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Dez
11 Jahre Schwarze Nacht: Ein Geburtstag im Projekt 42
Dem Konzept blieb die Schwarze Nacht treu, für die Geburtstagsfeier setzte man aber nochmal einen drauf: Bereits früher war es üblich, dass bei jeder Schwarzen Nacht – trotz der geringen Kapazitäten für nur 120 Besucher – gleich drei Bands der Szene spielten. So manch namhafter Act gab sich die Ehre, ein solch außergewöhnlich privates Konzert spielen zu dürfen, das man fast schon als “Wohnzimmerkonzert” hätte bezeichnen können. Beim 11-jährigen “Jubiläum” sollten es gleich fünf Bands sein, mit denen der Abend zelebriert wurde. Doch das war zugleich auch ein Kraftakt: Während die Heimat-Location Kultube unter einem Wasserschaden litt, mussten “Sea of Sins” aus gesundheitlichen Gründen ihren Auftritt absagen. Derartig kurzfristig einen Ersatz zu organisieren, glich einer Meisterleistung – und die “Schwarze Nacht” liefert gleich noch ein spannendes Extra mit.

Super Dragon Punch!! sprangen kurzfristig für Sea of Sins ein
Dass Sänger Erk Aicrag am späteren Abend mit Rabia Sorda spielen sollte, war dann doch ein ziemlicher Glückstreffer. Denn wie der Zufall es so wollte, veröffentlicht der Mexikaner aktuell sein erstes eigenes Buch unter dem Titel “Pingo”. Warum also auf einem Konzertabend nicht auch mal eine Lesung einlegen? Auf Festivals ist das ja schließlich auch üblich. Den Sänger, der sonst eher mit härterer Musik am Start ist, einmal mitsamt Lesebrille auf der Bühne zu sehen, während er (natürlich auf englisch) ein Buch liest, war dann doch ein seltener und außergewöhnlicher Anblick. Noch dazu ziemlich exklusiv: Regulär sind Lesungen von ihm nämlich nicht geplant.
Eine Ersatzband für Sea of Sins gab es trotzdem: Die Newcomer Super Dragon Punch!! sind schließlich kurzerhand eingesprungen und freuten sich sichtlich über ihren Auftritt. Als selbst in der Szene noch recht unbekannte Band hatte das Duo so die Möglichkeit, ihre Songs einem neuen Publikum vorzustellen, das ohnehin recht offen für kleinere Bands und Projekte ist. Ein bisschen härter wurde es auf der Bühne dann allerdings: Während Sea of Sins eher für melodischen Synthpop bekannt sind, gab es hier deutlich härtere elektronische Beats. Und wenn Keyboarderin Sabrina Zen auch noch ihre Engelsflügel auspackt, bekam das Publikum auch noch etwas für das Auge geboten.

Rabia Sorda heizten mit mexikanischem Industrial Metal das Publikum ein
Um die Gesundheit stand es derweil bei einigen Bands nicht ganz so optimal, denn selbst beim zweiten Act kam es zu Einschränkungen: Die Synthpop-Band All the Ashes konnte ausnahmsweise nur zu zweit auftreten. Bandmitglied Carsten war zwar bei dem Event anwesend, konnte wegen einer Schulterverletzung aber auf keinen Fall ein Instrument spielen. Absagen wollten sie aber trotzdem nicht und so ging es eben zu zweit auf die Bühne des Projekt 42. Da konnten sie vor allem mit einem überragend klaren Gesang punkten und insbesondere mit ihrem Hit “Schwarz macht schlank” begeistern.
Nach dem eher softeren Synthpop schlugen System Noire eine deutlich härtere Gangart in Richtung Aggrotech ein. Längst keine Unbekannten in der Szene mehr, erinnert ihr recht derber Sound ein wenig an Szene-Größe “Combichrist”. Dass sie auf deren Tour auch mal als Support auftreten, verwundert da wenig. Bei 11 Jahre Schwarze Nacht stellten sie unter Beweis, dass sie längst auch ihre ganz eigene Fanbase haben. Nicht zuletzt auch wegen Songs wie “Lost Control”, bei denen das Zusammenspiel aus harten elektronischen Beats und E-Gitarre besonders zur Geltung kommt.

Gothic mit künstlerischem Anspruch: Das Ich wirft einen Blick in die inneren Abgründe
Genrewechsel dann, als Erk Aicrag nochmal auf die Bühne darf, dieses Mal mit seinem Industrial Metal-Projekt Rabia Sorda. Der Sänger, der sonst mit seinem Electro-Projekt “Hocico” bekannt ist, hatte es an diesem Abend wahrlich nicht leicht: Bei seinem Auftritt tropfte es im Projekt 42 plötzlich von der Decke und die Bühne wurde etwas rutschig – nicht gut für den Mexikaner, der wie ein “Duracell-Häschen” über die Bühne hüpft. Das muss er aber auch, denn der harte Sound von Rabia Sorda gibt ganz schön Gas und so ziemlich schnell auch das Publikum. Spätestens mit ihren großen Hits “King of the Wasteland” und “Deaf” konnte sich die feiernde Menge kaum noch halten. Ein bisschen Pech hatte Erk Aicrag dann trotzdem: Er verletzte sich nicht etwa auf der rutschigen Bühne, sondern später beim Verlassen der Halle. Offenbar hält ihn das aber nicht davon ab, trotz Knöchelschiene weiter auf der Bühne zu stehen – Rabia Sorda stoppt eben niemand so schnell.
Last but not least wurde es dann gar noch ein wenig künstlerisch anspruchsvoller, als Headliner Das Ich rund um Frontmann Bruno Kramm, die Bühne betrat. Schon die abgefahrenen Outfits sind ein Hingucker, der zeigt, dass es sich bei Das Ich mehr um ein vollumfängliches Kunstprojekt, als eine reine Band handelt. Da steckt auch ein Konzept hinter: Hinter den elektronischen Klängen der Neuen Deutschen Todeskunst steckt eine Auseinandersetzung mit den eigenen inneren Abgründen. Ihre großen Hits wie “Kannibale”, “Destillat” oder “Lazarus” haben schon fast Züge, die an Friedrich Nietzsche erinnern. Gothic kann eben auch Anspruch, Lyrik und Psychologie. Und das weckt schon seit den 90igern einige Faszination bei den Goths. Erst recht in diesem kleinen, intimen Rahmen, wie ihn das Projekt 42 schafft. Der Blick ins eigene Innere präsentiert sich auf der kleinen Bühne doch intensiver, als auf den großen Festivals.
Fotos: Rene Daners

