr Konzept: Schlüpfrig-humorvolle Songs über die Taverne zum “Goldenen Rammler”, von der Schiegermutter mit dem Rhabarber auf dem Kopf und dem passenden Getränk, dem Rammlerbräu. Dass das Publikum hier schon in Feierlaune kommt, noch bevor der eigentliche Headliner die Bühne betritt – wen wundert’s bei solch grandiosen Texten und dem dazugehörigen ebenso grandiosen Sound.

Mr. Hurley und die Pulveraffen - Zeche Bochum

Wenn dann aber endlich Mr. Hurley und die Pulveraffen die Bühne betreten, kann die Party noch umso fetter weitergehen. Aktuell sind sie auf “Leuchtturm”-Tour, wie auch ihr aktuelles Album heißt – und da werden natürlich auch die großen Hits der neuesten Veröffentlichung zelebriert. Der titelgebende Song, gleich ein mitreißendes Trinklied, in dem die Lampen angeschmissen werden und die Band mal wieder davon singt, wie es so ist, im betrunkenen Zustand alles doppelt zu sehen. Auch “Achterbahn am Achterdeck” sorgt für Tempo und eingängige Melodien, die ihre Fans längst mitsingen können und “Mein Charakter” erzählt – ganz so wie es zum Konzept der Auftritte passt – natürlich von den “Unzulänglichkeiten” des Mr. Hurley, von denen die Band wohl so einige zu berichten hat.

Dazu ein grandioses Bühnenbild aus zahlreichen Props und Dekoartikeln, die hervorragend zum Titel der aktuellen Tour und des Albums passen. Im Hintergrund der Leuchtturm mit dem rotierenden Scheinwerfer, durch den die Bandmitglieder die Bühne betreten, hier und da eine Schatzkiste und ein Totenkopf – und dazu natürlich aufwändige piratige Outfits, die sich dem “Corporate Design” der Band hervorragend anpassen. Ein bisschen Kostümparty ist so ein Konzert von Mr. Hurley und die Pulveraffen natürlich auch – und dabei wird sogar gerne mal etwas auf Tuchfühlung gegangen. Akkordeonist Buckteeth Bannock alias Christoph Erichsen ließ es sich sogar nicht nehmen, sich mit seinem Mikrofon einfach in die Mitte des Publikums zu stellen, während die Fans einen riesigen Circle Pit um ihn herum veranstalteten. Der Held der Mitte eben – ganz schön mutig und von den Konzertbesuchern gefeiert.

Mr. Hurley und die Pulveraffen - Zeche Bochum

Kein Wunder, dass so mancher Fan die Auftritte der Band wohl als die besten Konzerte bezeichnen, die sie je erlebt haben. Dass da lautstark (auf etwas andere Art) nach der Zugabe gerufen wird, lässt da nicht lange auf sich warten. Aber die sollen die Fans natürlich auch bekommen, denn das Beste kommt immer zum Schluss: In einem abwechslungsreichen Medley, in das es sogar “Barbie Girl” geschafft hat, darf auch ihr größter Hit “Blau wie das Meer”, der auf Mittelalterfesten immer wieder für eine Polonaise sorgt, nicht fehlen – nebst eines dezenten politischen Statements, das sie zum Schluss auch in ihren Mix einbauen.

Mit der Zugabe dann aber längst noch nicht das Ende: Die vier Bandmitglieder von Mr. Hurley und die Pulveraffen begaben sich im Anschluss noch an den Merchandise-Stand im Vorraum, gaben kostenlose Autogramme (auch auf vor Ort erhältliches Vinyl) und standen für Selfies mit den Fans bereit. Und wer Lust hatte, der durfte auch noch zu einem Bier mit den Musikern anstoßen. Denn für das ein oder andere Getränk ist die Band mit ihren Trinkliedern sowieso immer gerne zu haben. Das ist Fan-Nähe, die zurecht dafür sorgt, dass die Band inzwischen ganz oben in den Charts steht.


30
Okt

Heavysaurus: Dino-Metal für Kinder in Oberhausen

Ganz nach dem Vorbild “Hevisaurus” aus Finnland geht eine 5-köpfige Band in Dinosaurierkostümen auf die Bühne. Warum das alles? “Damit eure Kinder später kein Helene Fischer hören”, so Front-Dino “Mr. Heavysaurus”, der auch unter dem bürgerlichen Namen Michael Voss bekannt ist. Na, wenn es das nicht auf jeden Fall wert ist! Die Eltern aus der Metalszene überzeugt das jedenfalls so sehr, dass das Konzert am 22. Oktober 2023 von der kleinen Turbinenhalle 2 in Oberhausen in die größere Halle 1 verlegt werden musste. Draußen in der Warteschlange: Zahlreiche Eltern in Metal-Kutten, die ihre kleinen Kinder, oftmals im Grundschulalter mitgebracht haben. Und die freuten sich beide gleichermaßen auf das Konzert, denn gespielt wurden überwiegend Coverversionen von Metal-Hits und Rock-Klassikern, die mit kindgerechten Texten mit Dino-Thematik versehen wurden. Ob “Eye of the Tiger” in Dino-Version, oder Queens Klassiker “We will rock you” – da kommen die Jüngsten schon einmal auf den Geschmack des Genres.

Heavysaurus - Turbinenhalle Oberhausen

Das Konzept eignet sich für Kinder unterdessen hervorragend und bietet die perfekte Gelegenheit für den ersten Konzertbesuch mit Kind. Wer hier einfach mal ausprobieren möchte, wie sich das Kind in einer großen Menschenmenge verhält und wie gut das auf so einem Konzert mit Kind funktioniert, bekommt eine absolut sichere Umgebung: Die vorderen Reihen, der sogenannte “Kids Pit”, ist nämlich ausschließlich für die Kinder reserviert. Geschützt durch einen Wellenbrecher, hinter dem sich die Erwachsenen platzieren müssen, können sich die Kinder austoben und haben dabei beste Sicht auf ihre Lieblings-Dino-Band. Und wenn ein Kind mal seine Eltern nicht mehr wiederfindet, gibt es dafür zentrale knallgelb markierte Sammelpunkte, an denen diese sich wieder einfinden können. Die Security achtet zugleich darauf, dass keines der Kinder eigenständig die Halle verlässt und sorgt so für ein sicheres Umfeld.

