Auf dem Kopfhörermarkt kennen wir die üblichen Platzhirsche. Sony, Sennheiser, Bose und wie sie alle heißen. Doch da gibt es noch dieses kleine Startup aus Finnland, das hierzulande noch ziemlich unbekannt ist, aber mit recht provokativem Marketing auffällt: Valco. Valco? Noch nie gehört? Dann ist das vielleicht ein Name, den man sich in Zukunft ein bisschen stärker merken sollte. Eine große Klappe hat man da oben im kühlen Finnland jedenfalls schonmal: Für 169 Euro soll es einen Kopfhörer geben, der angeblich in der Liga der 250 – 300 Euro Preisklasse mindestens spielen soll. Dazu auch noch mit Bluetooth und Active Noise Cancelling. Valco macht schon ganz schön große Versprechen.
Newcomer aus Finnland
Mit ein bisschen Skepsis bin ich zunächst an die Sache heran gegangen. Marketing kann ja viel versprechen, was dann am Ende vielleicht doch nicht gehalten wird. Trotzdem war ich neugierig und wollte mir selbst ein Bild machen. Genau eine Woche hat das Paket aus Finnland gebraucht, bis es quer durch Europa geliefert wurde. Der erste Eindruck nach dem Auspacken zunächst durchaus positiv. In einer schicken Kopfhörertasche, die man bei vielen Konkurrenzprodukten extra kaufen müsste, wird der Valco VMK20 ausgeliefert. Gut geschützt und mit einem kleinen Vorwort von Jasse Kesti vom finnischen Studio Kesthouse Mastering, mit dem Valco bei der Entwicklung dieses Kopfhörers zusammengearbeitet hat – das hält das Marketing auf jeden Fall schon einmal, was es verspricht.
Hersteller mit nordischem Humor
Den Reisverschluss aufgezogen und einen ersten neugierigen Blick in das Case geworfen. Der Eindruck bleibt weiter positiv: Der Kopfhörer liegt gut geschützt in den dafür vorgesehenen Vertiefungen für die Ohrmuscheln. Ein USB-C-Kabel für das Aufladen des Akkus wird mitgeliefert, ebenso ein 3,5 mm Klinke-Kabel und ein Flugzeugadapter. Und dann die erste große Erheiterung: Ich entdecke das „User Manual for Dummies“. Ein kleines weißes Heft, das humorvoll darauf hinweist, nicht als Toilettenpapier zu eignen, da es andernfalls rektalen Schaden anrichten könnte. So ganz ernst nehmen sich die Finnen bei Valco offenbar nicht, denn von der Webseite bis zur Anleitung kommt hier alles ziemlich humorvoll daher. Die Anleitung ist dann auch mehr ein Comedyheft, als eine wirklich ernstzunehmende Anleitung. Das ist nicht weiter schlimm, denn wer braucht schon eine Anleitung für einen Kopfhörer? Immerhin: Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich eine solche Anleitung, die hier ausdrücklich nur in „fast deutsch“ vorliegt, vollständig durchgelesen – und mich dabei erst einmal die nächste halbe Stunde vor Lachen nicht mehr eingekriegt, bevor ich auch nur daran denken konnte, mir den Kopfhörer auf den Kopf zu setzen. Zum Glück leide ich nicht an „Elefantiasis“, denn dann könnte ich wohl nicht das Stirnband nach oben und die Kopfhörerteile über den Ohren tragen, wie die Anleitung auf die korrekte Anwendung hinweist, aber zugleich auch vor Problemen warnt, falls man einen zu klumpigen Kopf hat.
