Jon North ist erfahrener amerikanischer Scharfschütze, der in geheimer Mission ins ferne Georgien gesendet wird. Dort soll er gegen prorussische Separatisten kämpfen und die Lage im Land möglichst unter seine Kontrolle bringen. Vor allem Kriegsverbrecher und diverse weitere Anführer der Separatisten stehen dabei auf seiner Abschussliste, während er als hochqualifizierte Ein-Mann-Armee durch die Wälder streift. Doch das ist länger nicht alles: Mitten in einem seiner Aufträge stellt er erstaunt fest, dass er nicht gänzlich allein in Georgien ist. Ein weiterer, mindestens gleichermaßen fähiger Scharfschütze kommt ihm in die Quere und beweist ihm, dass er einen ebenbürtigen Gegner hat. Nach und nach stellt sich die Frage, ob nicht sein Bruder sich ebenfalls innerhalb des Zielgebietes befindet und ob die sagenumwobene Geheimorganisation „Gesellschaft 23“ wohl ihre Finger mit im Spiel hat. Dumm nur, dass Jon noch gar nicht ahnt, mit welchen Methoden seine Gegner womöglich arbeiten und dass sich die Rollenverteilung in Georgien gewaltig ändern könnte…
Kritik:
Einige Monate nach dem Release des gelungenen „Sniper Elite 4“ darf natürlich auch die zweite Spielereihe um Scharfschützen nicht fehlen. Nach den eher durchwachsenen Vorgängern der „Sniper Ghost Warrior“-Reihe setzen die Entwickler auf zahlreiche Änderungen. Endlich sollen wir in einer offenen Welt kämpfen und möglichst viele Freiheiten erhalten. Und diese Rechnung geht tatsächlich auf.
Inspiriert von Far Cry
Insgesamt sind wir dabei auf drei verschiedenen Maps unterwegs, die allesamt in Georgien spielen. Einerseits das Gebiet mit der Bergbaustadt, in der vor allem große Bergbauminen das Bild prägen, dann aber auch in einer schneebedeckten Berglandschaft und in einer kleineren Karte, in der spannende Dörfer auf uns warten. Man kann sicherlich nicht leugnen, dass „Sniper Ghost Warrior“ sich dabei ein wenig von anderen erfolgreichen Spielen inspirieren lässt und diverse Spielelemente übernimmt. Die offene Welt erinnert mit ihren kleinen holprigen Feldwegen und den feindlichen Außenposten nämlich nur allzu sehr an die letzten „Far Cry“-Spiele, während vor allem der Erkundungsmodus, bei dem wir auf die Suche nach wichtigen Hinweisen und Fußspuren gehen, eher an „The Witcher 3“ erinnern mag. In Kombination mit einem Scharfschützen-Gameplay funktioniert das allerdings hervorragend.
Übersicht und Planung
Die offene Welt fügt sich nämlich hervorragend ins Gameplay ein, wenn wir feststellen, dass uns „Sniper Ghost Warrior 3“ möglichst viele Freiheiten gewährt. Man möchte uns gar nicht zu sehr an die Hand nehmen, sondern gibt uns – abgesehen vom Prolog – lediglich Missionsziele, die wir nach Belieben lösen können. Für den Spieler heißt das selbstverständlich eigene Planung: Wir müssen uns selbst die Übersicht verschaffen, Gegner markieren, bei Bedarf eine geeignete Scharfschützenposition finden und dann über die Reihenfolge unserer Abschüsse selbst entscheiden. Und das macht den eigentlichen Reiz aus. Die Drohne ist dabei das wohl wichtigste Hilfsmittel und gibt uns einen Überblick über Gegnerpositionen, Hinweisen und bei Bedarf auch technische Gimmicks wie Infrarotansicht – kann jedoch auch von Gegnern entdeckt werden. Und obwohl die Drohne durchaus geeignete Positionen für uns vorschlägt, sind wir nicht an diese gebunden: Scheint ein Platz geeignet, um den Gegner ins Visier zu nehmen, liegt es ganz an uns, ob wir von dort aus agieren möchten. Spannend.
Abwechslungsreiche Missionen
Die Missionen sind dabei auch keineswegs eintönig, sondern bieten stets hohe Abwechslung. Manchmal hängen mehrere Missionen sogar direkt zusammen, was vor allem für die gelungenen Nebenmissionen gilt. Dabei müssen wir gelegentlich nur ein einziges Ziel töten, ein anderes Mal einen Computer innerhalb des Zielgebiets hacken oder diverse Informationen von den Gegnern stehlen. Hier kommt auch zum Vorschein, wieso das Spiel „Sniper Ghost Warrior“ heißt. Denn nach dem snipern unserer Gegner, müssen wir manchmal auch das Zielgebiet infiltrieren und möglichst unentdeckt als „Ghost“ vorgehen. Klappt das nicht, gehen wir nahtlos in den „Warrior“-Modus über und bekämpfen den Feind im Nahkampf.