Auf stark betrunkene Konzertgänger dürfen die Kinder bei den “Heavysaurus”-Konzerten übrigens auch verzichten. Ein kleines Bier für die Eltern gibt es zwar noch, jegliche härteren Spirituosen, die am Vortag bei “And One” noch auf der Getränkekarte standen, wurden aus der Theke allerdings verbannt. Wenn Kinder ein Konzert genießen sollen, muss sich schließlich niemand abschießen – gut so! Der für ein Konzert ungewöhnlich frühe Beginn um 15 Uhr ist aber sowieso ein bisschen zu früh, um schon übermäßigen Alkohol zu trinken. Dafür bieten alle Heavysaurus-Konzerte am Nachmittag einen angemessenen Zeitrahmen, damit auch Kinder, die am nächsten Tag wieder in die Schule müssen, problemlos das Konzert genießen können.

Heavysaurus - Turbinenhalle Oberhausen

Ein kleines Extra gab es an dem Nachmittag aber auch noch für all jene, denen die Dinosaurier noch nicht ausreichten: Zum ersten Mal standen zuvor auch “Blacky’s Kool Katz” als Support auf der Bühne. Die Heavy Metal-Dinos bekamen damit tierische Unterstützung, denn bei den niedlichen Katzen gab es Rock’n’Roll der 50er Jahre auf die Ohren – natürlich präsentiert in hübschen Katzenkostümen. Mit ein bisschen Akrobatik auf dem Kontrabass hatten die Kinder da auch schnell genauso viel Spaß, wie später bei den Dinos. Diese Kinder werden sicher nicht zum letzten Mal auf einem Konzert der Heavysaurus gewesen sein.

Ihr wollt selbst mal mit euren Kindern die Dinos live sehen? Die “Heavysaurus” haben noch zahlreiche Termine vor sich und sind nahezu täglich on Tour. Alle Termine findet ihr unter heavysaurus.de/live


28
Okt

And One: Feinster Synthpop in der Turbinenhalle Oberhausen

Wenn eine Band schon seit den 1980er Jahren auf der Bühne steht, bedeutet das in den meisten Fällen, dass sie ihre Musik mit ziemlich viel Leidenschaft machen. Die Berliner Synthpop-Formation And One feiert damit in diesem Jahr wohl bereits ihr 35. Jubiläum. Der richtige Zeitpunkt also, nicht nur im nächsten Jahr zum Headliner des Amphi Festivals ernannt zu werden, sondern auch auf eigene Headliner-Tour zu gehen. Den Auftakt machte am 21. Oktober 2023 die Turbinenhalle Oberhausen, in der sie vorab von den Dortmundern RROYCE begleitet wurden. Womöglich steht die kleine Band rund um Casi in einigen Jahrzehnten an einer vergleichbaren Stelle: Aktuell sind sie schließlich bei zahlreichen Bands als Support zu sehen, nicht nur bei And One, sondern zuletzt auch bei der ebenfalls langjährig erfolgreichen “Welle Erdball”.

Um And One war es in den vergangenen Jahren allerdings etwas ruhiger geworden. Knapp 10 Jahre ist das letzte Album “Trilogie I”, das es immerhin auf Platz 2 der deutschen Albumcharts schaffte, inzwischen her. Neue Songs gab es deshalb schon etwas länger nicht mehr. Auf der aktuellen Tour hat sich das nun endlich geändert: Sänger Steve Naghavi präsentierte gleich mehrere neue Hits, die es demnächst auf ein Album schaffen sollen. Laut Aussage des Sängers habe er dem Plattenlabel endlich die Freigabe gegeben, ein neues Album zu produzieren, das in einiger Zeit in den deutschen Plattenläden stehen soll. Und das Konzert zum Tour-Auftakt machte da schon deutlich, in welche Richtung es gehen wird: Ähnlich wie in “Bodypop” aus dem Jahre 2006 dürfen sich Fans auf ein melodisch-poppiges Album freuen.

And One - Turbinenhalle Oberhausen

In diesem Stil wurde dann auch das Konzert ausgetragen, das mit einer eher schicken Optik daher kamen. Die sonst etwas zweckmäßig wirkende Halle der Turbinenhalle Oberhausen erstrahlt im schicken Anzug und mit einem roten Theatervorhang hinter der Bühne doch gleich ein wenig opulenter, als Stammgäste das gewohnt sind. Das passt zu alten Hits wie “Killing the Mercy” hervorragend und wenn Naghavi bei “So klingt Liebe” sein Gesangstalent erst so richtig unter Beweis stellt, würden böse Zungen wohl behaupten, es handele sich um Schlagermusik. Die Fans der schwarzen Szene, die an diesem Abend anwesend waren, feiern den Hit aber auch nach 17 Jahren noch sehr ausgiebig und hatten sichtbar Gefallen an dem Song. Eine Besonderheit folgte sogleich: Bei And One wird auch gerne einfach mal die Rollen getauscht und auch Schlagzeuger Joke Jay darf mal an die Front, während Steve Naghavi das digitale Schlagzeug bedient – und sorgt dabei für Überraschungen, wenn er als vergleichbar guter Sänger in Erscheinung tritt.

