26
Okt
Terraforming Mars
Ein Blick auf die diversen Onlineshops, die das physische Brettspiel von „Terraforming Mars“ listen, schreckt die meisten Spieler vermutlich bereits ab: Unter 60 Euro ist diese Version in der Regel nicht mehr zu finden – was auch dem enormen Umfang des Spielmaterials geschuldet ist. Zum Glück allerdings hat Asmodee dafür nun den passenden Ersatz: Wem das zu teuer ist, der kann nun einfach zur digitalen Umsetzung als PC-Spiel greifen und online gegen andere echte Spieler antreten. Bis zu fünf Spieler können dabei gegeneinander antreten und ihr Können im Wettlauf um den Mars unter Beweis stellen. Das ist allerdings gar nicht so einfach, denn für ein Brettspiel ist „Terraforming Mars“ außergewöhnlich komplex ausgefallen.
Aller Anfang ist schwer
Eine gewisse Lern- und Einarbeitungsphase ist also durchaus notwendig, um die kompletten Zusammenhänge des Spiels und seiner Punktewertung vollständig zu verstehen. Da versucht es „Terraforming Mars“ dem Spieler immerhin ein bisschen einfacher zu machen: Ein Tutorial führt Neulinge in die Spielregeln ein und macht uns grob mit den wichtigsten Aktionen und Optionen vertraut. Ein Glück allerdings, dass die Spielregeln auch noch einmal in schriftlicher Form in Ruhe nachzulesen sind, denn für den ein oder anderen Spieler könnte die Einführung doch ein bisschen zu viel Input auf einmal sein. Immerhin spielen zahlreiche Dinge für die Wertung eine Rolle: Terraforming-Wert, Siegpunkte, Meilensteine, Auszeichnungen, Städte, Grünflächen und noch so manch andere Kleinigkeit. Da kann es schon einmal knifflig sein, den richtigen Dreh rauszubekommen, wie man in allen Bereichen die Punktzahl soweit erhöht, dass man auch das gesamte Spiel gewinnt. Und dann gibt es ja auch noch die Rohstoffe und Karten.
Viele Wege führen zum Ziel
Für den Spielablauf hat das aber enorme Vorteile: Bei „Terraforming Mars“ gibt es somit nämlich zahlreiche Wege, um ans Ziel zu kommen, wodurch es fast unmöglich ist, denselben Spielverlauf mehrmals hintereinander zu erleben. Der eine versucht es vielleicht nur mit den Projekten auf der Karte, ein anderer setzt Credits für den Bau von Städten und Grünflächen ein, andere produzieren lieber Rohstoffe, um damit die Temperatur und den Sauerstoffgehalt zu erhöhen und somit den Terraforming-Wert zu steigern und wieder andere setzen womöglich gar auf besondere Karten mit speziellen Effekten und nutzen diesen für Siegpunkte aus. Der Spielablauf ist insgesamt so komplex, dass es einfach unzählige Möglichkeiten gibt, bei „Terraforming Mars“ an sein Ziel zu kommen. Und trotzdem gelingt der Brettspiel-Umsetzung der geniale Spagat, trotzdem einigermaßen simpel zu erlernen zu sein. Kein Wunder daher, dass das Spiel schnell zu einem Suchtfaktor für all jene wird, die es einmal ausprobiert haben.
Einstiegserleichterung
Dennoch kann es nicht schaden, zunächst ein oder zwei Partien gegen die KI zu versuchen, um das grundlegende Spielprinzip zu verstehen. Bis man hier wirklich alle Möglichkeiten des Spiels verinnerlicht hat, vergehen sicherlich ein bis zwei Stunden. Schlimm ist das aber nicht unbedingt, denn spätestens bei den Onlinepartien sollte man ohnehin ein wenig Zeit mitbringen. Ganz unabhängig davon, ob wir nur zu zweit oder zu fünft antreten, kann eine Partie durchaus gute zwei Stunden in Anspruch nehmen. Immerhin besteht durchaus die Möglichkeit, das Spiel auch gewaltig hinauszuzögern, denn das Ende findet erst dann statt, wenn der Mars ausreichend terraformiert wurde. Wer sich da lieber auf Karteneffekte und Rohstoffabbau konzentriert, der braucht hier schonmal etwas länger.