Waffen und Gadgets
Immer mit dabei: Drei verschiedene Waffen, die uns in der jeweiligen Situation zur Verfügung stehen. Dazu gehört selbstverständlich ein Scharfschützengewehr, das wir auf umfangreiche Weise mit verschiedener Ausrüstung erweitern können. Zielfernrohr, Visier, Schalldämpfer oder auch Magazingröße ist dabei austauschbar und kann je nach Spielweise angepasst werden. Ähnlich gilt auch für die Maschinenpistole, die uns im Nahkampf gegen mehrere Gegner effektiv zur Seite steht und die leise schallgedämpfte Pistole, die vor allem für verdecktes Vorgehen taugt. Wem das nicht reicht, der darf natürlich auch nützliche Gadgets nach seinen Vorlieben ausstatten. Bis zu sechs Ausrüstungsslots stehen uns dabei zur Verfügung – aber weit mehr Gadgets. Ob wir also mit Granaten ins Gefecht gehen, oder lieber mit Infrarotsicht und Wurfmessern – ganz unsere Entscheidung. Dem Spieler überlässt man dabei die Wahl, ob er lieber als Sniper, Ghost oder Warrior vorgehen möchte – oder alles kombiniert.
Dreigliedriges Skillsystem
Hier fügt sich auch das Skillsystem mit seinen drei verschiedenen Talentbäumen ein, das ebenso namensgebend in Sniper, Ghost und Warrior unterteilt ist. Interessant dabei: Erfahrungs- und Skillpunkte sind abhängig von unserer Spielweise. Für Erfolge mit dem Scharfschützengewehr gibt es etwa Sniper-Erfahrungspunkte, für Erfolg im Nahkampf wiederum Warrior-Erfahrungspunkte. Für jeweils 1000 Erfahrungspunkte folgt dann ein Skillpunkt, mit dem wir eine von jeweils neun Fähigkeiten freischalten können. Spätestens im fortgeschrittenen Spielverlauf wird aber auch die Schwäche des Spiels ersichtlich: Wer beispielsweise bevorzugt mit dem Scharfschützengewehr unterwegs ist – weil es sich bei dem Spiel nunmal primär um ein Scharfschützenspiel handelt – der wird irgendwann seine Sniper-Skills komplett voll haben und kann seine zahlreichen überschüssigen Skillpunkte nicht in anderen Talentbäumen einsetzen, während Ghost- und Warrior-Skills oft noch frei sind. Das ist insgesamt etwas schade, da anhand der Ausrichtung des Spiels praktisch vorherbestimmt ist, welche Erfahrungspunkte wir am ehesten sammeln.
Aussetzer bei KI
Man kann insgesamt also feststellen: „Sniper Ghost Warrior 3“ macht vieles anders als seine Konkurrenz „Sniper Elite 4“. Einiges davon durchaus besser, anderes allerdings wiederum auch schlechter. So etwa die KI der Gegner, die nicht so gut reagiert. Oft ist sie schlicht nicht in der Lage uns ausfindig zu machen – wenn doch, findet sie uns allerdings umso schneller und beschießt dann gleich mit Mörsern auf die richtige Position. Eine Erklärung gibt es dafür mitunter zwar schon, denn die Berechnung der Flugbahn anhand gefundener Leichen wäre denkbar – für viele Spieler bleibt aber völlig unklar, wieso der Gegner uns so schnell ausfindig machen kann. Andererseits werden Mörser nicht mehr neu besetzt, nachdem der Bediener erschossen wurde und die KI nimmt auch keine Verfolgung außerhalb des Missionsgebietes auf. Einmal den Gegner alarmiert, reicht einfaches Abwarten meist aus. Zumal auch auf Geräusche kaum reagiert wird. Das Ausnutzen von Umgebungsgeräuschen, wie etwa bei „Sniper Elite“ fehlt also völlig.
Geister auf Distanz
Und obwohl die offene Welt spielerisch zahlreiche Vorzüge bietet, stellen wir aus technischen Gründen allerdings auch einen Nachteil fest. Der hängt nämlich offenbar mit der Performanceoptimierung zusammen, die dafür sorgt, dass bestimmte Objekte auf hoher Distanz nicht mehr dargestellt werden. Dummerweise betrifft das mitunter auch Gegner, die unter Umständen erst bei kürzerer Distanz spawnen. In den Missionen fällt dies oftmals noch weniger auf, da das Missionsgebiet selbst in der Regel auf höherer Entfernung dargestellt wird – sobald wir uns allerdings auf die Jagd nach „Meistgesuchten“ machen und somit nicht mehr in einem eingegrenzten Gebiet agieren, wird das Problem deutlich: So kann man Gegner beispielsweise auf 500 Meter Distanz durch das Zielfernrohr nicht mehr sehen, erkennt bei Einsatz der Drohne allerdings, dass sie beispielsweise bei 200 bis 300 Metern Distanz plötzlich erscheinen. Bei einem Scharfschützen-Shooter ein durchaus nicht unproblematisches Phänomen – wenngleich die aktuellsten Patchnotes darauf hinweisen, dass die Entwickler zumindest an diesem Problem arbeiten und Besserung versprechen. Die Performance des Spiels wiederum ist dafür ausgesprochen gut optimiert.