Stresstest am Mischpult
Nun gut, Schluss mit lustig: Ich bin neugierig, ob die provokanten Marketingversprechen von Valco denn nun wirklich halten, was sie versprechen. Ich will wissen, was der Klang dieses Kopfhörers wohl leisten mag. Und da ich zu neugierig bin und keinen Bock habe, erst auf das Aufladen des Akkus zu warten, darf erst einmal der 3,5mm Klinke-Anschluss herhalten. Schauen wir doch mal auf analogem Wege, was der VMK20 so drauf hat. Und das wird auch gleich ein echter Stresstest. Befeuert wird der Kopfhörer über den leistungsstarken Kopfhörerausgang eines Allen & Heath Xone 23C Mischpults. Auf Vinyl darf der harte Electro-Goth von Agonoize auf Picture Disc scheppern, die Lautstärke ordentlich aufgedreht. Da überrascht schon der erste Eindruck: Der Bass kommt wuchtig und warm daher. Da sieht selbst mancher 100 Euro teurere Kopfhörer der Konkurrenz alt aus. Und doch fehlt irgendwie etwas. Die Höhen sind nicht ganz so transparent und detailliert, wie ich mir das wünschen würde. Das ist immer noch hervorragender Sound und in dieser Preisklasse mehr als ordentlich, aber über den Klinke-Anschluss holt der Valco VMK20 noch nicht das letzte Detail heraus, das hier möglich gewesen wäre.
Kräftiger Bass
Sei es drum, Genrewechsel. Mal sehen, was der VMK20 aus harten Gitarrenriffs macht. Disturbed darf auf den Plattenteller. Mit der tiefen, kräftigen Stimme von David Draiman. Da wird das Höhenproblem über den analogen Anschluss noch ein bisschen deutlicher. Es fehlt ein wenig an Höhen, um die E-Gitarren wirklich präzise und transparent abzubilden. Das geht ein bisschen im wuchtigen Bass unter, während die Stimme des Sängers in seiner Wärme allerdings richtig Spaß macht. Der Valco VMK20 wirkt nicht wie ein analystischer Studiokopfhörer, sondern bringt mehr das warme Gefühl eines Livesounds auf die Ohren, als würde man in der gemütlichen Ecke eines Clubs sitzen und die Bässe spüren – ohne dabei mit jenem Bass zu sehr zu übertreiben.
Stärken über Bluetooth
Aber genug Vinyl gehört. Großspurig wird angekündigt, der Kopfhörer entfalte seine wahren Stärken doch eigentlich über Bluetooth und nicht über den analogen Klinke-Anschluss. An der Stelle werde ich noch skeptischer: Eigentlich war ich jemand, der sich immer eingebildet hat, Musik über Bluetooth klinge schlechter. Stets habe ich den Kabel vorgezogen. Und da kommt auf einmal der Valco VMK20 für seine 169 Euro daher und entpuppt sich als wahre Offenbarung: Was mir über Kabel zuvor an Höhen fehlte, ist via Bluetooth jetzt auf einmal vorhanden. Der Klang klingt ausgewogen – Bass, Mitten, Höhen allesamt perfekt aufeinander abgestimmt. Über Bluetooth präsentieren sich auch die Höhen plötzlich präzise, transparent und detailliert. Nichts geht mehr im Bass unter, obwohl der selbst kein bisschen zurückgefahren wurde. Valco hat es geschafft, mir hier den ersten Kopfhörer zu liefern, den ich via Bluetooth besser finde, als über Kabel. Nein, das ist noch untertrieben: Auf einmal klingt der VMK20 richtig geil. Was hier via Bluetooth abgeliefert wird, grenzt an High End – und spielt selbst 100 – 200 Euro teurere Kopfhörer, die hier zum Vergleich herangezogen werden, gegen die Wand.
Ein Meister der Ausgewogenheit
Ok, jetzt will ich es wissen. Klassiker müssen her, mit viel Dynamik. Genesis, Dire Straits, Michael Jackson. Und der Valco VMK20 begeistert mich über Bluetooth immer mehr. Ein „I can’t dance“ von Genesis im verlustfreien Lossless-Format FLAC macht hier richtig Bock. Das Stereobild ist trotz der geschlossenen Bauweise fantastisch, jeder Lautstärkenunterschied und jedes Instrument differenziert und voller Dynamik abgebildet. Auf einmal macht der Kopfhörer sogar noch mehr Spaß, als die aktiven Studiomonitore von Focal oder Adam Audio, die in manchem Tonstudio die Produzenten überzeugen. Beim Wechsel der Genres dann wird der VMK20 dank seines herausragenden DSP richtig interessant: Was bei herausragend gemasterten Klassikern eine fantastische Dynamik liefert, wird beim Techno von Scooter wiederum zu einem richtig wuchtigen, vollen Bass, der den Kopf shaken lässt – fast entsteht das Gefühl, man stünde auf dem Konzert in perfekter Entfernung zur Box. Bei der Synthipop-Band Austra hingegen überzeugt der Kopfhörer dann wieder mit richtig genialen Höhen. Ganz so, als würde sich der VMK20 einfach perfekt an das jeweilige Genre anpassen, das man gerade hört, damit man es hört, wie es der Künstler vorsieht – faszinierend. Nun gut, ganz auf dem Gänsehautniveau, das die in klassischem Gesang ausgebildete Sängerin von Austra auf richtigen High End Kopfhörern der Preisklasse 1000+ erzeugen würde, ist er dann doch noch nicht. Aber erstaunlicherweise auch gar nicht so weit davon entfernt, wie man bei nur 169 Euro erwarten würde.
