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    Das schweigende Klassenzimmer

    Das schweigende Klassenzimmer


    Land/Jahr:
    D 2018
    Genre:
    Drama
    Regie:
    Lars Kraume
    Darsteller:
    Jonas Dassler
    Leonard Schleicher
    Tom Gramenz
    Ronald Zehrfeld
    Judith Engel
    Jördis Triebel
    Burghart Klaußner
    FSK:
    ab 12 Jahren
    Dauer:
    111 Minuten
    Kaufstart:
    20. September 2018
    Label:
    Studiocanal

    Stalinstadt im Jahre 1956: Fünf Jahre vor dem Mauerbau, war in der DDR von Freiheit schon lange nichts mehr zu sehen. Obwohl die Grenze grundsätzlich noch zu übertreten war, gehörten Ausweiskontrollen ebenso zum Alltag, wie sozialistische Propaganda und Lügen. Der Alltag für Schüler war unterdessen nicht einfach, neigten sie doch dazu, den durchaus empfangbaren Westmedien einen gewissen Glauben zu schenken. Und während eine Schulklasse kurz davor steht, das in der DDR überaus wertvolle Abitur zu schaffen, erfahren sie von den Aufständen in Ungarn, bei dem auch eines ihrer größten Fußballidole scheinbar verstorben ist. Aus Solidarität mit den Freiheitskämpfern und Trauer über den Fußballstar beschließt die Klasse kurzerhand, eine Schweigeminute abzuhalten. Dumm nur, dass davon auch der Volksbildungsminister schon bald Wind bekommt und SED-Funktionäre darauf ansetzt, die Rädelsführer ausfindig zu machen. Denn von nun an gelten die Schüler als Staatsfeinde, die sich womöglich den Konterrevolutionären angeschlossen haben…

    Kritik:
    Ein in Deutschland recht eigenes Phänomen dürfte die umfangreiche Erinnerungskultur sein, mit der sich die Bevölkerung auch nach Jahrzehnten noch beschäftigt. Das betrifft nicht nur die Erinnerung an die Gräueltaten der Nationalsozialisten, sondern auch an den Unrechtsstaat der DDR, in dem Freiheit ein Fremdwort war. Vor allem aber betrifft das auch die Filmwelt, denn kaum ein anderes Thema beschäftigt deutsche Filmemacher offenbar mehr, als die eigene deutsche Geschichte. Wie gut, dass die Vergangenheit auch manchmal ganz spezielle Geschichten hergibt, die es zu entdecken gibt.

    Aus dem echten Leben
    Basierend auf einer wahren Begebenheit, die vom real existierenden und in diesem Jahr verstorbenen Republikflüchtling Dietrich Garstka überliefert wurden, beschäftigt sich „Das schweigende Klassenzimmer“ mit einer Geschichte, die bei den meisten Zuschauern vermutlich unbekannt sein dürfte, sofern sie nicht sein gleichnamiges Buch über seine Erlebnisse gelesen haben. Gerade eine solche Vorlage bietet aber genügend Stoff, um die Ereignisse glaubwürdig und realitätsnah aufzubereiten. Gedreht zwischen den alten Häusern von Eisenhüttenstadt, die einst tatsächlich als „Stalinstadt“ bezeichnet wurden, kann „Das schweigende Klassenzimmer“ immerhin gut einfangen, was es zur damaligen Zeit bedeutet hat, der Arbeiterklasse anzugehören und sich so – letztendlich auch notgedrungen – der SED-Propaganda zu unterwerfen.