Spannende Nebenmissionen
Apropos Missioen: Eine Sache fällt hier sehr positiv auf, denn in „Sniper Ghost Warrior 3“ sind nicht nur die Hauptmissionen überaus gelungen. In unserem Test stellten wir fest, dass auch die Nebenmissionen diesen in Sachen Umfang in nichts nachstehen und über ebenso spannende, sowie oft auch abwechslungsreiche Aufgaben verfügen. Hier kann es sogar einmal richtig spannend werden, wenn wir etwa als Scharfschütze aus der Entfernung einige andere Soldaten unterstützen, die das Gebiet infiltrieren. Wir sind spätestens in den Nebenmissionen also nicht immer allein unterwegs, was die Figuren insgesamt interessanter erscheinen lässt, als beispielsweise bei „Sniper Elite 4“. Eines steht jedoch fest: In diesem Spiel bekommen wir keine monotonen Muster bei Nebenmissionen geboten, sondern die Entwickler stecken viel Liebe zum Detail ins Missionsdesign, was dazu führt, dass am Ende niemand die Nebenmissionen auslassen möchte.
B-Film lässt grüßen
Da kann man dann auch leicht darüber hinweg sehen, dass die Story doch insgesamt ein wenig an einen klassischen B-Actionfilm erinnert. Dass ausgerechnet der eigene Bruder sich auf Feindesseite im Zielgebiet befinden soll und natürlich schlagkräftige Agentinnen uns zur Seite stehen, ist dann mitunter doch etwas sehr an der Nase herbei gezogen. Dass eine gehörige Portion amerikanischer Patriotismus natürlich ebenso wenig fehlen darf, sollte somit kaum verwundern. Wer hier also eine tiefgehende Story um das amerikanisch-russische Verhältnis sucht, der wird insgesamt schwer enttäuscht werden. „Sniper Ghost Warrior 3“ konzentriert sich dann doch mehr aufs Gameplay, als darauf, eine gute Geschichte zu erzählen. Dementsprechend sehen dann allerdings auch die Zwischensequenzen aus, deren Grafik innerhalb der Videos dann doch wesentlich schlechter ausgefallen ist, als das Spiel selbst. Da das Spiel selbst aber ohnehin am meisten Spaß macht und die Zwischensequenzen auch nicht überwiegen, kann man das durchaus verschmerzen – verwundern darf es aber dennoch, dass man nicht auch solche Kleinigkeiten dann zuletzt noch abgerundet hat.
Hübsches Georgien
Zumal der Shooter ansonsten auch tatsächlich gut und zeitgemäß aussieht. Vor allem in den höchsten Grafikeinstellungen kann „Sniper Ghost Warrior 3“ schließlich mit scharfen Texturen und einer wirklich hübschen Flora überzeugen. Selbiges gilt auch für die durchweg gelungenen Beleuchtungseffekte, die das Spiel zu jeder Tageszeit realistisch aussehen lässt. Hier und da mag es zwar ein paar Schwächen geben, etwa bei der häufigen Wiederholung von gegnerischen Figuren oder etwa die nicht immer überzeugende Darstellung von Tieren, als störend wird das aber eher noch nicht empfunden. Da fällt dann schon eher das hin und wieder schwächelnde Anti-Aliasing oder gelegentliche weiße Texturränder an einigen wenigen Stellen auf. Sieht man dann hingegen wiederum die hervorragenden Regen- und Wassereffekte, oder die zum Teil hübsch gestalteten Außenposten, gleicht sich aber auch das wiederum aus. Generell ist das Spiel damit zwar noch keine Grafikreferenz, kann aber durchaus als „hübsch“ angesehen werden.
Fazit:
Die neue offene Welt und das umfangreiche Missionsdesign machen sich bezahlbar: „Sniper Ghost Warrior 3“ ist somit der bisher beste Teil dieser Spielereihe und punktet mit taktischem Gameplay, vielen Freiheiten und reichlich Abwechslung bei den Missionen. Da kann man auch über kleinere Schwächen etwa bei der KI schnell hinweg sehen und Fans des Scharfschützen-Genres werden viel Spaß haben.