Am Ende gab es – entgegen den Erwartungen – dann sogar eine Zugabe. Eigentlich seien sie eine Band, die einfach bis zum Ende durchspielen, so Naghavi. Doch “am Ende gewinnen eben doch die Fans”, erst recht, wenn sie laut genug nach einer Zugabe rufen. Dafür hatte sich And One aber auch einen der ganz großen Hits aufgespart: Die “Military Fashion Show”, wahrscheinlich der beliebteste Song überhaupt der Band, darf natürlich nicht fehlen. Stattdessen verzichtete And One allerdings auf ihren etwas umstrittenen Song “Steine sind Steine”. Womöglich möchte Naghavi bei seiner aktuellen Tour auf Kontroversen verzichten, nachdem er während der Corona-Pandemie in die Kritik geriet: Auf dem Facebook-Profil von And One tauchten seinerzeit diverse verschwörungstheoretische Postings auf, die nach kurzer Zeit wieder verschwanden. Laut Naghavi wurde das Profil damals gehackt – prüfen lässt sich die Aussage im Nachhinein nur schwer. Qualitativ bewiesen And One unabhängig davon in der Turbinenhalle Oberhausen allerdings, dass sie zurecht der große Headliner des nächsten Amphi Festivals sind und die Fans lassen sich in ihrer Begeisterung für die Synthpop-Band auch nicht beirren.

And One - Turbinenhalle Oberhausen


24
Okt

Der Tod: Makabre Comedy zum Mitmachen

Ein Mann in einer Kutte betritt die Bühne. Sein Gesicht darunter wird wohl über den gesamten Abend im Verborgenen bleiben. Beim Comedy-Programm Der Tod steht nämlich auch keine Person im Mittelpunkt, sondern eine Figur: Der Sensemann in Person. “Seitdem er auf der Bühne steht, ist die Lebenserwartung der Menschen deutlich gestiegen”, scherzt er an diesem Abend. Auf der Bühne nämlich erscheint er ohne seine Sense, dafür mit viel Humor und Wortwitz. Es ist Freitag, der 20. Oktober 2023 im Fritz-Henssler-Haus in Dortmund und geschätzt rund 100 – 200 Besucher sind an diesem Abend gekommen. Ganz ausverkauft ist es nicht, vielleicht ist es manchen doch noch etwas zu früh, um dem Tod bereits ins Auge zu blicken. Unter den Mutigen befindet sich jedoch ein gemischtes Publikum: Auf der einen Seite sichtbar diverse Anhänger der schwarzen Szene, die den Tod schon einmal auf dem WGT in Leipzig oder einem anderen Szeneevent gesehen haben. Auf der anderen Seite ganz normale Dortmunder jeden Alters, die dem schwarzen Humor eine ganze Menge abgewinnen können.

Darunter sogar ein Betriebsausflug: Der Chef eines Bestattungsunternehmens machte einen Besuch bei der Todes-Comedy zu einem Team-Event für seine Mitarbeiter. Und wer sonst sollte den Tod auf die Bühne begleiten, wenn nicht ein Experte seines Fachs? Die “Deathcomedy”, wie sich “Der Tod” auch gerne nennt, ist nämlich nicht nur reine Stand Up-Comedy, von der es auch reichlich im Laufe des Abends gibt, sondern auch ein kleines Mitmachprogramm. Immer wieder werden zufällige Menschen aus dem Publikum ausgewählt, um bei interaktiven Aktionen mitzumachen. So auch ein Pärchen aus der ersten Reihe, das dem Tod gleich aufgefallen ist: Nach inzwischen 12 Jahren Beziehung durften sie bei einem Spiel auf der Bühne mitmachen, bei dem der männliche Part erraten musste, wie sich seine Partnerin wohl ihren letzten Tag auf Erden vorstellen würde. Ziemlich belustigend für das restliche Publikum wohlgemerkt, denn nicht immer lag der Mann richtig.

Der Tod Comedy

Nicht weniger lustig: Die Anekdoten aus dem Leben des Tods, der offenbar selbst eine kleine Familie hat, die sich bald schon vergrößern wird. Sein “Erzfeind, der Klapperstorch” kam ihm schließlich in die Quere und schwängerte seine Gattin, die “Exitussi”, die auch gerne mal mit ihrem eigenen Gewand auf der Bühne steht. Auf das junge Erstgeborene des Todes mussten wir aber auch verzichten: “Totelini” war in Dortmund ebenfalls nicht dabei. Dafür bekamen das Publikum durch Bilder und Erzählungen einen amüsanten Einblick in den Alltag mit dem “Todeskind”. Etwa, wie sich so ein Kind des Todes wohl im Kindergarten gibt und wie das Zusammenleben mit Gleichaltrigen so funktioniert. Schwarzhumorig, makaber und tief versunken in dieser genialen Rolle.

Zwischendurch überrascht “Der Tod” mit einem recht multimedialen Programm. Obwohl wir hier nur eine einzelne Person in einem Gewand zu sehen bekommen, gibt es die ein oder andere musikalische Einlage als Solo-Künstler. Gesangstalent hat der Sensemann also offenbar auch und da wird so mancher bekannte Hit einfach mit neuen – auf den Tod bezogenen – Texten neu aufgelegt. Selbst im letztjährigen Schlager-Hit “Layla” wird die Puffmama dann kurzerhand zur “Gruftmama” – und wir müssen doch zugeben, irgendwie klingt das besser und unterhaltsamer, als das Original. Wer sich davon selbst einmal überzeugen möchte, der hat dazu nahezu täglich auf der umfangreichen Tour die Gelegenheit. Wo ihr den Tod nämlich in Kürze sehen könnt, erfahrt ihr unter endlich-tod.de


19
Okt

The Sweet in Bochum: Die 70s Glam Rocker können’s noch

Ihre bekanntesten Hits kennt wahrscheinlich jeder: “Ballroom Blitz” stürmte 1973 die Spitze der deutschen Single-Charts, “Fox on the Run” wiederholte diesen Erfolg nur zwei Jahre später. Und tatsächlich: Die legendären Rocker gibt es immer noch. Oder zumindest einen Teil davon. Drei der vier einstigen Gründungsmitglieder weilen nämlich längst nicht mehr unter den Lebenden. Nur noch Andy Scott mit seinen charakteristischen weißen langen Haaren steht noch heute mit der Gitarre auf der Bühne und hält die Erinnerung an die legendären Rockstars der 1970er Jahre aufrecht. Der Rest der Band besteht inzwischen aus neuen Mitgliedern, darunter etwa der großartige Sänger Paul Manzi oder Schlagzeuger Bruce Bisland. Die Fans hält die neue Konstellation aber nicht davon ab, trotzdem reichlich Tickets zu kaufen. Für das Konzert in der Christuskirche in Bochum brauchte es gleich einen Zusatztermin, denn der Samstag war bereits restlos ausverkauft.

