29
Sep
Train Simulator 2016: München – Garmisch
Kritik:
Eisenbahnfreunde kommen am heimischen Rechner vor allem dann häufig auf ihre Kosten, wenn sie deutsche Strecken mögen. Bereits jetzt sind zahlreiche davon als herunterladbares Addon verfügbar und auch der große Hauptbahnhof der Metropole München darf da nun bereits zum dritten Mal nicht fehlen. Detailliert nachgebaut wirken da vor allem die Leuchtreklamen und Anzeigetafeln besonders eindrucksvoll, während die Einfahrt in den Kopfbahnhof sicherlich nicht für jeden Spieler einfach ist. Klar ist: Mit München – Garmisch haben wir eine der bekanntesten und beliebtesten Strecken aus unserem Land auf dem Bildschirm. Gerade deshalb ist es besonders schade, dass diese nicht ganz dem Original entspricht.
Die etwas zu lange S-Bahn
So fehlen insbesondere einige sehr wichtige Streckenabschnitte, die bei der S-Bahn München eigentlich zum Pflichtprogramm gehören: Die unterirdische Stammstrecke. Tatsächlich können wir in diesem Add-On allerdings überhaupt nicht unter Erde, sodass wir ausschließlich oberirdisch in den Hauptbahnhof einfahren können. Dass dann die Baureihe 426, die wir auf dieser Strecke überwiegend fahren, dann ausgerechnet mit dem Schriftzug „S6 – Murnau“ beschriftet ist, macht die Sache umso unglaubwürdiger. Einerseits entspricht es keineswegs der Realität, dass die Münchener S-Bahn überhaupt oberirdisch am Bahnhof hält, andererseits endet diese normalerweise auch spätestens in Tutzing. Auf der restlichen Strecke von Tutzing über Murnau nach Garmisch haben wir normalerweise lediglich die Möglichkeit, mit einer Regionalbahn zu fahren – die allerdings wiederum nicht mit Baureihe 426 verkehren würde. Das ist schlicht schlampig gearbeitet, insbesondere wenn man angibt, die reale Strecke aus dem Jahre 2014 nachgebaut zu haben.
Realität mit dem Talent 2
Falls man hingegen doch ein bisschen Wert auf Realismus legt, muss man auf dieser Route gleich nochmal in die Tasche greifen. Der aktuell tatsächlich verkehrende „Talent 2“ der Baureihe 442 fährt nämlich in der Tat als Regionalbahn von München nach Garmisch-Partenkirchen und bietet somit eine Möglichkeit, die Strecke mit glaubwürdigem Rollmaterial zu absolvieren. Dieses ist jedoch nicht im Strecken Addon enthalten und muss zusätzlich erworben werden. Mit immerhin drei interessanten Karriereszenarien und einem detaillierten Führerstand lohnt sich das aber durchaus – schließlich wurden die Sicherheitssysteme, Beleuchtungen und Anzeigen originalgetreu nachgebaut. Wer das jedoch nicht möchte, muss sich mit Baureihe 426 zufrieden geben und bekommt dabei darüber hinaus auch ausschließlich Passagierszenarien geboten. Güter- und Rangierfans kommen hier jedenfalls weniger auf ihre Kosten.
Kein Wert auf Sicherheit
Gut gelungen ist allerdings, dass auch die enthaltene Baureihe 426 recht detailliert umgesetzt wurde. So finden wir auch in diesem Zug die Sifa-Sicherheitssysteme und die punktlinienförmige Zugbeeinflussung (PZB). Standardmäßig ist diese allerdings ausgeschaltet, um es vor allem Einsteigern nicht zu kompliziert zu machen. Erst einmal eingeschaltet, müssen wir regelmäßig den Sifa-Schalter betätigen und auch die Geschwindigkeitsbegrenzungen deutlich genauer einhalten. Insbesondere ersteres bedarf mitunter etwas Übung, da andernfalls in regelmäßigen Abständen die Notbremse aktiviert wird. Nichts, um als Einsteiger mal eben schnell viele Punkte im Karrieremodus zu machen. Für gemütliche Fahrten ohne das manchmal nervig werdende Sicherheitssystem, lässt es sich aber eben auch ohne weiteres abschalten. Auch das ist nicht unbedingt realistisch, dürften in der Realität wohl keine Lokführer ohne Sicherheitssysteme überhaupt losfahren.
