04
Mai
Game-Review: The Walking Dead (Episode 1)
Kritik:
Von den Medien hochgelobt und von den Fans einfach nur geliebt: „The Walking Dead“ schafft es als innovative Zombieserie in den letzten Jahren zahlreiche Menschen zu begeistern und vor allem durch seine Charakterzeichnungen zu überzeugen. Doch während wir auf den Release der zweiten Staffel warten, lassen uns die Adventure-Meister von Telltale Games bereits jetzt in eine weitere spielbare Staffel eintauchen. Mit insgesamt fünf Episoden, die jeweils in einem Abstand von einem Monat veröffentlicht werden, erleben wir eine ganz neue Sicht des Überlebenskampfs und stellen erstaunt fest, wie aus einem klassischen Adventure doch irgendwie auch ein Survival-Horror-Actiongame werden kann.
Zwischen Verurteilung und Zombie-Apokalypse
Man erkennt natürlich sofort die Serienvorlage wieder und stellt fest, dass auch das Spiel zu „The Walking Dead“ in einem ähnlichen grau-düsteren Stil gehalten wurde und sowohl Gebäude, Umgebung, als auch Charaktere sich recht stark ähneln. Allerdings handelt es sich keineswegs um eine Fortsetzung zu Serie, sondern eher um eine Auskopplung mit neuer Story und neuen Charakteren. Wir schlüpfen dabei in die Rolle des farbigen Killers Lee, der zu seinem Heimatort zurückkehren will, um sich auf die Suche nach seinen Eltern zu machen – stets in dem Versuch, seine wahre Identität irgendwie zu verschleiern. Begleitet wird er dabei ganz typisch von zahlreichen Charakteren, denen er auf seiner Reise begegnet. Doch neben neuen Figuren gibt es auch solche, die wir aus der Serie kennen. So ist der Asiate Glenn einmal mehr vertreten und auch Hershel Greene lässt nicht lange auf sich warten. So fühlen sich Serienfans schnell wieder zuhause.
Schlag ihnen den Schädel ein!
Wer die Serie übrigens kennt, dem sollte schnell klar sein, dass „The Walking Dead“ nicht unbedingt ein Spiel für kleine Kinder ist. Obwohl Telltale bisher eher mit familienfreundlichen Adventures wie „Zurück in die Zukunft“ und „Sam & Max“ überzeugte, haben sie nun eine gänzlich neue Stilrichtung eingeschlagen, denn dieses Game versucht sich eindeutig als Horror-Action-Adventure. Da erfreut es die Fans auch umso mehr, dass hier ebenso wenig zimperlich mit der Darstellung von Gewalt umgegangen wird und wir fast im Minutentakt irgendwelche abgehackten Köpfe und zertrümmerte Schädel sehen. Oft muss der Spieler sogar aus Wut und Überlebenswille gleich mehrfach auf den Gegner eindreschen, bis dieser auch wirklich absolut tot ist. Selbst die kleinste Bewegung des Zombies kann auf einen weiteren Angriff hindeuten. Dabei mutiert das Spiel aber keineswegs zum Ego-Shooter, sondern bleibt mit Tastaturkombinationen und Mausklicks recht simpel. Der Schwierigkeitsgrad ist also locker selbst für Anfänger zu meistern, denn „The Walking Dead“ legt wesentlich mehr Wert auf eine gute Story.
Auf in die Stadt!
Bei der Story hält sich das Spiel nämlich bewusst an die vorgegebenen Muster der Serie. Erst wartet ein wenig Survival-Trainig auf uns, danach suchen wir nach Hilfe und machen uns gemeinsam mit einigen Gefährten in die Stadt, um nach weiteren Überlebenden zu suchen, aber auch noch viel mehr Zombies zu finden. Die Locations sind also altbekannt: Vom verlassenen Haus mit kleinem Kind bis zur Zombie-Großstadt ist da alles vertreten und Glenn müssen wir nur allzu oft einmal aus einer brenzligen Situation befreien. Alles wie gehabt also und die Charaktere und Dialoge tragen einiges zur Story bei. Es ist praktisch unmöglich, „The Walking Dead“ ohne Dialoge zu spielen und gerade hierüber erfahren wir wichtige Informationen über die Gruppe, die Situation und viele andere Dinge. Doch die Erzählungen haben noch eine ganz andere zentrale Rolle.
Die Qual der Wahl
Wie in kaum einem anderen Spiel sind hier Entscheidungen überaus wichtig. In Dialogen müssen wir oft selbst mittels Multiple-Choice-Auswahl eine Antwort geben, dürfen dabei allerdings auch nicht zu lange überleben. Durch Zeitdruck ergibt sich so in jeder Situation eine spontane Reaktion, die sogar manchen Spieler selbst ein wenig überraschen könnte. Etwa dann, wenn wir eine Wahl treffen müssen, welchen Charakter wir überleben lassen, oder ob wir unser Gegenüber belügen oder ihm die Wahrheit sagen. Manch willkürliche, oder auch gut überlegte Entscheidungen könnte im wahren Leben wohl unsere Persönlichkeit grundlegend verändern. Interessant ist allerdings auch, dass die Figuren erstmals über ein überaus gutes Gedächtnis verfügen und auf jede unserer Entscheidungen letztendlich wieder zurückkommen. Ob wir lügen oder die Wahrheit sagen, ob wir jemandem in den Rücken fallen, oder Loyalität zeigen, oder ob wir gar eine geliebte Person retten – all das wird in späteren Situationen, Dialogen und Handlungsabläufen wieder zum Vorschein kommen. Einmal verscherzt, können wir kaum mehr auf Sympathien hoffen, während uns liebgewonnene Freunde zur Seite stehen. Derartige Entscheidungen in Spielen sind zwar nicht grundsätzlich neu, in diesem Umfang allerdings erfrischend innovativ.