The Sweet - Christuskirche Bochum
Gründungsmitglied Andy Scott hält die Kult-Band am Leben

Vielleicht aber sind es nicht nur die zeitlosen Songs, mit denen The Sweet heute noch begeistert, sondern auch die außergewöhnliche Location. Kirchen sind schließlich bekannt für ihre großartige Akustik – und wenn dann auch noch eine solche Band in diesen Gemäuern spielt, kann man sich das schließlich kaum entgehen lassen. Das Publikum teilweise wahrscheinlich genauso alt, wie das Gründungsmitglied Andy Scott. Gestanden und getanzt wird bei “The Sweet” aber trotzdem und zwar von der ersten Minute an. Da stört es auch wenig, dass die Band erst einmal die kleineren Songs spielt, ehe die großen Hits bis zum Schluss auf sich warten lassen.

Vor der Bühne ließ sich unterdessen ein Phänomen beobachten, das doch eher ungewöhnlich ist: Eine Traube älterer Herren versammelte sich mit ihren Smartphones filmend und fotografierend direkt links vor dem Gitarristen. Nicht etwa, wie bei anderen Konzerten über die gesamte Breite der Bühne oder direkt vor dem Sänger. Es scheint, als hätte Andy Scott eine magische Anziehungskraft auf seine Fans. Als wollten die langjährigen Fans ihm noch einmal ganz nah sein, denn “The Last Round” soll auch die Abschiedstour der Band sein. Das letzte Konzert in Bochum also, denn Andy Scott kämpft schon seit einer ganzen Weile mit gesundheitlichen Problemen. Eine zurückliegende Krebserkrankung macht ihm zu schaffen, täglich schluckt er nach eigener Aussage dicke Pillen. Auf der Bühne sieht man ihm das nicht an. Der 74-jährige steht seinen Mann, als wäre er 30 Jahre jünger.

The Sweet - Christuskirche Bochum
Paul Manzi verhilft der Band mit seiner grandiosen Stimme zu einem würdigen Abschied

Vielleicht ist das aber auch der Grund, wieso das Konzert von “The Sweet” mit rund 90 Minuten doch ein bisschen kurz ausgefallen ist. Andy Scott braucht eben inzwischen ein bisschen länger, um sich zu erholen. Das sei ihm gegönnt. Und die Fans waren schlussendlich ja trotzdem glücklich: Bei einer kleinen Zugabe bekamen sie nämlich doch noch ihre Lieblingssongs “Ballroom Blitz” und “Fox on the Run”. In einem perfekten Sound versteht sich, für den auch Sänger Paul Manzi mit seiner herausragenden Stimme sorgt, die dem Original doch bemerkenswert nahe kommt. Ein würdiger Abschied einer Kult-Band.


18
Okt

Unter schwarzer Flagge: Goths auf Ausflug mit Lord of the Lost

Wenn Goths auf einen Ausflug gehen, dann ist der Anblick für Außenstehende eine echte Besonderheit. Bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr fuhren ca. 1300 schwarz gekleidete Menschen mit dem Partyschiff MS Rheinenergie von Köln nach Königswinter, um dabei nicht nur den goldenen Herbst zu genießen, sondern auch einige hochkarätige Bands der Szene live zu erleben. Bildet sich da erst einmal morgens um 11 Uhr die lange Einlassschlange direkt vor der berühmten Kölner Hohenzollernbrücke, ist die Neugierde bei Passanten schnell da. Der Goth, der sich sonst eher in einer Nische bewegt, muss da öfter mal die neugierigen Fragen der vorbeilaufenden Schaulustigen beantworten, die wissen wollen, um was für eine Veranstaltung es sich denn handele. Und wenn auch die meisten Passanten mit der schwarzen Szene nicht ganz so viel anfangen können: Fällt der Name des diesjährigen Eurovision Song Contest-Teilnehmer Lord of the Lost, wissen die meisten dann doch, worum es geht. Endlich: Eine Band der schwarzen Szene, die auch der Mainstream kennt! Das ändert jedoch nichts daran, dass Unter schwarzer Flagge eher ein szeneinternes Familientreffen ist. Das “Klassentreffen des Amphi Festivals”, wie es Sänger Chris Harms von Lord of the Lost so passend ausdrückte.

Bevor es dann am Samstag, dem 14. Oktober 2023 endgültig los ging, musste das Familientreffen aber wirklich erst einmal zelebriert werden. Für eine kleine Panoramafahrt rund um den Kölner Dom, war schließlich eine Stunde Zeit, ehe die erste Band die Bühne betrat. Für die “Goths auf Ausflug” die perfekte Gelegenheit, erst einmal die Freunde zu begrüßen (schließlich kennt man sich in der kleinen Szene), es sich auf dem Oberdeck gemütlich zu machen und das erste erfrischende Weißbier zu genießen. Mit dem Wetter hatten die Fans nämlich Glück: Ein goldener Herbsttag versprach zwar kühles, aber sonniges Wetter und lud zur Mittagsstunde sogar dazu ein, auf dem Oberdeck im Freien die Aussicht zu genießen. Hat das Schiff dann erst einmal abgelegt und macht sich zur Wende in Richtung Königswinter bereit, werden die Schaulustigen, die von der Hohenzollernbrücke herab den zur Pommesgabel geformten Metal-Gruß schicken und jedes Mal vom Anblick der zahlreichen schwarzen Menschen beeindruckt sind, mit dem obligatorischen heftigen Horn des Schiffes begrüßt. Ein Ritual, das bereits seit Jahren zu dem Event dazu gehört. Nun kann es losgehen.