Zweigleisig in die Berge
Vergleicht man „München – Garmisch“ mit manch anderen bereits erschienenen deutschen Strecken, ist sie im Grunde gar recht unspektakulär. Mehr als zwei Gleise gleichzeitig gibt es hauptsächlich in München und direkter Umgebung und die ansonsten üblichen Geradeausfahrten dürften wahrscheinlich niemanden vom Hocker hauen. Optisch bekommen wir dabei auch lediglich das übliche deutsche Grün mit seinen Bäumen geboten, wobei man die Strecke nicht als die detaillierteste bezeichnen könnte. Spannend sind hingegen vor allem die Fahrten mit Steigungen und Gefälle zwischen Murnau und Garmisch, geht es hier nämlich auch einmal in höhere Bereiche und somit auf die Berge mit einigermaßen schicker Aussicht. Ein kleiner Augenschmaus sind dabei vor allem Nebel- und Regenfahrten, wenn eine tiefere Wolkenschicht auf Grund der Höhe direkt über den Häusern schwebt und damit durchaus hübsch aussieht.
Gering befahrene Strecke
Die Szenarien sind dabei übrigens auch nur durchschnittlich, zumindest wenn man es bei dem Standardumfang belässt. Das liegt insbesondere daran, dass die Strecke bei weitem nicht so gut befahren ist, wie wir es uns manches Mal wünschten (die Szenarien des Talent 2 sind da um einiges interessanter). Durch diese Tatsache kommen allerdings auch unerwartete Ereignisse nur selten zustande. Fast nie müssen wir an einem roten Signal auf den entgegenkommenden Verkehr warten und auch eine „stockende Fahrt“ ist nicht wirklich vorgesehen. Das ist insbesondere deshalb schade, weil die Infrastruktur dafür vorhanden wäre. Die nicht auf der unteren Karte verzeichneten Vorsignale geben uns etwa einen Kilometer vor dem Hauptsignal regelmäßig dessen Status an und sorgen dafür, dass wir stets mit offenen Augen fahren müssen. Das gilt speziell auch für Geschwindigkeitsbegrenzungen, die jederzeit durch ein Signal auftauchen können und ebenfalls nicht auf der Karte verzeichnet sind.
Nur für Deutschland-Fans
Möchte man vor allem auf deutschen Strecken fahren und liebt den Personennahverkehr, ist die Strecke allerdings trotzdem eine Überlegung wert und kann sich für die Vollständigkeit immerhin lohnen. Man sollte sich dabei allerdings bewusst sein, dass die Strecke „München – Augsburg“ qualitativ mehr zu bieten hat und in einer ähnlichen Region spielt. Dass der Münchener Hauptbahnhof manches Mal deutlich zu leer ausgefallen ist und ein Güterverkehr vollständig fehlt (auch als KI-Verkehr), sorgt allerdings schnell für wenig optische Abwechslung. Auch bezüglich des Rollmaterials könnte eine andere Strecke ebenso in die Überlegung einfließen, tauchen die sehr ähnlichen Baureihen 422 und 425 schließlich auch auf anderen Strecken auf und fahren sich nahezu identisch. Besitzt man hingegen bereits den Talent 2 oder den BR 411 ICE-T lohnt sich die Strecke in jedem Fall.
Fazit:
Eher durchschnittliche deutsche Strecke mit fehlender unterirdischer S-Bahn-Stammstrecke und deutlich zu wenig Rollmaterial. Das Addon mag so zwar durchaus immer noch schick aussehen, wird aber erst durch zusätzliches Rollmaterial gegen weitere Kosten interessant.