Eine echte Geduldsprobe
Generell allerdings zeigt sich beim Online-Modus allerdings auch eine kleine Schwäche der PC-Umsetzung, denn „Terraforming Mars“ kann auch zu einer echten Geduldsprobe werden, da die Züge der jeweiligen Spieler durchaus etwas länger dauern können. Während das beim physischen Brettspiel noch kein allzu großes Problem ist, weil wir unsere Mitspieler persönlich sehen können, kann bei etwas zu langen Überlegungsphasen der Online-Mitspieler mitunter der Eindruck erweckt werden, er sitze gar nicht mehr an seinem Rechner. Kontrollieren lässt sich das nämlich schlecht: Verschwindet ein Mitspieler ohne Nachricht im Chat für längere Zeit vom Bildschirm, geht es im Onlinespiel einfach nicht weiter. Eine zeitliche Begrenzung für den jeweiligen Zug hat Asmodee nämlich leider noch nicht eingebaut, obwohl dies spätestens bei fünf Spielern durchaus sinnvoll wäre.
Auch alleine spielbar
Trotzdem muss man aber doch zugeben, dass der Multiplayer-Modus schließlich den eigentlichen Reiz eines Brettspiels ausmacht. Wer möchte „Terraforming Mars“ schließlich alleine gegen den Rechner spielen? Obwohl das natürlich durchaus möglich wäre und zwar gleich auf mehrere Varianten: So können wir einerseits eine ganz gewöhnliche Partie gegen ein oder mehrere KI-Gegner spielen, oder aber auch den auch in der physischen Version enthaltenen Solo-Modus ausprobieren: Hier spielen wir dann völlig alleine und müssen es in einer besonderen Herausforderung schaffen, Temperatur, Sauerstoff und Wasser in einer begrenzen Anzahl von Runden allein auf einen bestimmten Wert zu bringen. Und das ist gar nicht so einfach, wie das auf den ersten Blick klingt. Vor allem, wenn wir online mal wieder keinen Mitspieler finden (was so kurz nach Release durchaus mal vorkommen kann), ist der Solo-Modus eine gelungene Ergänzung. Da wir allerdings während des Tests bereits im Schnitt um die 90 internationale Spieler online vorgefunden haben, sollten mit etwas Geduld trotzdem genug Online-Partien zusammen kommen. Es dauert nur eben manchmal, bis diese ihre bereits laufende Partie beendet haben und eine neue beginnen wollen.
Unendliche Möglichkeiten
Haben wir eine solche dann erst einmal gefunden, verlaufen die Runden von „Terraforming Mars“ in jeweils drei verschiedenen Phasen. Zu Beginn bekommen alle Spieler die Möglichkeit, bis zu vier neue Aktionskarten mithilfe ihres Guthabens einzukaufen. Danach sind die Spieler reihum an der Reihe, je zwei der verschiedensten Aktionen auszuführen: Ob das Ausführen von Karten, der Bau von Plättchen, die Nutzung von Rohstoffen, die Inanspruchnahme von Meilensteinen oder Auszeichnungen und noch so manch andere interessante Aktion, die man zum Teil mittels Karten freischalten kann. Interessant bleibt das vor allem wegen der hohen Komplexität der Aktionskarten: Die einen dienen zum Bau von Gebäuden, die anderen zum Erhöhen der Rohstoffproduktion, die nächsten um das Ausführen von Aktionen zu ermöglichen und so manch andere speziellere Aktion, die wir euch am liebsten im Spiel selbst erkunden lassen.