Unter schwarzer Flagge
Heldmaschine überrascht mit Akustik-Gitarre

Keine Stunde später verziehen sich die Goths dann auch schon auf die beiden wärmeren Unterdecks. Da nämlich wartet die Bühne darauf, dass endlich die ersten Bands auftreten können. Auf zwei Etagen haben hier alle 1300 Besucher hervorragende Sicht, selbst wenn der Ausflug Unter schwarzer Flagge, wie an diesem Samstag, komplett ausverkauft ist. Die Freude und die Erwartungen sind groß, denn auch wenn die beliebte Gothic-Rockband Unzucht wegen Krankheit leider absagen musste, sind hier doch namhafte Bands des Gothic und der Neuen Deutschen Härte am Start. Harte Gitarrenriffs versprach schließlich auch schon der erste Act: Heldmaschine, die erst vor kurzem noch mit ihrer Rammstein-Coverband Völkerball auf Tour waren, dürfen die Bühne betreten und das Publikum ordentlich einheizen. Erst in einem ungewöhnlichen Outfit mit LED-Gesichtsmasken sorgen die schon für einen kleinen Augenschmaus. Klar wird schnell: Die Teilnehmer/-innen der Schifffahrt haben Bock. Es dauert nur ein paar Songs, da beginnen die Mitreisenden bereits so heftig an zu hüpfen, dass die MS Rheinenergie bei voller Fahrt zu wippen beginnt – was für einen Katamaran dieser Größe natürlich kein Problem darstellt. Das Megafon wird ausgepackt, die obligatorischen Heldmaschine-Geldscheine ins Publikum geworfen und irgendwann sogar die große Überraschung: Sänger Rene Anlauff schnappt sich die Akustik-Gitarre und spielt plötzlich einen der Songs sogar in akustischer Version. Bei “Unter schwarzer Flagge” gibt es immer wieder die ein oder andere Überraschung, die man so von Festivals nicht kennt.

In ähnlicher Härte ging es dann auch gleich weiter: Als Ersatz für Unzucht, haben nämlich Stahlmann spontan zwei Tage vor dem Event noch zugesagt und sind zugestiegen. Mit silber angemalten Gesichtern werden hier ähnlich heftig die Gitarren gespielt, wie zuvor bereits bei Heldmaschine. Fans des Genres der Neuen Deutschen Härte kamen da ganz besonders auf ihre Kosten. “Es ist schwer, eine andere Band zu akzeptieren”, stellte dabei Sänger Martin Soer fest und bedankte sich dafür, dass die Besucher/-innen dennoch so intensiv mitmachten. Und einen kleinen Trost gab es dann immerhin doch noch: Stahlmann und Unzucht sind nämlich recht eng befreundet. Eine gute Gelegenheit also, Daniel Schulz, den Sänger von “Unzucht” (und neuerdings auch “Oomph!”) einfach mal per Videocall anzurufen und live ein paar Grüße von ihm ausrichten zu lassen. Da lässt sich die Absage aus gesundheitlichen Gründen doch gleich ein bisschen besser verschmerzen. Mit leicht verspäteter Ankunft in Königswinter durften Stahlmann dann sogar noch ein paar Songs länger spielen, um den Reisenden die Zeit bis zum Anlegen etwas zu versüßen.

Unter schwarzer Flagge
Stahlmann mit obligatorischer silberner Gesichtsfarbe

Kurz nach der Ankunft hatten die Besucher/-innen von Unter schwarzer Flagge dann etwa 3 Stunden Zeit, um sich Königswinter und die Umgebung anzuschauen. Das wurde vielfältig genutzt, denn für zahlreiche Freizeitaktivitäten gab es ordentliche Rabatte exklusiv für Unter schwarzer Flagge. Neulinge, die zum ersten Mal bei dem Event dabei waren, nutzen oftmals die Gelegenheit, um mit der Zahnradbahn auf den Drachenfels zu fahren, die wunderschöne Aussicht bis nach Bonn zu genießen und einen Blick auf das märchenhafte Schloss Drachenburg zu werfen. Andere wiederum nutzen die 50% Rabatt für das nah gelegene Siebengebirgsmuseum oder gingen mit ihren Freunden in eines der zahlreichen Restaurants in der Altstadt. Letzteres sorgt ohnehin immer wieder für ein wenig Staunen: Die Bewohner von Königswinter sind es schließlich immer noch nicht gewohnt, plötzlich von über tausend schwarz gekleideten Menschen überflutet zu werden. Ein Glück, sind Goths doch dafür bekannt, recht angenehme Mitmenschen zu sein.

Pünktlich zur Dämmerung um 19:30 ging es dann auch schon wieder zurück in Richtung Köln. Auch dieses Mal: Während der Fahrt durften sich die Teilnehmer/-innen auf gleich zwei Konzerte freuen. Den Anfang machten dabei Erdling und sorgten auch gleich für eine kleine Premiere an diesem Tag: Die Dark Metal-Band trat nämlich als einziger Act mit einer weiblichen Gitarristin auf. Das hält sie allerdings nicht davon ab, genauso fette Gitarrenriffs abzuliefern, wie ihre beiden Vorgänger. Obwohl, vielleicht ein bisschen schon: Im Vergleich zu Stahlmann klingt Erdling dann doch ein wenig melodischer, insgesamt gesangslastiger. So manchem Fan gefällt “Erdling” daher umso besser, haben die Texte vor allem in den jüngsten Songs doch einen überraschenden Tiefgang bekommen.