Noise Cancelling enttäuscht
Die einzige Schwäche entsteht dann plötzlich, als ich das Active Noise Cancelling einschalte. Angeblich soll das sogar empfehlenswert sein, wenn man sich in einem leisten Raum befindet. Irgendwie verfälscht klingt der Klang nun, tatsächlich gefällt mir die Klangqualität ohne eingeschaltetes ANC irgendwie besser. Zumal dann auch die eigentlichen Noise Cancelling-Eigenschaften gar nicht vollends überzeugen. Sie dämpfen die Umgebungsgeräusche zwar relativ gut, erreichen hier aber nicht die Fähigkeiten der Referenzen aus ähnlicher Preisklasse. Ganz so schlimm ist das nicht, denn durch seine geschlossene Bauweise isoliert der VMK20 auch im passiven Modus schon einigermaßen gut. Wer hier das beste Noise Cancelling aller Zeiten erwartet, wird aber vermutlich – anders als beim Klang wie Bluetooth – enttäuscht. Um etwa auf einem Bahnhof absolut keine Umgebungsgeräusche mehr wahrzunehmen, reichen die Fähigkeiten des ANC dann doch nicht.
Kopfhörer mit Ausdauer
Insgesamt bekommt man hier aber trotzdem ein Top-Produkt mit herausragendem Preis-Leistungs-Verhältnis, denn der Valco VMK20 erreicht noch in einem anderen Bereich absolute Spitzenwerte. Mit einer Akkukapazität von nur 1050 Milliamperestunden gibt der Hersteller eine Laufzeit von 45 Stunden an. Im Test schafft der Kopfhörer beachtliche 40 Stunden jedenfalls schon einmal problemlos – und das bei eingeschaltetem ANC! Wie die Finnen das anstellen? Das bleibt wohl ein großes Mysterium, beeindruckend ist es aber allemal. Zum Vergleich: Der Audio Technica AR5BT in der gleichen Preisklasse schafft hier nur 30 Stunden und zwar ohne überhaupt über Active Noise Cancelling zu verfügen. Schneller geladen ist der Valco obendrein: In etwa 2 – 3 Stunden ist das Akku voll. Einen Ladeadapter für USB-C muss man sich für wenige Euro allerdings selbst kaufen, denn der fehlt im Lieferumfang – aber die meisten Smartphone-Besitzer haben sowas ja ohnehin zuhause rumliegen.
Der kleine Extraservice
Kleiner Hinweis, der am Rande sicherlich auch noch eine Erwährung wert sein dürfte: Valco bietet auf seinen Kopfhörer nicht nur die gewöhnliche gesetzliche Garantie von zwei Jahren, sondern darüber hinaus auch noch einen weiteren Service. Muss der Kopfhörer nach Ablauf der Garantiezeit einmal repariert werden, gibt es den Reparaturservice für 39,90 Euro inklusive kostenloser Rücksendung an den Kunden. Und zwar auch dann, wenn der Schaden selbst oder gar mutwillig verursacht wurde. Das ist mal Service – und Nachhaltigkeit.
Fazit:
Das finnische Startup Valco provoziert mit mutigen Marketingversprechen – und liefert: Für 169 Euro gibt es hier einen Kopfhörer, der via Bluetooth selbst doppelt so teure Konkurrenzprodukte gegen die Wand spielt. Der Valco VMK20 ist nicht nur einer der wenigen Kopfhörer, die über Bluetooth besser klingen, als via Kabel, sondern bietet zugleich einen so ausgewogenen Klang, wie man ihn in der Preisklasse unter 200 Euro nur selten erlebt.