Rohstoffknappheit
Alle diese Aktionskarten sind allerdings auch an Bedingungen geknüpft: Dazu kann das Erhöhen der Rohstoffproduktion in jeder Runde sein oder das sofortige Aushändigen neuer Rohstoffe, aber auch eine Verringerung derselbigen. Ebenso das Erhalten oder Verlieren von Siegpunkten, das Erhalten oder Verlieren von Symbolen, die wir zur Ausführung hochwertigerer Karten benötigen und vieles mehr. Jede Karte kostet uns zugleich aber auch Credits, die daher möglichst geschickt eingesetzt werden müssen und weswegen das Kaufen der Karten zu Beginn der Runde gut überlegt werden muss. Denn als Spieler haben wir nicht nur zwei Aktionen frei: Nach je zwei Aktionen geht es nämlich reihum weiter, bis wir erneut mit zwei Aktionen dran sind. „Terraforming Mars“ führt das so lange fort, bis der Spieler gepasst hat – alle anderen dürfen selbst so lange weiter machen, bis sie selbst passen. Erst wenn alle Spieler nicht mehr weiter machen wollen oder können, geht es in die nächste Runde und somit zur Rohstoffverteilung.
Bis zum bitteren Ende
Und genau da wird es dann noch einmal spannend: Je mehr Credits und Rohstoffe wir haben, desto länger können wir innerhalb einer Runde unsere Aktionen ausspielen. Für den Sieg ist es dabei überaus wichtig, möglichst lange dran bleiben zu können, um die anderen Spieler dabei zu übertreffen. So liegt es also an uns, einen guten Kompromiss aus wichtigen Wertungspunkten und Rohstoffzuwachs zu erreichen und die Spieler müssen recht überlegt vorgehen, um ihre Ziele zu erreichen oder auch die passenden Rohstoffe zum Ausführen ihrer wichtigsten Karten zu erlangen. Hat man dann spätestens an dieser Stelle herausgefunden, wie viele umfangreiche und komplexe Spielmöglichkeiten uns „Terraforming Mars“ offen lässt, fällt es manchmal schwer zu glauben, dass wir hier tatsächlich noch eine Brettspielumsetzung vor uns haben. Immerhin haben wir in all den Jahren auch schon reine PC-Strategeispiele gesehen, die weniger komplex umgesetzt wurden.
Brettspiel trifft Futurismus
Ansonsten hat Asmodee das Brettspiel auf dem PC natürlich ein wenig aufgehübscht und ihm ein schickes Design verpasst. Da fällt vor allem das futuristische HUD im thematisch passenden Sci-Fi-Design auf, das die komplexen Spielinhalte angenehm übersichtlich darstellt. Ein bisschen 3D-Grafik gibt es natürlich oben drauf, denn das aus der Marsoberfläche bestehende Spielbrett baut man hier nicht einfach als Scheibe ein, sondern man liefert den Fans einen hübsch animierten Planeten mit diversen anderen Objekten drumherum. Darüber dann die an „Siedler von Catan“-erinnernden transparanten Spielfelder, auf denen wir unsere Plättchen für Städte, Grünflächen, Ozeane und andere Dinge platzieren können. Und auch hier hat man sich alle Mühe gegeben, dreidimensionale Städte zu animieren, hübsche Dschungel darzustellen und echte Wasseranimationen einzubauen. Das ist zwar sicherlich noch keine Grafikreferenz, wie man es aus teureren Spielen kennt, geht bei einer Brettspielumsetzung dann aber doch weit über eine zweckmäßige Darstellung hinaus. Insofern kann man bei „Terraforming Mars“ nicht allzu viel bemängeln.
Fazit:
Mit der PC-Umsetzung von „Terraforming Mars“ verschafft Asmodee nun all jenen Brettspielfans etwas Abhilfe, denen die physische Version bisher zu teuer war. Und mit seinem Suchtfaktor lohnt sich das so richtig: Das Strategiespiel um die Umwandlung des roten Planeten ist für ein Brettspiel nämlich bemerkenswert komplex ausgefallen und punktet vor allem im Onlinemodus mit bis zu fünf Spielern.