Unter schwarzer Flagge
ESC-Teilnehmer Lord of the Lost zeigt seine volle Energie als Headliner

Zum Abschluss dann der große Headliner, für den wohl die meisten Besucher/-innen an diesem Tag gekommen sind: Der diesjährige Eurovision Song Contest-Teilnehmer Lord of the Lost durfte in dem familiären Rahmen vor 1300 Menschen spielen – was angesichts der inzwischen Größe der Band sicherlich eine Besonderheit ist. Dabei stand der Auftritt beinahe ein bisschen auf der Kippe: In den Tagen zuvor musste Sänger Chris Harms noch diverse Konzerte absagen, weil er auf Grund einer Atemwegsinfektion an Stimmproblemen litt. Der Auftritt bei Unter schwarzer Flagge war demnach das erste Konzert, das er seitdem wieder gab. Und der nächste Schreck kam gleich zu Beginn immerhin auch dazu: Bei der Abfahrt in Köln fehlte das Merchandise der Band, weil diese sich offenbar so verspätete, dass sie in Königswinter nachträglich zusteigen musste. Allen Hürden zum Trotz: Die überraschend große Energie, die “Lord of the Lost” bei diesem Auftritt auf die Bühne brachte, wird dann wohl trotzdem viele der Besucher begeistert haben – und könnte selbst jene überzeugt haben, die bei “Lord of the Lost” bisher abgewunken haben. Womöglich handelte es sich um eines der besten Konzerte, die die Band jemals gab. Umschlungen von den Fans der eigenen Szene, in der sie groß wurden, ist ein solches Konzert eben doch noch etwas Besonderes.

Gegen 23 Uhr legte das Schiff dann auch wieder in Köln an und entließ die zahlreichen glücklichen Fans in eine kühle Herbstnacht. Die meisten von ihnen werden bereits freudig ein Ticket für die nächste Edition im April zuhause haben. Am 20. April 2024 fährt die MS Rheinenergie nämlich erneut nach Königswinter und hat dann Bands wie Blutengel, Solar Fake, Solitary Experiments und Alienare an Bord. Im April also geht es auf die elektronischere Seite des Gothic. Weitere Infos und Tickets gibt es für 77 Euro unter usf-cruise.de


18
Okt

Ost+Front in Bochum: Die blutigen NDH-Rocker heizten dem Rockpalast ein

Freitag, der 13. Was wäre an einem solchen Tag besser geeignet, als sich blutüberströmte “Schock-Rocker” anzuschauen, die harte Gitarrenriffs in einer eher düsteren, verwinkelten Location spielen? Bereits seit über 10 Jahren steht die 6-köpfige Truppe rund um Patrick Lange, der hier auch gerne das Pseudonym “Herrmann Ostfront” verwendet, auf der Bühne und macht ordentlichen Druck mit ihren Songs aus dem Genre der sogenannten “Neuen Deutschen Härte”. An diesem Abend sollen sie im Rockpalast Bochum auftreten, der kleinen gemütlichen Halle oberhalb des Matrix. Während unten eine andere Metalband spielt, heizen zunächst die “Special Guests”, der Support von Ost+Front das Publikum ein. Erst die Crossover-Punkband 68fl:oz, die für eine knappe halbe Stunde auf die Bühne darf und dabei die Fans noch nicht so ganz vom Hocker reißt. Anschließend b.o.s.c.h., die zwar nichts mit dem Waschmaschinenhersteller gemeinsam haben, dafür aber mit der markanten, kräftigen Stimme von Sänger Max begeistern. Da wird schon klar, in welch harte gitarrenlastige Richtung dieser Abend gehen sollte. In einem relativ engen Rockpalast, der bis auf den letzten Stehplatz an diesem Abend ausverkauft ist.

Ost+Front Bochum

Gleich danach, gegen 21:30 Uhr stand dann auch der Headliner Ost+Front in den Startlöchern. Die Technik zickte zwar zunächst noch ein bisschen rum, die blutigen Horror-Outfits der Band saßen jedoch schon perfekt. Herrmann Ostfront war dabei kein Mann der großen Worte. Seine Lust, mit dem Publikum zu sprechen, hielt sich in Grenzen. Kommunikation fand allenfalls in Form von Texttafeln statt, die Keyboarder “Eva Edelweiß” in die Luft hielt. Das ist aber auch nicht nötig, denn die Fans sind sowieso hergekommen, um ordentlich mit ihren langen Haaren zu headbangen. Die großen Hits aus ihrem ersten Album “Ave Maria” hatten dafür auch schon die richtigen Gitarrenriffs zu bieten. Ein bisschen obszön, manchmal schockierend und immer an der Grenze des guten Geschmacks sind da seit je her Songs wie “Gang Bang” oder “Heimat Erde”.

Böse Zungen mochten schon damals behauptet haben, Ost+Front seien ein “billiger Abklatsch” von Rammstein. Die Ähnlichkeit zum großen Vorbild ist jedenfalls kaum zu überhören. Die Stimme tief, die Gitarren heftig und auch textlich mag man gewisse Anspielungen durchaus erkennen. Der Auftritt allerdings kommt mit weitaus weniger Feuer und Flammen aus, das wäre im kleinen Rockpalast wahrscheinlich auch nicht möglich. Stattdessen wirken die Bandmitglieder eher wie Protagonisten aus den Horrorfilmen der “Saw”-Reihe. Herrmann Ostfront läuft literweise Blut den fülligen Bauch herunter, Bassist Wilhelm Rotlauf betritt die Bühne gleich mit einer eisernen Maske im Gesicht. Und dann wäre da noch Keyboarder und Trommler Eva Edelweiß unter dessen Kleid sich ebenfalls ein männliches Bandmitglied befindet und der immer wieder für den satirischen Unterhaltungswert der Band sorgt. “Ich bin hier unfreiwillig” prangt schließlich auf den Bandshirts am Merchandise-Stand – und so darf Eva Edelweiß für so manche (nicht ganz ernst gemeinte) Erniedrigung des Sängers herhalten. Ob gebückt auf dem Boden oder mit albernem mexikanischem Hut auf dem Kopf: Hier gibt es mehr oder weniger freiwillige Unterhaltung für das Publikum.