Freund oder Feind
Bei den Charakterzeichnungen liefert „The Walking Dead“ aber allgemein Meisterleistungen, denn es fällt uns in kaum einem anderen Spiel so leicht, Freundschaften aufzubauen oder Feinde zu gewinnen. Insbesondere das, macht Entscheidungen um Leben und Tod umso dramatischer und schwieriger. Da bleibt dann die Frage, ob wir lieber die vertrauenswürde Reporterin retten, die zwar unseren Namen kennt, aber uns scheinbar loyal zur Seite steht, oder stattdessen dem liebenswerten Kumpel helfen, der uns gerade eben noch nette Komplimente machte. Die Entscheidung fällt nicht leicht und die Statistiken am Ende des Spiels, die uns verraten, wie viele andere Spieler gleich entschieden, werden uns verblüffen. Nebenbei baut Telltale sogar noch sehr brisante Entscheidungen in das Spiel ein, die für Gesprächsstoff sorgen könnten und selbst politische Debatten anregen könnten. Das ist mutig und genau so etwas würden wir uns auch von vielen anderen Spielen wünschen.
Wir haben doch keine Zeit
Doch kommen wir zurück zum eigentlichen Gameplay, denn „The Walking Dead“ ist eigentlich ein Adventure und zugleich auch nicht. Klassische Kombinationsrätsel finden wir hier ebenso wenig, wie komplexe Schalteraufgaben. Stattdessen konzentriert sich das Spiel linear, aber eben mit vielen Entscheidungen auf die Story und den Handlungsverlauf. Rätsel bestehen bestenfalls darauf, den richtigen Gegenstand am richtigen Ort zu finden und dabei gegebenenfalls um gegnerische Zombies herumzuschleichen. Kommt es dann einmal zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung müssen wir mit QuickTime-Events vorlieb nehmen und genau vorgegebene Tastenkombinationen drücken und oftmals unter Zeitdruck eine bestimmte Handlung durchführen, denn andernfalls werden wir vom Zombie gebissen und gefressen – unwiderruflich. Danke gut platzierten Checkpoints steigen wir aber schnell wieder ins Geschehen ein und müssen nicht allzu viel neu beginnen. Was also in vielen Spielen verteufelt wird, hat Telltale in „The Walking Dead“ hervorragend genutzt und eingesetzt, um neben der herausragenden Story auch ein wenig Action einzubauen.
Guck mal da!
Manchmal macht man es den Spielern allerdings auch etwas zu einfach, vor allem dann wenn man Tipps und Hilfen zu Beginn eingeschaltet hat. Dann können wir verwendbare Objekte bereits auf den ersten Blick erkennen und müssen nach bestimmten Gegenständen noch nicht einmal suchen. Das kann zwar die Dauer des Spiels insgesamt recht verkürzen, nimmt erfahrenen Spielern aber auch gänzlich jede Herausforderung. Da sind wir dann froh, dieses Feature abschalten und uns gänzlich von selbst auf die Suche machen zu können, was insgesamt mehr Spannung versprechen dürfte. Insbesondere in Kämpfen kann das aber auch komplizierter und kniffliger werden, da wir unter Umständen gar nicht wissen, wo wir genau hinzielen müssen. Zum Glück lässt man dem Spieler allerdings die Freiheit selbst zu entscheiden und nach eigenen Vorlieben zu spielen.
Comic zum Spielen
Beim Grafikstil setzt man übrigens eindeutig auf die Comic-Vorlage, denn mit der Cel-Shading-Grafik im Comic-Look ist man von fotorealistischer Darstellung natürlich weit entfernt. Das mag auch so gewollt sein, basiert schließlich auch die ganze Serie auf einem Comic und kommt so auch Fans des bebilderten Originals sehr entgegen. Da sollte aber auch klar sein, dass die Charaktermodelle oft etwas unnatürlich und künstlich erscheinen. Immerhin hat man aber vor allem bei den Gesichtszügen gute Arbeit geleistet und Emotionen hervorragend in das Spiel integriert. Ob Entsetzen, Schock, Trauer, Freude oder einfach nur ein Lächeln – alles ist realistisch, authentisch und jederzeit nachvollziehbar. Da muss der Protagonist auch gar nicht so viel sprechen, damit wir wissen, wie es ihm gerade geht. Einfühlungsvermögen kann daher durchaus von Vorteil sein. Deutsche Spieler müssen sich aber leider so oder so damit abfinden, dass eine deutsche Sprachausgabe vollständig fehlt und wir uns gezwungenerweise mit Englisch abfinden müssen. Immerhin: Englische Untertitel geben auch jenen ein wenig Hilfe, die die Dialoge nicht auf Anhieb verstehen.
Fazit:
Die Adventure-Meister von Telltale Games liefern uns eine spielbare „The Walking Dead“-Staffel, die ihrer Serienvorlage absolut würdig ist und vor allem Dialoge und schwierige Spielerentscheidungen in den Vordergrund stellt.
The Walking Dead – The Game ist als digitaler Download via Steam oder direkt unter telltalegames.com erhältlich.