    Alltag in der DDR
    Durch eine recht nahe Orientierung an der Originalerzählung gelingt es „Das schweigende Klassenzimmer“ aber vor allem auch, den echten Alltag realistisch wieder zu geben, in dem die Einwohner und vor allem Schüler der DDR einst gelebt haben. Wie völlig normal es eben doch war, die Radiosender aus dem Westen zu empfangen und diese Tatsache stets verheimlichen zu müssen. Und wie völlig normal ein Alltag war, in dem die tatsächliche eigene Meinung schon verschwiegen werden musste, noch bevor die Mauer überhaupt gebaut wurde. Und hier kommen die Figuren des Films erst richtig zur Geltung, die stets in dem Zwiespalt lebten, ihre eigenen Ansichten zu unterdrücken oder das Risiko einzugehen, diese auch in der Öffentlichkeit und gegen Druck der SED zu vertreten. Das allein baut dann schon genügend Dramatik und Atmosphäre auf, dass uns „Das schweigende Klassenzimmer“ schnell gepackt hat – und macht deutlich, dass der Mauerbau letztendlich nicht einmal das wesentliche Problem der DDR war, sondern der Kern der Problematik an ganz anderer Stelle lag.

    Wirkung von Propaganda
    So gesehen ist das Drama auch ein wertvoller Streifen, der darauf verzichtet, auf allzu offensichtliche Unterdrückungsinstrumente wie die Erschießung an der Mauer darzustellen. Im Mittelpunkt steht hier die Wirkung von Propaganda, Meinungsunterdrückung und in gewissen Maße auch Gehirnwäsche – so lange, bis das Volk selbst von den Lügen des Regimes überzeugt ist. Fast ein bisschen wie Orwells „1984“, der mit seiner Idee vom Neusprech durchaus ähnliche Kritik am Sozialismus äußerte – auch wenn „Das schweigende Klassenzimmer“ etwas näher an den Figuren bleibt, statt es mit der Darstellung der Regimestrukturen zu übertreiben. So bleibt der Film emotional und persönlich. Trotzdem ist gerade diese Perspektive in der heutigen Zeit, in der Kritik an sozialistischen Ideen durchaus ein heißes Pflaster sein können, immer noch aktuell und zum Teil auch hochbrisant, um nicht zu sagen mutig. Immerhin beleuchtet „Das schweigende Klassenzimmer“ auch die damalige Praxis, jede Infragestellung des Regimes als Sympathien für den Faschismus zu denunzieren. Mit Hinblick auf aktuelle politische Entwicklungen ist der Film somit nicht nur unterhaltsam, sondern regt auch zum nachdenken und hinterfragen an. Das „Prädikat besonders wertvoll“ darf man also in diesem Fall getrost als gerechtfertigt betrachten.

    Strenge und Macht
    Die Wirkung eines solchen Films würde aber nicht ohne seine Darsteller funktionieren und die liefern – vor allem für deutsche Verhältnisse – erstaunlich gute Leistungen ab. Da sticht vor allem Burghart Klaußner in der Rolle des Volksbildungsminsters besonders hervor. Mit einer außergewöhnlichen Strenge und Verbissenheit, sowie dem dafür notwendigen starken Organ fällt es ihm überaus leicht, die noch jungen Oberstufenschüler einzuschüchtern und ihre freie Meinungsäußerung zu unterdrücken. Dazu trägt aber auch die Freiheit bei, die Darsteller hier in einem glaubwürdigen Ost-Dialekt sprechen zu lassen. Insgesamt wird das Szenario in „Das schweigende Klassenzimmer“ dadurch noch authentischer und das Publikum fühlt sich mit der Alltagssprache der ostdeutschen Arbeiterklasse richtig in die damalige DDR zurückversetzt. Regisseur Lars Kraume macht hier also bis ins kleinste Detail so ziemlich alles richtig – von der Besetzung bis hin zur Wortwahl eines jeden eindrucksvollen Satzes.

    Fazit:
    Ein eindrucksvolles und wertvolles Werk über die Wirkung von Propaganda und Unterdrückung in der DDR, noch vor dem Bau der Mauer. Von der kritischen Beleuchtung der Mechanismen des Sozialismus, bis hin zur Wahl der Darsteller und dem Einblick in den damaligen ostdeutschen Alltag macht „Das schweigende Klassenzimmer“ nahezu alles richtig.

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