Ost+Front Bochum

Nach ganzen 11 Jahren hat die Schock-Wirkung der Band vielleicht ein bisschen nachgelassen, zu lange kennen die Fans der schwarzen Szene die immer nahezu gleiche Bühnenshow schon. Einen reibungslosen Auftritt, bei dem alle ihre bekannten Hits gespielt wurden, gab es am 13. Oktober 2023 aber trotzdem. Am Ende kam die Band nach knapp 1:45 Stunden auch nochmal für mehrere Zugaben auf die Bühne, während schwarze Ballons aus einem riesigen Sack auf das Publikum herabgelassen wurden. Für die Fans ein kleines Fest, auch wenn der gemütliche Rockpalast nur knapp 300 Besucher fasst und sich die Erkenntnis einstellt, dass die mitreißenden Songs – mal abgesehen von “Fiesta de Sexo” – eigentlich alle aus den ersten beiden Alben stammen.


11
Okt

Suchtpotenzial in Mönchengladbach: Ein komödiantisches Bällebad für Erwachsene

Sie sind wieder da: Das selbsternannte “Alkopop”-Duo Ariane Müller und Julia Gámez Martin befindet sich aktuell auf ihrer Comedy-Tour durch Deutschland und hat am 7. Oktober 2023 auch das obligatorische Dosenbier mit ins TIG – Theater im Gründungshaus Mönchengladbach mitgebracht. Ihr Programm: Ein bisschen pöbelnd, oft aber auch herzerwärmend witzige Geschichten, die irgendwie klingen, wie mitten aus dem Leben. Kombiniert mit einem Musikprogramm, das ganz ohne Playback oder Autotune auskommt. Die eine singt, die andere sitzt an ihrem Keyboard – und gemeinsam verpacken sie teilweise recht provokante Witze in ein musikalisch-komödiantisches Gewand. Da geht es mal um die aktuellen Öko-Klischees der jüngeren Generationen, mal um seltsame deutsche Sprachangewohnheiten und mal ziehen sie auch selbstironisch über ihre eigene Generation her.

Suchtpotenzial: Bällebad forever

Suchtpotenzial sind nämlich zwei Frauen zwischen 30 und 43 Jahren, die einfach nicht so wirklich erwachsen werden wollen. Zwei Künstlerinnen, die pöbelnd-provokant feststellen: Es sollte auch viel mehr Bällebäder für Erwachsene geben. Egal in welchem Alter, die Menschen sollten sich einfach mal etwas öfter ein bisschen kindisch verhalten. Und davon handelt im Grunde auch ihr aktuelles Programm “Bällebad forever”, das Recht auf das Kindischsein auch mit 30 oder gar 40 Jahren. Immer verpackt in Songs, bei dem sich das in Mönchengladbach überwiegend etwas ältere Publikum auch einmal ertappt fühlt. Oder ganz schnell merkt: So richtig versteht die Generation Ü50 im TIG nicht mehr, was die Jugendlichen von heute da eigentlich so von sich geben. Mit gelungenen Gags erinnern Suchtpotenzial ihre Besucher daran, sich doch auch mal wieder etwas mehr für jugendlichen Blödsinn zu öffnen.

Dabei scheißen Suchtpotenzial auch ein Jahr nach ihrer grandiosen “Sexuelle Belustigung”-Tour noch immer darauf, was vom weiblichen Geschlecht wohl eigentlich erwartet wird. Immer wieder versuchen die beiden sich in ihren Gags maximal “un-ladylike” zu verhalten, gegen vermeintliche (weibliche) gesellschaftliche Konventionen zu verstoßen und ihrem Publikum zu verdeutlichen, dass sie als Frau eben genau die gleichen negativen Dinge tun, wie sie den Männern immer wieder vorgeworfen werden. Neben ein paar Highlights wie einem zynischen Song über das Mittelalter oder den heutigen Mittelalterfesten, mochten die Gags aber nicht alle ganz so sehr zünden, wie noch im vorherigen Jahr. Die großen musikalischen Comedy-Hits mussten also nachgeholt werden: Kracher, wie “Genauso Scheiße” oder “Ficken für den Frieden”, die ursprünglich aus Vorjahresprogrammen stammen, mussten ihren Platz also in der Zugabe finden. Und dabei wurde schnell klar, dass für die meisten Besucher hier die eigentlichen Highlights zu hören waren. Suchtpotenzial sind weiterhin mit zahlreichen Stationen auf Deutschland-Tour. Wo ihr sie selbst einmal erleben könnt, erfahrt ihr hier: suchtpotenzial.com/termine

Suchtpotenzial: Bällebad forever


11
Okt

ASP in Wuppertal: Gothic-Rock kann auch Nobel

Die Fans aus der schwarzen Szene in NRW sind eigentlich kleine, ranzige Hallen gewohnt, in denen früher einmal die Industrie noch fleißig Waren produziert hat. Gerade deshalb freut man sich in der Szene oftmals umso mehr, wenn die Location dann doch ein wenig mehr her macht. Die Historische Stadthalle in Wuppertal gehört unter den Konzerthallen in NRW schon generell eher zu den Luxus-Locations. Schon die wuchtige Außenfassade mit ihrem hübschen Sandstein zählt zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt Wuppertal. Und wo sonst das Sinfonieorchester unter riesigen Kronleuchtern spielen darf, ist es ein ganz spezieller Anblick, wenn plötzlich tausende vollständig in schwarz gekleidete Menschen den Saal befüllen. Manche Bands der schwarzen Szene sind allerdings so beliebt, die haben sich eine derartige Kulisse schon verdient. Die Gothic-Rock-Band ASP rund um Sänger Alexander Frank Spreng, die am 22. September 2023 hier auftreten durfte, gehört eindeutig dazu.

Bei der Weltunter Horrors Tour – der Name bezieht sich wohl auf das “Weltunter”-Album aus dem Jahre 2003 und das aktuelle Album “Horrors”, das Anfang September erschienen ist, um damit die mehr als 20 Jahre lange Karriere der Band zu betonen – wurde schon gleich zu Beginn auch für die Optik einiges geboten. Nicht nur das opulente Erscheinungsbild des großen Saals macht da nämlich einiges her, sondern auch Outfits und Make Up des Sängers. Im langen Gothic-Mantel und mit leicht dämonisch angehauchter Gesichtsbemalung möchte ASP den Bezug zur Gothic-Szene nämlich auch optisch ersichtlich machen. Gespielt wurde dann auch genau das, was beiden Alben her gaben: Die zwölf Titel des “Weltunter”-Albums fanden alle ihren Platz während der Show. Bei manchem Song kam da die Akustik der Halle, die bundesweit von zahlreichen Künstlern geschätzt wird, sogar besonders zur Geltung. Alexander Frank Spreng klang doch hin und wieder gar wie ein professioneller Tenor, der mit perfekter Akustik brillierte.

ASP @ Historische Stadthalle Wuppertal

Für langjährige Fans, die schon seit der Geburtsstunde des damaligen Albums dabei sind, war der Auftritt in Wuppertal ohnehin eine Besonderheit. Manche Songs wurden hier gar zum ersten Mal überhaupt live auf einer Bühne gespielt und Sänger Spreng musste sogar gelegentlich darauf hinweisen, dass eben einige Stücke in seiner “Sturm und Drang-Zeit” entstanden seien und für ihn damals noch eine andere Bedeutung hatten. Manche Titel waren wohl sogar nie für eine Live-Performance vorgesehen, schafften es damit aber nun dennoch endlich auf die große Bühne. Auf der anderen Seite dann neue Songs aus dem “Horrors”-Album, das nach seinem Erscheinungstermin am 7. September 2023 dann ebenfalls auf der aktuellen Tour zum ersten Mal live performt wurde. Der umfangreiche Auftritt in Wuppertal, bei dem die Band sogar recht großzügig die Spielzeit überzog, war also ein Konzert der Vielfalt, das selbst Fans der ersten Stunde noch reichlich Freude bereiten durfte.

Und natürlich geht am Ende kein ASP-Konzert, ohne dass auch einer ihrer allergrößten Hits gespielt wird: “Ich will brennen” stammt schließlich auch vom alten “Weltunter”-Album. Und wie es bei jedem Konzert der Band üblich ist, forderten die Fans diesen zur Zugabe natürlich auch lautstark ein. Zur Freude des Publikums, wurde ihr Wunsch zu guter Letzt aber auch erfüllt, bevor sie glücklich in die Wuppertaler Nacht entlassen wurden.

ASP @ Historische Stadthalle Wuppertal


10
Okt

No Sisters of Mercy: Kult-Band lässt Konzert in Köln platzen

Sie waren einst eine der großen Kult-Bands der 1980er Jahre. Ihr größter Hit “Temple of Love” landete in den Top 5 der deutschen Single-Charts. Doch die aktuelle Tour steht bisher unter keinem guten Stern. Bereits in den Vortagen machte die Kult-Band mit negativen Schlagzeilen auf sich aufmerksam. Eines ihrer Konzerte wurde nach 40 Minuten ohne Vorwarnung abgebrochen, weil Sänger Andrew Eldritch plötzlich einfach von der Bühne verschwand. Bei einem anderen Konzert warf Eldritch kurzerhand seinen Gitarristen von der Bühne, mit dem es offenbar bereits Streit gab. Und jetzt das: Beim Konzert am 8. Oktober 2023 im Kölner E-Werk erschien die ganze Band gleich gar nicht auf der Bühne und ließ enttäuschte bis wütende Fans zurück.

Platzhalter

Es war bereits 21:30 Uhr, der Support The Virginmarys hatte sein Set bereits vollständig gespielt und wurde positiv vom Publikum aufgenommen. 30 Minuten, nachdem der geplante Auftritt von The Sisters of Mercy eigentlich beginnen sollte, betrat ein älterer Herr die Bühne, der offensichtlich nicht zur Band gehörte. “Es ist nicht das, was ihr denkt”, verkündete er. “Ihm geht es wirklich nicht gut”. Mit diesen Worten teilte er den zahlreichen Besuchern der ausverkauften Halle mit, dass The Sisters of Mercy an diesem Abend nicht spielen werden. Was die Fans denken: “Der liegt besoffen irgendwo in der Ecke”, wüteten manche Fans beim Verlassen der Halle. Andere nahmen den Ausfall der Show mit Fassung, nachdem sie durch die Schlagzeilen der Vortage bereits mit einem solchen Vorfall rechneten. Andere wiederum waren stinksauer, weil sie extra aus Belgien anreisten, wie einige Besucher aus der ersten Reihe berichteten.

Was wirklich mit Sänger Andrew Eldritch los ist, weiß zum aktuellen Zeitpunkt niemand. Von einem “medizinischen Notfall” war wenige Tage zuvor bei einem abgebrochenen Konzert in Berlin die Rede. Die Gerüchte hingegen reichen von Alkohol-, über Drogenprobleme bis hin zu “der hat einfach keinen Bock”. Die Zukunft von The Sisters of Mercy ist damit allerdings ungewiss. Die nächsten Konzerte, etwa in Wiesbaden, wurden dieses Mal bereits im Vorfeld abgesagt. Bei den Fans bleibt seit Köln nur noch Verwunderung, wie der Sänger denn erst ganze 2,5 Stunden nach Einlass wissen könne, dass er krank sei. Die Demontage einer einstigen Kultband hat damit begonnen. Laut Veranstalter FKP Scorpio soll es einen Nachholtermin geben, die Tickets behalten ihre Gültigkeit. Wann dieser stattfinden soll, ist bisher ebenso unklar, wie die Frage, ob ein möglicher Nachholtermin nicht sogar wieder ausfallen würde. Einige Wochen Ruhe werden Sänger Eldritch aber sicherlich nicht schaden, um seine Probleme, welcher Art sie auch sein mögen, in den Griff zu bekommen.

Update: Ein Nachholtermin wurde inzwischen auf den 21. Januar 2024 terminiert und soll im Carlswerk Victoria in Köln stattfinden. Tickets behalten ihre Gültigkeit oder können laut Veranstalter bei der Verkaufsstelle zurückgegeben werden.